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Rauch steigt auf über dem Dorf Balyun in der Provinz Idlib. Seit Wochen ist die syrische Armee auf dem Vormarsch, was der Türkei nicht gefällt.

© Omar HAJ KADOUR / AFP

Entscheidungskampf um Idlib: Vor Treffen von Erdogan und Putin eskalieren die Kämpfe in Syrien

Die türkische Armee schießt erneut ein syrisches Kampfflugzeug ab. Auch der Iran wird immer stärker in den Konflikt in der Provinz hineingezogen.

Vor einem russisch-türkischen Gipfeltreffen an diesem Donnerstag eskaliert der Krieg zwischen dem Nato-Mitglied Türkei und dem mit Russland verbündeten Syrien. Die türkische Armee schoss am Dienstag in der umkämpften Provinz Idlib ein syrisches Kampfflugzeug ab – das dritte innerhalb weniger Tage.

Die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al Assad hatten zuvor mit Unterstützung durch russische Luftangriffe die strategisch wichtige Kleinstadt Sarakib in Idlib zurückerobert. In anderen Gegenden Nordsyriens wurde ebenfalls gekämpft.

Auch der Iran, nach Russland der zweite wichtige Verbündete Syriens, wird immer mehr in den Konflikt hineingezogen.

Bei den Gefechten versuchen die Kontrahenten, sich vor dem Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan an diesem Donnerstag in Moskau eine möglichst günstige Ausgangslage zu sichern.

Erdogan hatte vor einem Monat die türkische Armee über die Grenze nach Idlib geschickt, um den Vormarsch von Assads Regierungstruppen in dem letzten von Rebellen gehaltenen Gebiet in Syrien zu stoppen und eine Fluchtwelle von rund einer Million Menschen in die Türkei zu verhindern. Idlib wird größtenteils von der dschihadistischen Miliz HTS beherrscht.

Russland und Syrien werfen der Türkei vor, entgegen ihrer Zusagen nichts gegen die Extremisten zu unternehmen.

Sarakib ist seit Wochen umkämpft. Die Stadt liegt an einer wichtigen Verkehrsader und ist nur zehn Kilometer von der Provinzhauptstadt Idlib entfernt, die von den Rebellen kontrolliert wird. Erst in der vergangenen Woche hatten Rebellenverbände mit türkischer Unterstützung die syrischen Truppen aus Sarakib vertrieben. Nach der Rückeroberung durch die Syrer zu Wochenbeginn wurden in der Stadt laut Medienberichten russische Militärpolizisten stationiert. Das erschwert einen erneuten Angriff der Rebellen, weil die Türkei eine direkte Konfrontation mit Moskau vermeiden will.

25 Tote Zivilisten in Idlib-Stadt

Russische Kampfflugzeuge griffen zur Unterstützung der syrischen Bodentruppen in die Kämpfe ein. Die syrischen Soldaten werden außerdem von iranischen und pro-iranischen Milizionären unterstützt.

Einige dieser Kämpfer waren am Wochenende von türkischen Verbänden getötet worden. Die iranischen Kämpfer drohten der Türkei deshalb mit gezielten Gegenangriffen, wie iranische Medien berichteten. Die türkischen Soldaten seien in der Reichweite ihrer Waffen.

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Dienstag, bei Bombardements in Idlib-Stadt seien 25 Zivilisten getötet worden. Auch außerhalb von Idlib eskaliert die Lage. Die Beobachtungsstelle meldete schwere Gefechte zwischen Ankara- treuen Rebellen und syrischen Regierungskämpfern in den Außenbezirken der Stadt Al Bab, die 2017 von türkischen Truppen eingenommen worden war.

Unklar, wie ein Kompromiss aussehen könnte

Erdogan sagte, er hoffe bei seinem Treffen mit Putin auf eine Waffenstillstandsvereinbarung. Der türkische Präsident dürfte in Moskau auf eine Lösung dringen, bei der zumindest ein Teil von Idlib der Kontrolle von Assad entzogen bleibt. Auf diese Weise könnte die Türkei verbündete Rebellen in der Gegend schützen und versuchen, Flüchtlinge auf syrischem Boden unterzubringen.

Assad hat jedoch wiederholt erklärt, er wolle ganz Idlib unter seine Kontrolle bringen und damit seinen militärischen Sieg über die Rebellen nach neun Jahren Krieg vollenden.

Derzeit ist unklar, wie ein Kompromiss aussehen könnte. Das russische Präsidialamt bekräftigte, Russland stehe weiterhin auf Assads Seite. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte aber auch, er hoffe, dass Russland und die Türkei das Risiko einer direkten Auseinandersetzung „auf ein absolutes Minimum“ reduzieren könnten.

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