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Angela Merkel, Bundeskanzlerin von Deutschland, trifft am Hauptsitz der Europäischen Union ein. Der EU-Sondergipfel zum mehrjährigen Finanzrahmen und zum Milliarden-Programm gegen die Corona-Wirtschaftskrise geht in die Verlängerung.

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Update

EU-Gipfel zu Corona-Fonds: Diplomaten sehen "erhebliche Annäherung"

Der EU-Sondergipfel zum Corona-Hilfsfonds geht am Montagnachmittag weiter. Italien, potenzielles Hauptempfängerland, plant schon die Verwendung der Gelder.

Am Montagmorgen, es ist nun der vierte Tag des EU-Gipfels, haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs nach stundenlangen nächtlichen Verhandlungen zumindest darauf geeinigt, eine Pause zu machen und um 14 Uhr wieder zusammenzukommen. Möglicherweise ist man auch inhaltlich weitergekommen. Jedenfalls sagten EU-Diplomaten der Agentur Reuters, es habe erhebliche Annäherungen zwischen den kontroversen Positionen gegeben.

EU-Ratspräsident Charles Michel kündigte demnach am Montagmorgen einen neuen Verhandlungsvorschlag an. Dieser werde darauf basieren, den Anteil der Zuschüsse im Corona-Rettungsprogramm auf 390 Milliarden Euro zu senken. Ursprünglich sollten es einmal 500 Milliarden sein. Der Kompromiss sei aber noch nicht völlig unter Dach und Fach, hieß es.

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Zuvor war am Sonntag beim Marathon-Gipfels am dritten Tag in Folge nach einer Lösung gesucht worden. Mit siebenstündiger Verspätung waren die schwierigen Verhandlungen beim EU-Sondergipfel zum Corona-Plan am Abend in großer Runde fortgesetzt worden

Zuvor hatte Frankreichs Präsident Emanuel Macron gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den niederländischen Regierungschef Mark Rutte und die übrigen Vertreter aus der Gruppe der „sparsamen“ Staaten zu bearbeiten versucht, die inzwischen zu den „sparsamen Fünf“ geworden war: die Niederlande, Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland.

Als vor allem Rutte als Wortführer der „sparsamen Fünf“ unbeirrt an seinen Forderungen festhielt, verließen Merkel und Macron abrupt das Meeting.

Zugeständnisse von EU-Ratschef Michel

Trotz der Zugeständnisse, die EU-Ratschef Charles Michel am Samstag gemacht hatte, waren die „sparsamen Fünf“ mit der EU-Finanzplanung immer noch nicht zufrieden. Michel hatte vorgeschlagen, den Anteil der Zuschüsse im geplanten 750-Milliarden-Paket des Corona Hilfsfonds von 500 auf 450 Milliarden Euro zurückzufahren. Gleichzeitig wurde das Volumen rückzahlbarer Kredite, die Staaten wie Italien in Anspruch nehmen können, auf 300 Milliarden erhöht.

Doch das reichte den „sparsamen Fünf“ immer noch nicht. Sie verlangten, dass der Anteil der Zuschüsse unter 400 Milliarden Euro liegen müsse. Doch das wollten Merkel und Macron nicht mitmachen.

Am Sonntagabend machten die „sparsamen“ Staaten Diplomaten zufolge dann ein „letztes Angebot“. Sie schlugen sie vor, das Gesamtvolumen um 50 Milliarden auf 700 Milliarden Euro zu kürzen. Die Hälfte davon - also 350 Milliarden Euro - soll als Zuschüsse vergeben werden. Einen weiteren Kompromissvorschlag Michels, die Zuschüsse auf 400 Milliarden Euro zu reduzieren, lehnten sie ab.

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Nach dem Treffen mit der Kanzlerin und dem französischen Präsidenten hatte Rutte vor Reportern ungerührt erklärt, dass er einen neuen Vorschlag zu dem Volumen des EU-Haushalts für die Jahre von 2021 bis 2027 erwarte, über den in Brüssel ebenfalls verhandelt wird. Rutte will einen geringeren Umfang für den Sieben-Jahres-Etat, den Michel auf 1074 Milliarden Euro angesetzt hatte.

Doch damit nicht genug: Rutte verlangte einen weiteren Nachlass bei den Einzahlungen in die EU-Kasse und ein hartes Auftreten der Gemeinschaft im Streit um die Rechtsstaatlichkeit. Der Grund für den strikten Kurs des Niederländers: Rutte befindet sich bereits im Wahlkampfmodus und möchte bei der Parlamentswahl im kommenden März wiedergewählt werden.

Rutte will striktes Vorgehen gegenüber Ungarn und Polen

Das Beharren des niederländischen Regierungschefs auf einer strikten Regelung, die gegebenenfalls zur Kürzung von EU-Subventionen für Polen und Ungarn führen könnte, verkomplizierte die Sache noch weiter. Denn die Diskussion über eine Verknüpfung von EU-Subventionen und der Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien war beim Abendessen der 27 am Samstag ohne Ergebnis geblieben.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban hatte zuvor sogar gedroht, dass er den Gipfel platzen lassen könnte, falls die Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien künftig zum Kriterium für die Vergabe von EU-Geldern gemacht werden sollte.

Dass Orban dabei auf Warschau als Verbündeten zählen kann, machte am Sonntag der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki deutlich. Die von EU-Ratschef Michel geplante Regelung, der zufolge im Kreis der EU-Staaten mit qualifizierter Mehrheit ein Beschluss über eine Kürzung von Zuwendungen aus Brüssel herbeigeführt werden kann, sei ein Mittel, mit dem „stärkere Länder“ andere EU-Mitglieder „erpressen“ könnten, sagte Morawiecki.

Polen kann einen großen Anteil an den Hilfsmilliarden erwarten

Polen kann unterdessen mit der geplanten Vergabe der Corona-Milliarden aus dem geplanten Hilfsfonds zufrieden sein. Nach der ursprünglichen Berechnungsgrundlage, der die Vergabe der Gelder aus dem Wiederaufbaufonds im Wesentlichen von den nationalen Arbeitslosenquoten zwischen 2015 und 2019 abhängig machte, wäre Polen nach Italien und Spanien der drittgrößte Empfänger der Hilfsmilliarden gewesen.

Italien will Infrastruktur investieren

Während der Corona-bedingte Wirtschaftseinbruch in Polen vergleichsweise gering ist, sind Italien und Spanien tatsächlich hart betroffen. Nach einer Prognose der EU-Kommission wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Spanien, das mit mehr als 100 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds rechnen kann, in diesem Jahr voraussichtlich um 10,9 Prozent einbrechen.

In Italien wird sogar ein Minus von 11,2 Prozent erwartet. Im kommenden Jahr, wenn die ersten Milliarden aus Brüssel nach Rom und Madrid fließen sollen, wird zwar auch in Italien und Spanien wieder ein Aufschwung erwartet – aber keinesfalls eine Rückkehr zur Wirtschaftskraft aus Vor-Krisenzeiten.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron beim EU-Gipfel.

© dpa

Italien kann Zuschüsse und Kredite in Höhe von 173 Milliarden Euro erwarten - allerdings auf der Basis des Gesamtvolumens von 750 Milliarden Euro, wie es EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgeschlagen hatte. Wie das Geld ausgegeben werden soll, hatte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte im Juni am Ende einer Konferenz in Rom skizziert, bei der führende Vertreter aus Politik und Wirtschaft anwesend waren. Nach den Worten von Conte solle künftig unter anderem unter Beachtung von Umweltschutzauflagen massiv in die Infrastruktur investiert werden.

Als weitere Priorität nannte Conte die Einleitung der Energiewende. Der Regierungschef kündigte an, bis September einen detaillierten Plan auszuarbeiten und anschließend der EU-Kommission vorzulegen.

Deutschland hat ein Interesse am wirtschaftlichen Erfolg Italiens

Nach dem Willen der Mehrheit der EU-Staaten soll über die Bewilligung der nationalen Aufbaupläne allerdings nicht durch die Kommission entschieden werden, sondern durch den Rat der EU-Finanzminister. Davon versprechen sich nicht nur die Niederlande, sondern auch etliche weitere Länder größere Kontrollmöglichkeiten bei der Vergabe der Corona-Milliarden.

Deutschland muss im laufenden Jahr nach der Prognose der EU-Kommission mit einem geringeren wirtschaftlichen Minus rechen – der Rückgang beim BIP dürfte 6,3 Prozent betragen. Dennoch hat Deutschland ein Eigeninteresse, dass Länder wie Italien nach der Krise schnell wieder auf die Beine kommen.

Die deutsche Automobilindustrie bangt beispielsweise um den EU-Partner im Süden, da mehr als sechs Prozent der Vorprodukte aus Italien kommen. Nur aus Tschechien, Frankreich und den USA kommen mehr Vorleistungsimporte.

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