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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), nimmt an der Generaldebatte des Bundestags teil.

© dpa/Kay Nietfeld

Olaf Scholz schlägt Deutschland-Pakt vor: Ein Trick? Vielleicht. Hilflosigkeit? Wahrscheinlich

In der Generaldebatte umgarnt der Kanzler die Opposition. Er appelliert an eine „nationale Kraftanstrengung“, Kooperation statt Streiterei. Das Manöver lässt tief blicken.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Das Wort klingt verführerisch: Deutschland-Pakt. Der Bundeskanzler lädt die demokratische Opposition dazu ein sowie Länder und Kommunen. Ein Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit liege über dem Land, sagt Olaf Scholz in der Generaldebatte des Bundestages. Dem „Ernst der Lage“, bedingt durch Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Klimawandel und Inflation, müsse Rechnung getragen werden. Sorgenfalten liegen über seiner Augenklappe.

Scholz umgarnt und umarmt die Union. Er appelliert an eine „nationale Kraftanstrengung“, Kooperation statt Streiterei. „Lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln.“ Das sei das Gebot der Stunde. Das Schattenboxen im Bundestag müsse ein Ende haben. Auch in der Regierung, seiner Ampelkoalition, sei zu viel gestritten worden. Ist das so? Wird in Deutschland, in der deutschen Politik, zu viel gestritten?

Streit ist ein Wesensmerkmal der Demokratie. Eine Regierung braucht eine starke Opposition. Das sind zwei Sätze, die nicht nur in Schönwetterzeiten gültig sind. Dem Igitt-Reflex auf Kontroverse, Widerspruch und Dissens haftet oft ein demokratieferner Widerwille gegen offene Debatten an. In der Ampel wird mitunter heftig gestritten. Allerdings muss es konstruktiv sein und Ergebnisse zeitigen.

Unterstützung ohne Macht

Nun also Deutschland-Pakt. Tempo statt Stillstand, handeln statt aussitzen, das Land müsse schleunigst modernisiert werden, sagt Scholz. Die Bürger seien den Stillstand leid, „und ich bin es auch“.

Das ist ein bemerkenswerter Befund eines Bundeskanzlers, dessen Partei, die SPD, in den vergangenen 25 Jahren 21 Jahre lang das Land als Teil einer Regierung mitgestaltet hat. Daran wird sie nicht gern erinnert, aber einfach abschütteln lässt sich dieses Erbe nicht.

Es ist schwer zu sehen, warum Unionsfraktionschef Friedrich Merz sich darauf einlassen sollte.

Malte Lehming über das Angebot von Scholz an die Opposition

Die Einladung an die demokratische Opposition, künftig gemeinsam „im Maschinenraum unseres Staates“ zu arbeiten, könnte folglich ein Trick sein oder das Eingeständnis, die Probleme alleine, im Rahmen seiner Regierungskoalition, nicht mehr bewältigen zu können.

Zunächst die Trick-Variante. Im Deutschland-Pakt soll die Opposition dazu gebracht werden, die Regierung zu unterstützen, ohne an ihrer Macht teilhaben zu dürfen. Keine Minister, keine Ressorts, keine Koalition. Es ist schwer zu sehen, warum Unionsfraktionschef Friedrich Merz sich darauf einlassen sollte.

Ist es ein raffiniertes Manöver des Kanzlers?

Tut er es aber nicht, kann Scholz ihn künftig als „Deutschland-Pakt-Verweigerer“ titulieren, der sich aus purer Dagegensein-Lust der Verantwortung fürs Land entzieht. Durch Umarmung ersticken: Dann wäre der Appell an die Gemeinsamkeit, gutwillig betrachtet, ein raffiniertes Manöver des Kanzlers. Es brauche schließlich die Bereitschaft aller, an einem Strang zu ziehen, wie er betont.

Allerdings liegt es nahe, den Deutschland-Pakt-Aufruf von Scholz auch als Zeichen von Hilflosigkeit zu werten. Die ideologischen und programmatischen Differenzen innerhalb seiner Ampelkoalition brechen immer öfter auf. Grüne und Liberale leben auf getrennten Planeten. Aus prinzipiellen Gründen werden die Themen verengt.

Das heißt, um nur einige Beispiele zu nennen: keine Rückkehr zur Atomkraft, kein Überschreiten der Schuldenbremse, keine weiteren sicheren Herkunftsländer, keine Grenzsicherung zur Eindämmung illegaler Zuwanderung.

„Das ist mit uns nicht zu machen.“ Kaum ein Satz fiel in den vergangenen Wochen und Monaten in Regierungskreisen öfter. Er charakterisiert das programmatische Sackgassengefühl, das die Ampel auslöst. Deren Umfragetief ist ein Ergebnis davon.

Insofern muss der Aufruf des Kanzlers, einen Deutschland-Pakt zu schließen, in beiden Varianten gedeutet werden. Er ist ein Trick, um der Opposition im Falle eines Neins leichter Vorhaltungen machen zu können. Er ist aber vor allem auch das Eingeständnis, ohne die Opposition nicht recht weiterzuwissen.

Ein Hauch von Groko liegt in der Luft. Nicht als reale Option, die sich in naher Zukunft materialisiert. Eher als Gedankenspiel, in dem sich eine Sehnsucht ausdrückt. Es war ja schließlich nicht alles schlecht, damals.

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