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Annegret Kramp-Karrenbauer und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer.

© Sebastian Kahnert/dpa

Nochmal Glück gehabt, oder abgestürzt?: Die große Koalition atmet auf – ein bisschen

CDU und SPD versichern sich, dass die Regierung nicht beschädigt ist. Dabei gibt es nur einen Grund für Erleichterung: Es hätte schlimmer kommen können.

Von Robert Birnbaum

Paul Ziemiak gibt „Erleichterung“ zu Protokoll. Das ist ein bisschen erstaunlich, denn der CDU-Generalsekretär da vorn auf dem Podium im Konrad-Adenauer-Haus macht nicht den gelöstesten Eindruck. Zu seiner Mimik passt viel eher die Formel von den „gemischten Gefühlen“, mit denen Ziemiak die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg zuerst kommentiert hat. Die Wendung hat drüben im Willy-Brandt-Haus der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel auch gerade benutzt.

Die Gefühlsmischung fällt hier wie dort ziemlich bitter aus. Ja, die CDU hat Sachsen verteidigt und die SPD Brandenburg, aber beide Regierungsparteien haben dabei kräftig Federn gelassen. Umgekehrt hat die SPD in Sachsen und die CDU in Brandenburg je ein historisch schlechtes Ergebnis kassiert, und die AfD ist überall auf Volksparteiniveau herangerückt.

Für Erleichterung gibt es nur einen einzigen Grund: Es hätte leicht viel schlimmer kommen können.

Hinter der Erleichterung lugt denn auch schlechtes Gewissen hervor. Die große Koalition in Gestalt ihrer Regierung hat zwar noch fast bis zum Wahltag versucht, Schützenhilfe für die bedrängten Wahlkämpfer zu leisten – vom Strukturhilfe-Paket für Kohleregionen bis zu vergleichsweisen Kleinigkeiten wie ein paar Millionen für Lärmschutz entlang der Elbtal-Bahnstrecke.

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Die große Koalition in Gestalt der sie tragenden Parteien war aber weniger nützlich. Schäfer-Gümbel nimmt für die SPD eine „geschlossene Mannschaftsleistung“ in Anspruch. Doch das meinte nur, dass die Bundespartei vollends mit der Organisation des aufwändigsten Parteichefsuchverfahrens aller Zeiten beschäftigt war und zum Zanken gar keine Zeit blieb. Später räumt er ein, dass aus dem Bund „kein Rückenwind“ gekommen sei.

Die CDU wiederum leistete sich einen Streit auf offener Bühne über das einfache Parteimitglied Hans-Georg Maaßen. Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht die Einzige, die den früheren Verfassungsschutzchef für einen nervigen Ichling hält, dessen Auftritte im Wahlkampf mit dem Wort „unsolidarisch“ freundlich beschrieben sind. Aber in dem Zusammenhang das Stichwort „Parteiausschluss“ im Raum stehen zu lassen, war zu viel.

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In Berlin verkneifen sie sich Kommentare

Maaßens Freunde von der ultrakonservativen „WerteUnion“ danken ihrem Promi-Mitglied am Sonntag demonstrativ für seinen Einsatz. Maaßen misst das CDU-Ergebnis in Sachsen an Kurt Biedenkopfs absoluten Mehrheiten vor 20 Jahren und befindet, es handele sich folglich um eine „schwere Niederlage“. In Berlin verkneifen sie sich Kommentare und loben stattdessen lieber den eigenen Spitzenkandidaten. Das Sachsen-Ergebnis sei „ein ganz persönlicher Erfolg“ von Ministerpräsident Michael Kretschmer, verkündet Ziemiak.

Das stimmt allerdings auch. Der 44-Jährige, der das Amt vor knapp zwei Jahren unverhofft vom abgedankten Vorgänger Stanislaw Tillich geerbt hatte, hat seither praktisch ununterbrochen das Land bereist und mit den Leuten gesprochen. Die Mühe hat sich ausgezahlt. Am Abend steht Kretschmer in Dresden mit tiefen Augenringen vor den Mikrofonen. „Das freundliche Sachsen hat gewonnen“, sagt er. Man sieht ihm an, dass es noch etwas dauern wird, bis er sich selbst darüber freuen kann.

Nebenbei hat das freundliche Sachsen seiner Parteivorsitzenden den Kopf gerettet. Die AfD zieht mit mehr als 27 Prozent in den Landtag ein, aber sie hat die CDU nicht überholt. Welchen Anteil daran zum Beispiel die klare Abgrenzungsstrategie hatte, die Kramp-Karrenbauer, aber auch Kretschmer verfolgten, ist schwer zu sagen. Leicht zu sagen ist allerdings, was die Parteivorsitzende zu hören bekommen hätte, wäre der Abend in Dresden weniger glimpflich verlaufen.

Die kommissarische SPD-Führung aus Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel and Malu Dreyer bedankte sich bei Dietmar Woidke.
Die kommissarische SPD-Führung aus Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel and Malu Dreyer bedankte sich bei Dietmar Woidke.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Bei der SPD wissen sie ebenfalls, wem sie an diesem Abend etwas zu verdanken haben. „Es lohnt sich, bis zuletzt zu kämpfen“, lobt Schäfer-Gümbel Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke. In den letzten drei Wochen ist die Brandenburger SPD in den Umfragen um zehn Prozentpunkte geklettert. Noch in den letzten Umfragen reichte das nur bis zum ungefähren Gleichstand mit der AfD. Dass Woidke mit 2,7 Prozentpunkten Vorsprung durchs Ziel ging, ist an diesem Abend der relativen Siege fast schon ein Triumph.

Höcke erklärt die AfD zur „neuen Volkspartei des Ostens“.

Aber für Triumphgefühle ist auch in Brandenburg die AfD zu stark geworden. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, ruft Spitzenkandidat Andreas Kalbitz, nachdem er die Ikone des ultrarechten „Flügel“, Björn Höcke, umarmt hat. Höcke erklärt die AfD später zur „neuen Volkspartei des Ostens“.

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Dem ist schwer zu widersprechen, auch wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier trotzig vermerkt, auch für die Rechtstruppe wüchsen „die Bäume nicht in den Himmel“. Mag sein. Aber die alten Volksparteien SPD und CDU verlieren ja nicht nur im Osten an Boden. Und auch der Stern der alten Ost-Volkspartei sinkt – die Linke rangiert mit Werten um 15 Prozent in beiden Bundesländern unter den „ferner liefen“-Parteien. Dass die AfD nicht noch stärker wurde, ist vermutlich nur einer deutlich höheren Wahlbeteiligung zu verdanken als bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren. Zum Ende hin, glauben Demoskopen beobachtet zu haben, hat für viele Wähler dann doch der Wunsch nach Stabilität überwogen.

Alles, was Sie zu den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg wissen müssen:

Das dürfte dazu beitragen, dass die Rechtspartei ihre Erfolge bis auf Weiteres nicht in Regierungsbeteiligungen umsetzen kann. Kretschmer bügelt die Frage, ob in seiner CDU nicht doch mancher mit einer Zusammenarbeit mit der AfD liebäugelt, mit der knappen Versicherung ab: „Es gibt nicht einen einzigen, der das so sieht.“ Daran ist immerhin so viel richtig, als sich diejenigen, die es lieber sähen, jetzt erst mal nicht aus der Deckung trauen. Auch dafür kann sich seine Bundesvorsitzende bei ihm bedanken.

Dieser Wahl-Herbst wird die Regierung nicht sprengen

Die Kanzlerin schuldet übrigens ebenfalls Dank. Angela Merkel ist in den Wahlkämpfen so gut wie unsichtbar geblieben. Seit Sonntagabend kann sie davon ausgehen, dass dieser Wahl-Herbst ihre Regierungskoalition jedenfalls nicht sprengen wird. Das sehen sie bei der Union so, bei der SPD aber auch. Noch bevor im Willy-Brandt-Haus die drei kommissarischen Parteichefs ihr Statement zur Wahl abgeben, schlendert Parteivize Ralf Stegner ins Foyer und diktiert den Journalisten seine Lesart des Abends in die Blöcke.

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Seine gemeinsame Formel für die zwei Wahlergebnisse lautet: „Nichts ist leichter geworden. Es ist nicht noch schwieriger geworden.“ Für die große Koalition bedeuteten beide insofern „gar nichts“. Dafür aber für die SPD: Auf deren Aufgabenzettel gehörten jetzt klares inhaltliches Profil, klare Sprache, klare Abgrenzung von rechten Demokratiefeinden und „Bewegung in der Partei“, kurz: „dass die Leute wissen, wofür die SPD steht“.

Brav auf der offiziellen Parteilinie

Die Analyse ist nicht ganz uneigennützig. Stegner bewirbt sich gemeinsam mit der Berliner Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan um den SPD-Vorsitz. Am Mittwoch geht es los mit der ersten von 23 Regionalkonferenzen, auf denen sich die Basis ein Bild vom Bewerberfeld machen soll. Am Sonntag war Einsendeschluss für Kandidaten. Acht Teams erfüllten bis dahin die formalen Kriterien, um zum Rennen zugelassen zu werden. Einige Kandidaten haben offen angekündigt, dass sie die Sozialdemokraten aus der großen Koalition führen wollen; Karl Lauterbach zum Beispiel. Stegner, von dem viele kritische Töne in Richtung Union stammen, legt Wert darauf, dass er nicht zu denen gehört:

Er wolle entlang von Sachfragen entscheiden, ob das Bündnis bislang Erfolg gebracht habe und künftig noch Erfolg verspreche. Damit liegt er ganz brav auf der offiziellen Parteilinie: Nicht das Kandidatenrennen, erst der SPD-Parteitag im Dezember soll über das Schicksal der Koalition entscheiden.

Finanzminister Olaf Scholz mit Klara Geywitz, gemeinsam bewerben sich beide um den SPD-Vorsitz.
Finanzminister Olaf Scholz mit Klara Geywitz, gemeinsam bewerben sich beide um den SPD-Vorsitz.

© Kay Nietfeld/dpa

Auch das hätte aber vielleicht anders geklungen ohne Woidkes knappen Sieg. Doch dass der Brandenburger weiter regieren kann, vielleicht sogar für ein rot-rot-grünes Bündnis eine knappe Mehrheit bekommt, liefert den GroKo- Gegnern unter den SPD-Bewerbern keine zusätzlichen Argumente.

Ist Olaf Scholz darum so auffallend gut gelaunt? Der Vizekanzler gilt als der einzige klare Befürworter der GroKo im SPD-Bewerberfeld. Er ist am Abend in Potsdam an Woidkes Seite gemeinsam mit seiner Co-Bewerberin, der Brandenburgerin Klara Geywitz. Geywitz wird ihr Direktmandat an diesem Abend ganz knapp an eine Grüne verlieren, aber das wissen die beiden jetzt noch nicht. „Ich freu’ mich unheimlich für die sozialdemokratische Partei“, sagt Scholz. „Wir können Wahlen gewinnen, das ist doch die Botschaft, die von heute ausgeht, und darum muss es auch in den nächsten Jahren immer wieder gehen!“

Stegner muss geahnt haben, dass der Konkurrent so was in der Art sagen wird. „Ich glaube, dass die Mitglieder vor allem die Frage interessiert, ob man sich mit aller Kraft seiner Partei widmet“, räsoniert er ungefähr zur gleichen Zeit in Berlin. Das soll suggerieren: Der Vizekanzler hat doch viel zu viel um die Ohren, um die SPD richtig zu sanieren! Nach dem Wahlkampf ist eben immer schon vor dem Wahlkampf.

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