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Sigmar Gabriel, geschäftsführender Bundesaußenminister, bei seiner Rede auf der 54. Münchner Sicherheitskonferenz.

© Foto: Sven Hoppe/dpa

Beziehungen zu Russland: Gabriel ist als Außenminister kaum noch tragbar

Mit seinen Äußerungen zu Russland schadet der SPD-Politiker der deutschen Außenpolitik, doch die Kanzlerin lässt ihn gewähren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Die deutsche Außenpolitik gibt derzeit ein eher klägliches Bild ab. Die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel konnte darüber nur kurz hinwegtäuschen. Wenig später machte der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich, dass die noch amtierende Regierung in einer zentralen außenpolitischen Frage uneins ist: der Russlandpolitik. Gabriel sprach sich für einen schrittweisen Abbau der wegen Moskaus Krieg in der Ukraine verhängten Sanktionen aus. Er wisse aber, dass die „offizielle Position“ eine andere sei.

Der Außenminister kann nicht öffentlich seine Privatmeinung kundtun

Wenn aber Gabriel nicht die Position der Bundesregierung vertritt – wessen Position vertritt er dann? Kann ein Minister, geschäftsführend oder nicht, nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister vor laufender Kamera seine Privatmeinung äußern? Und was für ein Signal sendet es an Deutschlands Partner, wenn ein SPD-Politiker den Dissens mit der Union auf die weltpolitische Bühne trägt? Dieses Vorgehen weckt Zweifel an der außenpolitischen Verlässlichkeit Deutschlands.

Zwar haben Unionspolitiker widersprochen, doch von der Kanzlerin war bisher nichts zu Gabriels Alleingang zu hören. Dabei ist ein Minister, der sich derart von der Regierung abgrenzt, im Amt kaum noch tragbar. Gabriel macht das ja nicht zum ersten Mal: Bereits nach einem Treffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin 2015 forderte er den schrittweisen Abbau der Sanktionen und fügte hinzu, das sei seine „persönliche Meinung“. Schon damals ließ ihn die Kanzlerin gewähren. Merkels Schweigen ist auch deshalb problematisch, weil es die europäischen Partner im Unklaren lässt, ob Deutschland nun schrittweise von der gemeinsamen Russlandpolitik abrückt.

Deutschland hat sich als Vermittler in der Ukraine disqualifiziert

Die Frage, unter welchen Bedingungen die Sanktionen enden sollten, ist kein technisches Detail, sondern berührt den Kern des Verhältnisses zu Russland. Bisher hat die EU betont, Moskau müsse zuvor all seine Verpflichtungen aus den Minsker Friedensabkommen für die Ukraine umsetzen. Denn erst wenn Russland seine Panzer aus dem Donbass abzieht, seine Kämpfer zurückholt und Kiew wieder die Kontrolle über die Außengrenze erhält, wird der Krieg in der Ukraine enden. Ein Außenminister, der wider besseres Wissen einen schrittweisen Abbau der Sanktionen befürwortet, ist offenbar stärker an guten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland interessiert als an einem Frieden in der Ukraine.

Mit ihren Bemühungen um ein Ende dieses Krieges kommt die bisherige Bundesregierung seit Jahren nicht voran. Jetzt gibt es erstmals wieder ein wenig Hoffnung: Eine UN-Friedenstruppe für den Donbass könnte einen Ausweg bieten. Doch der geschäftsführende Außenminister war für dieses Thema zu beschäftigt. Gabriel ließ das erste Ministertreffen zur Ukraine seit einem Jahr platzen, um sich in Berlin für seinen Einsatz im Fall Yücel loben zu lassen. Damit ist Deutschland als Vermittler vorerst gescheitert. Größer könnte der Gegensatz zwischen dem außenpolitischen Anspruch des Ministers und seinen Taten kaum sein.

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