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Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 23. März.

© dpa / picture alliance

Streit um Reparationen: Griechenland verhält sich dumm

Hat Sigmar Gabriel recht: Verhält sich Griechenland mit seiner Forderung nach Reparationen dumm? Ja, sagt unser Kolumnist. Was wäre wohl passiert, wenn die Regierung Adenauer in den Verhandlungen über Reparationen mit Drohungen und Gegenforderungen aufgetreten wäre?

Griechenland fordert von Deutschland etwa 280 Milliarden Euro an Reparationen für das, was Deutschland im Weltkrieg dort angerichtet hat. Der SPD-Vorsitzende hat diese Forderung eine „Dummheit“ genannt. Wieso? Sind die Ansprüche der Griechen denn nicht völlig berechtigt?

Einige Jahre nach dem Krieg und aus Anlass der Wiedervereinigung wurden zwei internationale Verträge geschlossen, auch zur Reparationsfrage. Griechenland bekam nach dem ersten Vertrag Geld. Die gezahlte Summe kann man mit Fug und Recht für zu niedrig halten – das gilt nicht nur für Griechenland, sondern für jedes Land, das von den Nazis mit Krieg überzogen wurde.

Wie kam es dazu? Die Siegermächte hatten aus den Erfahrungen mit dem Versailler Vertrag gelernt, der ein überharter Vertrag war. Jener Vertrag trug viel zum Aufstieg der Nazis bei. Die Siegermächte wollten, dass nach dem zweiten Krieg nicht zum zweiten Mal ein gedemütigtes, rachsüchtiges und revanchistisches Deutschland entsteht, sie wollten das deutsche Problem ein für allemal lösen. Kluge Sieger sind großzügig. Nichts wäre so teuer geworden wie der ewige Unruheherd, den ein verarmtes Deutschland in der Mitte Europas dargestellt hätte.

Die Lage von Griechenland ist nicht mit der Lage Deutschlands nach 1945 vergleichbar

Der Plan ging auf. Heute ist Deutschland ein Staat mit einer gering ausgeprägten Aggressivität und stark ausgeprägter Wirtschaftskraft. Deutschland zahlt fleißig in sämtliche EU-Töpfe ein, es ist nicht der bösartige Hegemon, als den manche es darstellen. Wir profitieren von der EU. Aber auch die Nachbarn profitieren von der deutschen Wirtschaftskraft. Was würde es für Griechenland bedeuten, wenn das Deutschland von heute nicht in der Lage wäre, Bürgschaften zu übernehmen, über Schuldenschnitte zu verhandeln, Hilfsgelder zu überweisen?

Verträge sind Verträge. Aber Großzügigkeit ist oft klug. Das gilt natürlich auch für das Verhältnis zu Griechenland. Aber es ist psychologisch schwierig, Großzügigkeit für einen Partner aufzubringen, der trickst, droht und diffamiert, der Verträge nicht respektiert und seine potenziellen Retter ständig vor den Kopf stößt. Die Lage von Griechenland ist nicht mit der Lage Deutschlands nach 1945 vergleichbar. Trotzdem frage ich mich, was passiert wäre, wenn die Regierung Adenauer in den Verhandlungen über Reparationen mit Drohungen und Gegenforderungen aufgetreten wäre – man hätte ja die Annullierung des ungerechten Versailler Vertrages verlangen können, plus Rückzahlungen. Und selbst, wenn Deutschland tatsächlich 280 Milliarden überweisen würde: Auch diese Summe wäre schnell weg, wenn die Griechen ihr Land nicht reformieren. Sigmar Gabriel hat recht. Die griechische Regierung verhält sich dumm. Eine dumme Regierung gehört zu den größten Plagen, die ein Volk treffen können.

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