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Auf Annäherungskurs. Für Mittwoch hat Frankreichs Präsident François Hollande Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Elysée-Palast eingeladen.

© dapd

Deutschland und Frankreich: Hollande tritt bei Fiskalunion auf die Bremse

In Deutschland wird über eine europäische Fiskalunion diskutiert – aber Paris ist bei einem möglichen Machttransfer Richtung Brüssel vorsichtig.

Bis vor kurzem war Frankreichs Präsident François Hollande noch im Wahlkampf und musste seine Wähler beruhigen, dass er sein Wahlprogramm durchzieht. Er ging deshalb auch auf Konfrontationskurs zu den Sparplänen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Doch seit die Parlamentswahlen vor gut einer Woche zugunsten der Sozialisten entschieden wurden, kann Hollande wieder mehr auf Diplomatie nach außen setzen. Das erste wichtige Zeichen ist die Einladung von Angela Merkel für Mittwochabend in den Elysée-Palast nach Paris.

Beide wollen dort den EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag vorbereiten. Es scheint der erste Schritt hin zu einer Annäherung und Versöhnung in der deutsch-französischen Beziehung zu sein, die seit einiger Zeit unter Spannung stand. Auch Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy traf Merkel immer zur Vorbereitung der europäischen Termine. Dass diese Tradition sich fortsetzt, dürfte in beiderseitigem Interesse sein.

Denn beide brauchen einen Erfolg und beide wissen, dass sie ihn nicht gegen den anderen bekommen. Hollande will mit der Vollzugsmeldung vom Gipfel zurückkehren, dass der Wachstumspakt, den er schon lange fordert, auf dem besten Wege sei – danach muss er daheim die Herausforderung angehen, den Haushalt zu konsolidieren. Merkel will aus Brüssel mitnehmen, dass das Sparen nicht auf der Strecke bleibt. Aus ihrer Sicht ist das Abendessen in Paris vor allem deshalb interessant, weil dies die erste Vier-Augen-Begegnung ist, bei der der Franzose nicht mehr im Wahlkampfmodus ist. Allmählich kann sich zeigen, was ihm ernst ist und was nicht ganz so.

Hollandes Amtseinführung in Bildern:

Der Unterschied ist schon öffentlich wahrnehmbar. Dass Hollande es beim Gipfel Ende der Woche nicht auf einen Streit ankommen lassen möchte, zeigt sich etwa daran, das er die deutsch-französische Kontroverse um Euro-Bonds, also europäische Gemeinschaftsanleihen, inzwischen niedriger hängt. Hollande erklärt die Einführung der von Merkel abgelehnten Euro-Bonds jetzt eher zum mittelfristigen Projekt. Stattdessen würde er gerne mit der Ausgabe von Euro-Bills beginnen – kurzlaufenden Schuldtiteln im begrenzten Rahmen.

Erste Annäherungen täuschen nicht über die Differenzen hinweg.

Doch erste Annäherungen täuschen nicht darüber weg, dass es zwischen Deutschland und Frankreich immer noch große grundsätzliche Unterschiede in den großen Linien der Europapolitik gibt: Wollen die Deutschen eine Vertiefung der politischen Union in Europa und dafür auch Macht und nationale Souveränität nach Brüssel abgeben, ist Hollande vorsichtig. Er sprach viel über europäische Solidarität, um an Hilfe für die Staaten zu appellieren, die von der Schuldenkrise besonders betroffen sind. Aber wenn es um konkrete Maßnahmen einer stärkeren europäischen Integration geht, wartet er lieber ab. Er reagiert zögerlich auf eine mögliche Einschränkung der französischen Staatssouveränität, vor allem bei Fragen der Haushalts- oder Steuerpolitik. Auf die von Deutschland geforderte Fiskalunion geht Hollande nicht ein. Seit das Referendum zum EU-Verfassungsvertrag 2005 in Frankreich scheiterte, wird die Frage der europäischen Integration zurückhaltend behandelt.

Umso mehr hat in Deutschland die Diskussion um weitere budgetpolitische Kompetenzverlagerungen Richtung Brüssel und eine mögliche Volksabstimmung angesichts der Überlegungen von Wolfgang Schäuble (CDU) an Fahrt gewonnen. Der Finanzminister hatte für eine europäische Fiskalunion plädiert, „in der die Nationalstaaten Kompetenzen in der Haushaltspolitik abtreten“. Schäuble hält es nicht für ausgeschlossen, dass es in den nächsten fünf Jahren in Deutschland zu einer Volksabstimmung über eine Neugestaltung der EU-Politik kommt.

Der Vorsitzende des EU-Ausschusses des Bundestages, Gunther Krichbaum, begrüßt Schäubles Vorstoß. „Wenn wir die wesentlichen Herausforderungen – etwa die Globalisierung – meistern wollen, dann wird das nur mit einem Mehr an Europa gehen“, sagt Krichbaum. „Die Weltgemeinschaft erwartet ein engeres Zusammenstehen Europas.“ Der CDU-Politiker spricht sich dafür aus, das Grundgesetz an die europapolitischen Erfordernisse anzupassen, warnt aber vor einer ausufernden Diskussion: „Eine Debatte über die Totalrevision des Grundgesetzes halte ich nicht für erforderlich.“

Der europapolitische Sprecher der Grünen, Manuel Sarrazin, fordert als Erstes einen europäischen Konvent, bei dem beschrieben werden müsse, worin der nächste Integrationsschritt bestehen solle – also etwa einer Stärkung des Europaparlaments. In einer anschließenden Volksabstimmung in Deutschland könne es dann nicht darum gehen, „das bewährte Grundgesetz“ abzuschaffen, sondern „fit zu machen für Europa“.

Andere sind in Sachen Volksabstimmung noch viel zurückhaltender. Die FDP warnt vor Schnellschüssen, bei der CDU spricht Parteivize Volker Bouffier für viele, wenn er fordert: „Wer mehr Europa will, muss die Bedingungen nennen.“ Über eine Volksabstimmung, sagt der hessische Regierungschef, rede man „noch lange nicht“. Angela Merkels Regierungssprecher intoniert es so: Schäubles „Grundausrichtung“ teile die Kanzlerin absolut, aber das sei ein Thema für morgen, „wahrscheinlich eher übermorgen“. In Paris werden sie das sorgsam registrieren – und gerne hören.

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