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Auf der Suche nach einer neuen Führung: die CDU

© dpa/Michael Kappeler

CDU-Debakel in Hamburg: Die Partei ohne Führung

Ungeklärte Machtfrage, erbitterter Richtungsstreit: Die CDU ist in einen Strudel geraten – das rächt sich jetzt.

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Wenn sich die wichtigsten Vertreter der CDU am Montagmorgen in Berlin zu ihren Gremiensitzungen treffen, wird das schlechte Abschneiden der Partei bei der Hamburg-Wahl nur eines von mehreren unerfreulichen Themen sein.

Die Journalisten vor dem Eingang des Konrad-Adenauer-Hauses werden die Ankommenden wohl noch zu viel größeren Problemen befragen.

Nicht nur, dass das Hamburger Ergebnis für die CDU das schlechteste seit fast 70 Jahren ist – und damit ein weiterer Dämpfer für die schlingernde Partei. Beigetragen zum Absacken der CDU in der Hansestadt hat der parteiinterne Streit um den Umgang mit AfD und Linkspartei. Der hat sich nach der Einigung mit dem abgewählten Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow am Wochenende weiter verschärft.

Thüringen war „alles andere als Rückenwind“

Zerknirscht räumte Generalsekretär Paul Ziemiak am Sonntagabend ein, was in Thüringen passierte, sei „alles andere als Rückenwind“ für die Wahlkämpfer in Hamburg gewesen. In der CDU beklagen hochrangige Funktionäre zudem das „Bild der Führungslosigkeit“, das die Partei abgibt. Mit großer Spannung wird erwartet, was Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer an diesem Montag über das Verfahren für die Wahl ihres Nachfolgers zu sagen hat.

Vergangene Woche hatte sich Ex-Umweltminister Norbert Röttgen als Kandidat für den Vorsitz gemeldet und eine Mitgliederbefragung sowie eine Entscheidung bis Mai verlangt.

Kramp-Karrenbauers Idee, mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Gesundheitsminister Jens Spahn und ihrem alten Konkurrenten Friedrich Merz eine „Teamlösung“ auszuhandeln und so alle Anwärter zu integrieren, schien Makulatur. Röttgen machte deutlich, dass er sich an Prozessen nicht beteiligen will, die ohne Öffentlichkeit in Hinterzimmern organisiert werden.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak äußert sich zum Ausgang der Wahl in Hamburg.

© Michael Kappeler/dpa

Aus dem Konrad-Adenauer-Haus heißt es jetzt, dass Kramp-Karrenbauer am Montag eine Art Fahrplan präsentieren will. Es könnte auf einen Sonderparteitag im Mai oder Juni hinauslaufen. CSU-Chef Markus Söder hatte allerdings angemahnt, die Wahl des Parteivorsitzenden von der Bestimmung des Kanzlerkandidaten zu trennen. Denn dabei will die CSU auch noch ein Wörtchen mitreden.

Bis ins Wochenende hinein war Kramp-Karrenbauer mit allen Beteiligten im Gespräch, die CDU-Chefin telefonierte viel. Am Sonntagabend aß sie im Konrad-Adenauer-Haus mit Mitgliedern des CDU-Präsidiums zu Abend.

Im Wahlkampf konnten sie noch lachen: Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Spitzenkandidat Marcus Weinberg.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Partei ohne Führung

Doch die Lage bleibt verfahren: Kramp-Karrenbauer lehnt die von Röttgen verlangte Mitgliederbefragung ab. Auch eine Kampfkandidatur will sie vermeiden. Eine Kabinettsumbildung könnte mehr Spielraum für eine Teamlösung bieten, doch Kanzlerin Merkel müsste dem zustimmen. Und noch haben nicht einmal alle Interessenten offiziell ihre Kandidatur erklärt.

Zugespitzt gesagt stellt sich die Lage der CDU am Montag so dar: Eine Partei ohne Führung gräbt sich immer tiefer hinein in einen Richtungsstreit, bei dem es am Ende keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben könnte. Will die Partei auf Dauer jede „Form der Zusammenarbeit“ mit der Linken ablehnen – und sie auf eine Stufe mit der AfD stellen?

Schrille Tonlage von Ziemiak, Spahn und Merz

Die Abgrenzung gegenüber der Linkspartei war für die Erben Helmut Kohls jahrzehntelang identitätsstiftend – zumindest im Westen der Republik. Die schrille Tonlage, mit der Generalsekretär Ziemiak, Spahn und Merz nun ihre Thüringer Parteifreunde vor einer Kooperation mit Ramelow warnen, zeigt, dass sie die DNA der Partei angegriffen sehen. Doch mit der wenig pragmatischen Haltung nehmen sie der Landes-CDU jede Manövrierfähigkeit.

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Nachdem die CDU die Chance verpasst hatte, wie von Ramelow vorgeschlagen die frühere christdemokratische Regierungschefin Christine Lieberknecht zur Übergangsministerpräsidentin zu wählen, schien am Wochenende endlich eine Lösung im Konflikt in Thüringen in Sicht.

Vertreter der Landes-CDU hatten sich mit Linken, SPD und Grünen darauf geeinigt, dass der bisherige Ministerpräsident Ramelow Anfang März wiedergewählt werden soll. Bis zu einer vorgezogenen Neuwahl im April 2021 würde er dann an der Spitze einer rot-rot-grünen Regierung stehen. Die CDU-Fraktion will bis dahin projektorientiert mit Rot-Rot-Grün zusammenarbeiten.

CDU debattiert weiter über die Linkspartei

Doch prompt grätschte die Bundesspitze der CDU dazwischen. Generalsekretär Ziemiak sieht einen Verstoß gegen den Beschluss der Bundes-CDU von 2018, wonach es weder mit der AfD noch mit der Linkspartei eine Zusammenarbeit geben darf. Er forderte schnelle Neuwahlen in Thüringen. Ex-Unionsfraktionschef Merz twitterte, die Entscheidung der Thüringer CDU, Ramelow auf Zeit mitzuwählen, „beschädigt die Glaubwürdigkeit der CDU in ganz Deutschland“.

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Da es einfache Lösungen im Streit um die sogenannte Hufeisen-Theorie – Botschaft: die Extreme sind nah beieinander – nicht gibt, könnte sich die CDU nun in ähnlicher Weise in einer selbstbeschädigenden Debatte verfangen, wie das die SPD beim Thema „Hartz IV“ getan hat.

Eineinhalb Jahrzehnte wurde der Topos von den Sozialdemokraten und ihren Kritikern immer wieder aufgerufen, bis im vergangenen Jahr ein neues Sozialstaatskonzept mit dem Versprechen einer Überwindung von „Hartz IV“ für eine gewisse Befriedung sorgte.

Dass eine strukturell ähnliche CDU-Debatte zum Thema Äquidistanz zu AfD und Linkspartei über Jahre den Markenkern unbeschädigt lassen könnte, dürfen wohl nicht einmal Optimisten im Konrad-Adenauer-Haus hoffen.
Dabei hätten die Christdemokraten allen Anlass, sich das Hamburger Ergebnis genauer anzusehen – und daraus Schlüsse zu ziehen.

Tschentscher wollte SPD-Spitze nicht dabei haben

Im Stadtstaat trauten die Wählerinnen und Wähler Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) all die Kompetenzen zu, die gewöhnlich die Christdemokraten für sich beanspruchen. Dessen liberal-sozialdemokratische Partei versteht sich als Partner und Förderer einer starken Wirtschaft und garantiert Sicherheit durch Personalaufbau bei der Polizei und harten Einsatz gegen Regelbrecher.

Tschentscher erweiterte dieses Portfolio auch in Richtung Grün, indem er eine anspruchsvoll-vorbildliche Klimapolitik seines Stadtstaats versprach.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher will mit Grünen und CDU sondieren.

© imago images/Andre Lenthe

Mit seiner Politik hebt sich Tschentscher deutlich ab von der Bundes-SPD, die mit der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als Parteivorsitzende im Mitgliederentscheid noch weiter nach links gerückt ist. Deshalb kann die SPD die Verteidigung der Position der stärksten Partei durch die Genossen in Hamburg auch nicht glaubwürdig als eigenen Erfolg verbuchen.

Tschentscher und seine Landespartei hatten eine Art „Cordon sanitaire“ zum neuen Führungsduo gezogen und beide folgerichtig auch nicht in ihrem Wahlkampf auftreten lassen.

Auch im Willy-Brandt-Haus könnten sie viel aus Hamburg lernen

In vielem schien die Politik der SPD in Hamburg meilenweit entfernt von den Botschaften aus dem Willy-Brandt-Haus. Während Esken etwa die Verwirklichung des demokratischen Sozialismus verspricht, redete Tschentscher lieber darüber, dass er als Bürgermeister mehr Stellen bei der Stadtreinigung geschaffen hat. Handlungsorientierung und Realitätstauglichkeit bei der Umsetzung von Visionen sind für den Hamburger politische Leitbegriffe, während im Willy-Brandt-Haus oft politische Visionen ohne Handlungsorientierung das Ziel zu sein scheinen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundespartei den Hamburger Erfolg als Anlass nehmen könnte, den eigenen Kurs zu überdenken, ist dennoch eher gering. Denn Esken und Norbert Walter-Borjans führten den Sieg auch auf den „klaren Kurs“ ihrer linken Bundes-SPD zurück.

Die Menschen vertrauen den Amtsinhabern

Letztendlich zeigte sich in Hamburg ein ähnlicher Effekt wie schon bei den Wahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen: Die Menschen vertrauten den Amtsinhabern, sie setzten auf Stabilität. Ein Effekt, von dem auch die CDU auf Bundesebene jahrelang profitierte – und der ihr nun abhanden kommt.

Nicht nur, dass die derzeitige Amtsinhaberin bei der nächsten Wahl nicht wieder antreten wird. Die CDU ist derzeit auch kein Hort von Stabilität, sondern in einen ähnlichen Strudel aus ungeklärten Machtfragen und chaotischen Kursdebatten geraten wie bisher die SPD. Das dürfte selbst auf eingefleischte CDU-Wähler abschreckend wirken.

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