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Das Cover des Buchs, das in den USA gerade für so viel Aufregung sorgt.

© AFP/Henry Holt Company/Handout

Enthüllungsbuch über den US-Präsidenten: Wie groß ist jetzt die Gefahr für Donald Trump?

Das Verhältnis zu Stephen Bannon ist zerrüttet, die Anekdoten aus dem Weißen Haus sind so skurril wie zahlreich. Was das Buch "Fire and Fury" für den US-Präsidenten bedeutet - eine Analyse.

Seit dem Wahlsieg von Donald Trump im November 2016 ist so viel über das Chaos in der Regierung des egozentrischen und politisch unerfahrenen US-Präsidenten geschrieben worden, dass niemand in Washington mehr durchschlagend neue Erkenntnisse erwartete.

Doch ein neues Buch gleicht einer Sensation. „Fire and Fury“, ein Werk des Autors Michael Wolff, enthüllt viele pikante Details über den Alltag in Trumps dysfunktionalem Weißen Haus. Schon vor dem Verkaufsstart nächste Woche sprengte das politische Dynamit des Buches auch die enge Partnerschaft zwischen Trump und seinem Ex-Chefstrategen Stephen Bannon.

Wie wird Trump in dem Buch beschrieben?

Wolff berichtet, Trump sei von seinem Erfolg bei der Präsidentenwahl 2016 überrascht worden. Der schwerreiche Kandidat hatte demnach so wenig Vertrauen in den eigenen Wahlkampf, dass er kein eigenes Geld für die Kampagne ausgeben wollte. Trumps Frau Melania habe sogar geweint, als sich am Wahlabend der überraschende Sieg ihres Mannes abzeichnete – und zwar nicht aus Freude.

Dem 322-Seiten-Buch zufolge brachte Trump seine Neurosen mit ins Weiße Haus. So befürchte der Präsident, man wolle ihn vergiften. Das ist angeblich einer der Gründe, warum der 71-Jährige gerne in McDonald’s-Schnellrestaurants isst. Schließlich wisse dort niemand so genau, welcher Kunde welchen Hamburger erhalten werde.

Im Weißen Haus angekommen, hatte der neue Präsident einige Wünsche an das Reinigungspersonal. „Wenn mein Hemd auf dem Boden liegt, dann liegt es da, weil ich es will“, soll Trump der Putztruppe eingeschärft haben. Aufheben streng verboten. Auch die Präsidenten-Zahnbürste dürfe niemand anrühren. Manchmal verzieht sich Trump abends um halb sieben mit einem Cheeseburger ins Bett.

Wie sehen Trumps Mitarbeiter ihren Chef?

Nicht wenige Trump-Berater halten den Präsidenten für einen Trottel, wenn man Wolff glauben kann. Ein Memo von Regierungsmitarbeitern wird mit den Worten zitiert, Trump lese so gut wie nichts und sei „ein von Clowns umgebener Idiot“. Der Präsident sei „dumm wie ein Stück Scheiße“. Nicht nur der Präsident selbst hat im Weißen Haus den Ruf, nicht zu den Hellsten zu gehören. Trumps Tochter Ivanka hegt dem Buch zufolge die Hoffnung, eines Tages die erste amerikanische Präsidentin zu werden.

Doch Präsidentenberater Stephen Bannon nannte Ivanka „dumm wie ein Brett“. Autor Michael Wolff verstärkt mit neuen Anekdoten den weit verbreiteten Eindruck, dass Trump keine große Lust auf die Regierungsarbeit hat. Einer seiner engen Berater wollte ihm demnach in einer Art Einführungskurs die amerikanische Verfassung erläutern. Trump verlor allerdings schon bald das Interesse am Grundgesetz seines Landes.

Wie glaubwürdig ist Michael Wolff?

Unmittelbar nach Bekanntwerden der für Trump wenig schmeichelhaften Geschichten wurde Wolffs Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen. Trumps Sprecherin Sarah Huckabee Sanders warf ihm vor, Szenen frei erfunden zu haben. Der 64jährige Wolff war schon in der Vergangenheit kritisiert worden, weil er es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau genommen hatte.

Allerdings hat Wolff sehr aufwendig recherchiert. Rund anderthalb Jahre lang besuchte Wolff immer wieder das Weiße Haus, um Material zu sammeln; laut der „New York Times“ wurde er in dieser Zeit häufig im Büro von Trumps damaligem Chefstrategen Bannon gesehen.

Auf der Basis von mehr als 200 Interviews mit Bannon, anderen Mitarbeitern und Trump selbst entwarf Wolff sein Bild einer desorganisierten und von Intrigen gelähmten Regierungsmannschaft, bei der nur wenig nach Plan läuft – wenn es denn koordinierte Pläne gibt.

Welche politischen Vorwürfe werden in dem Buch erhoben?

Bannon sagte Wolff, er erwarte Ermittlungen gegen Trumps Familie wegen Geldwäsche. Das sei beim Vorgehen von Russland-Sonderermittler Robert Mueller klar erkennbar. Dieser hat demnach insbesondere Präsidentensohn Donald Jr. und Schwiegersohn Jared Kushner im Visier.

Der Sonderermittler geht seit mehr als einem halben Jahr dem Verdacht nach, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland bei Manipulationsversuchen während des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2016 gegeben hat. Mit Bannons Äußerungen erreichen die Vorwürfe nun eine neue Dimension.

Im Gespräch mit Wolff sagte der Ex-Berater, das Treffen von Trumps Sohn Donald Jr. mit einer russischen Anwältin, die belastendes Material über Trumps Rivalin Hillary Clinton versprochen hatte, sei Landesverrat und ein „unpatriotischer“ Akt gewesen. Nun werde Donald Jr. von Mueller ins Gebet genommen, sagte Bannon. „Sie werden Don Junior zerbrechen wie ein Ei.“ Und das in aller Öffentlichkeit.

Mueller habe bei der Zusammenstellung seines Ermittlerteams zuallererst einen Spezialisten für Geldwäsche ins Boot geholt, betonte Bannon. „Hier geht es ausschließlich um Geldwäsche.“ Trumps Schwiegersohn Kushner sei bei diesem Thema belastet. „Die Kushner-Scheiße ist schmierig“, sagte Bannon.

Welche Rolle spielt die Deutsche Bank bei den Vorwürfen?

Der Weg von Muellers Ermittlerteam zu Kushner und Trump Jr. führe über die Deutsche Bank, unterstrich Bannon; Mueller hat laut Medienberichten bei dem deutschen Geldinstitut, das Kushner mehrere hundert Millionen Dollar für dessen Immobilienunternehmen geliehen haben soll, Unterlagen angefordert.

Für Bannon steht fest, dass Mueller die Geldwäsche-Vorwürfe gegen Kushner und Trump Jr. benutzen will, um an Informationen über die Rolle des Präsidenten in der Russland-Affäre zu kommen. Einige Oppositionspolitiker hatten bereits vor Monaten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gefordert; derzeit ist aber keine Mehrheit im Kongress für ein solches Verfahren in Sicht.

Wie reagiert Trump?

In einer zornigen Erklärung sagte sich der Präsident von seinem Berater Bannon los. Dieser habe bei seiner Entlassung aus dem Präsidialamt „nicht nur seinen Job, sondern auch seinen Verstand verloren“, erklärte Trump. Gleichzeitig spielte er Bannons Bedeutung im Wahlkampf und in der Regierung herunter und warf ihm vor, Falschinformationen an die Presse weitergeleitet zu haben, um sich selbst wichtiger zu machen, als er gewesen ist. „Steve Bannon hat nichts mit mir oder meiner Präsidentschaft zu tun.“

Donald Trump (links) und sein früherer Chefstratege Stephen Bannon haben sich wohl endgültig überworfen.
Donald Trump (links) und sein früherer Chefstratege Stephen Bannon haben sich wohl endgültig überworfen.

© Carlos Barria/Reuters

Trumps Anwälte forderten Wolff und dessen Verleger am Donnerstag auf, das Erscheinen des Buches zu stoppen. Trumps Anwalt Charles J. Harder begründet dies unter anderem mit Vorwürfen der üblen Nachrede und Schmähungen. Bannon wurde zudem aufgefordert, die gerügten Äußerungen nicht zu wiederholen. Wolff und seinem Verleger seien entsprechende Verfügungen zugestellt worden. Der Verlag zeigte sich unbeeindruckt: Er verlegte den Erscheinungstermin auf Freitag vor. Bannon selbst reagierte zunächst nicht auf das Schreiben des Anwalts. Er hat die von Wolff beschriebenen Vorwürfe auch nicht dementiert. Am Mittwoch sagte Bannon allerdings im Radio: Der Präsident ist ein großer Mann. Ich unterstütze ihnen tagein, tagaus.

Wie kam es zum Bruch zwischen Trump und Bannon?

Bannons Äußerungen schlugen in Washington wie eine Bombe ein, weil der frühere Wahlkampfmanager von Trump trotz seiner Entlassung im vergangenen August nach wie vor enge Kontakte zum Präsidenten pflegte. Der 64-jährige Bannon ist der Architekt des rechtspopulistischen Programms, das Trump im November 2016 ins Weiße Haus brachte. Seit seinem Ausscheiden unterstützt Bannon rechtspopulistische Parlamentskandidaten, um Trump zu helfen.

Schon vor der Aufregung um „Fire und Fury“ hatten sich jedoch Differenzen zwischen Trump und Bannon abgezeichnet. Der US-Präsident machte den Ex-Strategen für die Niederlage seiner Republikaner bei einer Nachwahl für den Senat in Alabama im Dezember verantwortlich.

Dort hatte Bannon den rechtsgerichteten Kandidaten Roy Moore unterstützt, der wegen seiner extremen Positionen und wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe auf Teenager für viele Republikaner jedoch unwählbar war. Der Senatssitz fiel an die oppositionellen Demokraten, was die bereits knappe Mehrheit für Trumps Partei im Kongress von Washington noch weiter reduzierte. Wolffs Buch brachte das Fass offenbar zum Überlaufen.

Was bedeutet das Ende der Allianz zwischen Trump und Bannon politisch?

„Fire and Fury“ beendet ein Bündnis, ohne das Trump nach Meinung vieler Beobachter niemals ins Weiße Haus gekommen wäre. Bannon, Ex-Investment-Banker und Chef der rechtspopulistischen Internetseite „Breitbart News“, rief Trump früh zu einer Kandidatur auf. Wenige Monate vor der Wahl machte Trump seinen Berater dann zum Wahlkampfchef. Insbesondere in den ersten Monaten von Trumps Präsidentschaft war Bannons Einfluss auf die Politik der USA enorm.

Bannon vertritt die These, dass sich viele Durchschnittsamerikaner vom etablierten Politikbetrieb in Washington abgestoßen fühlen und eine Zerstörung bisheriger Strukturen befürworten. In Trump sieht er den richtigen Mann, um diese Forderung in die Tat umzusetzen.

Das zumindest vorläufige Ende der Zusammenarbeit bedeutet eine Schwächung für die rechtspopulistische Bewegung und eine Stärkung des gemäßigten republikanischen Establishments, dessen Mitglieder hocherfreut auf den Bruch zwischen Trump und Bannon reagierten.

Ob Präsident und Ex-Berater auf ewig verfeindet sein werden, ist jedoch nicht sicher. Trump ist bekannt dafür, sich auch mit ehemaligen Gegnern wieder zu vertragen, wenn es ihm opportun erscheint. Der sonst sehr streitlustige Bannon hält sich jedenfalls trotz der heftigen Attacken aus dem Weißen Haus auffallend zurück.

Laut Medienberichten spielt Bannon mit dem Gedanken an eine Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2020, falls Trump nicht erneut antreten will.

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