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Syrien hat aus Protest eine Sitzung des UN-Menschenrechtsrats verlassen.

© Reuters

Update

Bericht zum Massaker in Hula: Syrien verlässt Sitzung des UN-Menschenrechtsrats

Aus Protest gegen Kritik hat Syrien eine Sitzung des UN-Menschenrechtsrats verlassen. Präsident Assad spricht vom Kriegszustand in seinem Land - ein Krieg gegen das eigene Volk, den er offenbar unter allen Umständen gewinnen will.

Aus Protest gegen Kritik hat Syrien eine Sitzung des UN-Menschenrechtsrats verlassen. Zuvor hatten UN-Ermittler vor dem Gremium am Mittwoch einen Bericht über das Massaker in Hula vorgelegt, bei dem im Mai 108 Zivilisten getötet worden waren. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass vermutlich regierungstreue Truppen für die Toten verantwortlich waren.

Er werde nicht an einer Sitzung teilnehmen, die „unverhohlen politisiert“ werde, sagte Syriens UN-Botschafter Faisal Chabbas Hamui und verließ den Saal. In ihrem Bericht sprechen die UN-Ermittler von einer dramatischen Eskalation der Gewalt in Syrien und kritisieren andauernde Menschenrechtsverbrechen. Die Kämpfe in Syrien nähmen „Züge eines nicht internationalen bewaffneten Konflikts“ an.

Zu einem eindeutigen Urteil ist der Rat allerdings nicht gekommen. Regierungstreue Milizionäre seien möglicherweise für viele der Todesopfer verantwortlich, hieß es in dem in Genf vorgestellten Bericht. Die Milizionäre der Schabiha hätten am 24. und 25. Mai besseren Zugang zum Ort des Massakers in Hula in der Provinz Homs gehabt.

Assad: "Syrien befindet sich im Krieg"

Der Leiter des Expertenteams, Paulo Sergio Pinheiro, sagte dem Rat, für ein endgültiges Urteil, wer für das Massaker verantwortlich sei, seien weitere Untersuchungen nötig. Die Bewohner von Hula sind mehrheitlich Anhänger der Opposition. Die meisten der mehr als 100 Todesopfer waren Frauen und Kinder, die in ihren Häusern ermordet wurden.

Die Eindringlinge hatten Sprengsätze im Hauptgebäude des TV-Senders platziert und zur Explosion gebracht.
Die Eindringlinge hatten Sprengsätze im Hauptgebäude des TV-Senders platziert und zur Explosion gebracht.

© AFP

Mehr als ein Jahr nach Beginn der Proteste gegen sein Regime sieht der syrische Präsident Baschar al-Assad sein Land im Kriegszustand. „Unsere gesamte Politik, Anordnungen und alle Bereiche werden darauf ausgerichtet sein, diesen Krieg zu gewinnen“, sagte er nach Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Sana am Dienstag bei einer Rede vor dem neuen Kabinett in Damaskus. Nach Angaben von Aktivisten kamen am selben Tag landesweit mindestens 87 Zivilisten bei Kämpfen und Angriffen von Regierungstruppen ums Leben. Außerdem seien insgesamt 49 Kämpfer der Aufständischen und Regierungssoldaten getötet worden.

Bei einem Überfall auf einen regimenahen privaten Fernsehsender in Syrien sind am Mittwoch nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana drei TV-Mitarbeiter getötet worden. Nach Angaben von Angestellten des Senders Al-Ikhbarija hatten bewaffnete „Terroristen“ zwei Gebäude des Senders rund 20 Kilometer südlich der Hauptstadt Damaskus gestürmt und dort Studios verwüstet.

Anschließend hätten die Eindringlinge Sprengsätze im Hauptgebäude platziert und zur Explosion gebracht. Wie die drei Beschäftigten genau umgekommen sind, war zunächst nicht klar. Der Sender ist im Privatbesitz, steht aber dem Regime von Baschar al-Assad sehr nahe.

Assad: Syrien befindet sich im Krieg

Syriens Präsident Assad sieht sein Land im Krieg. Und er möchte ihn um jeden Preis gewinnen.
Syriens Präsident Assad sieht sein Land im Krieg. Und er möchte ihn um jeden Preis gewinnen.

© AFP

In einer Rede über den Abschuss einer Militärmaschine durch die Syrer sprach der türkische Ministerpräsident Erdogan eine scharfe Warnung aus - und drohte Syrien mit Militärschlägen. Jede Grenzverletzung und sogar Truppenbewegungen auf der syrischen Seite der 900 Kilometer langen Grenze werden ab sofort als feindseliger Akt gewertet und militärisch beantwortet, sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag. Damit riskiert Syrien eine Konfrontation mit der zweitstärksten Streitmacht der Nato. Die syrische Opposition freute sich über Erdogans Rede und die Drohung mit Präventivschlägen: Die Gegner von Präsident Baschar al Assad fordern schon lange ein militärisches Engagement der Türkei. Das Maß ist voll – so lautete Erdogans Hauptbotschaft an den syrischen Präsidenten Baschar al Assad.

Fotostrecke: Syrien schießt türkischen Jet ab

Die Türkei wolle keinen Krieg, werde aber auch nicht tatenlos zusehen, wie Assads Regime unbewaffnete türkische Flugzeuge im internationalen Luftraum vom Himmel hole. Assads Syrien sei zu einer „offenen Gefahr“ für die Sicherheit der Türkei geworden. Der Zorn Ankaras werde „furchtbar“ sein, sagte Erdogan in der Rede vor seiner Parlamentsfraktion, die im ganzen Nahen Osten live übertragen wurde. Die Darstellung Syriens, der türkische Jet sei tief in den syrischen Luftraum eingedrungen, wischte er vom Tisch. Weitere „feindselige Aktionen“ der Syrer werde die Türkei nicht mehr hinnehmen. Assad habe mit seinem brutalen Vorgehen gegen die Opposition alle Versuche der Türkei durchkreuzt, mäßigend auf das Regime einzuwirken, stellte Erdogan fest. Die Regierung in Damaskus habe jede Legitimation verloren.

Über eine Bedrohung hatte Ankara schon im April geklagt, als syrische Soldaten über die Grenze in ein Flüchtlingslager auf türkischem Boden geschossen hatten. Auch bezichtigt die türkische Regierung das syrische Regime, die Kurdenrebellen von der PKK zu unterstützen. Die Kurdenkämpfer dürfen demnach Lager in Syrien errichten; einige PKK-Mitglieder sollen demnach bereits von Syrien aus in die Türkei eingesickert sein, um Anschläge zu verüben. Der Abschuss des türkischen Aufklärungsflugzeugs, das laut Ankara unbewaffnet war und über internationalem Gewässer getroffen wurde, bringt aus türkischer Sicht das Fass zum Überlaufen. Seit Freitag hatte die Regierung Beweise für die Schuld Syriens gesammelt und versucht, die internationale Gemeinschaft auf ihre Seite zu bringen.

"Militärische Zusammenstöße sind möglich."

Der türkische Ministerpräsident Erdogan droht Syrien.
Der türkische Ministerpräsident Erdogan droht Syrien.

© afp

Am Dienstag erhielt die Türkei auch die Unterstützung der Nato – zumindest auf dem Papier. Nach einer von der Türkei beantragten Sitzung in Brüssel erklärte das Bündnis, der syrische Angriff sei „inakzeptabel“. Allerdings gab die Nato ihrem Mitglied Ankara keinen Blankoscheck: Er erwarte nicht, dass sich ein solcher Zwischenfall wiederholen werde, sagte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Falls dies doch geschehe, müsse neu beraten werden.

Sollte Erdogans Rede vom Dienstag nicht nur Theaterdonner gewesen sein, könnte dieser Fall leicht eintreten. Syrische Regimegegner begrüßten Erdogans Ansprache deshalb als Befreiungsschlag. Bisher habe sich die Türkei nach dem Motto verhalten: „Bei meinem Nachbarn brennt es, aber ich mische mich nicht ein“, sagte Mahmut Osman, ein führender Vertreter des Oppositionsdachverbandes SNC, dem Tagesspiegel. Am Dienstag habe Erdogan endlich festgestellt, dass die Flammen auf die Türkei übergreifen würden. Das entschlossene Auftreten der Türkei werde den Handlungsspielraum von Damaskus einschränken, sagte Osman. Erdogan habe zwar nicht genau erklärt, was er mit der „Grenznähe“ meine, innerhalb derer syrische Truppen ab jetzt als Bedrohung betrachtet würden. „Sind das fünfhundert Meter oder fünf Kilometer?“

Video: Spannungen zwischen Türkei und Syrien

Die syrische Regierung könne nun aber nicht mehr so ungestört gegen die Rebellentruppe der „Freien Syrischen Armee“ vorgehen wie bisher. „Wenn die Türkei umsetzt, was Erdogan sagt, dann entsteht automatisch eine Schutzzone“ im Grenzgebiet. Ankara denkt seit Monaten über eine solche Pufferzone auf syrischem Gebiet nach, doch bisher galten die Planspiele einem Notfall, der etwa durch eine plötzliche Massenflucht von zehntausenden Menschen aus Syrien entstehen könnte. Nun könnte ein solches Schutzgebiet entstehen, ohne dass die Türkei ihre Soldaten über die Grenze schickt.

Bisher habe die Türkei syrische Hubschrauber unbehelligt gelassen, wenn sie bei der Verfolgung von Rebellen kurzzeitig in den türkischen Luftraum eingedrungen seien, sagte der Nahost-Experte Veysel Ayhan vom Internationalen Zentrum für Nahost-Friedensforschung in Ankara. Das werde sich jetzt ändern: „Schon bisher war die Türkei in der politischen Auseinandersetzung in Syrien Partei – jetzt könnte sie auch militärisch Partei werden.“ Ayhan schätzt, dass Erdogan einen bis zu drei Kilometer breiten Streifen auf der syrischen Seite der Grenze meint. „Militärische Zusammenstöße sind möglich.“ (mit dpa/AFP/dapd)

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