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Der türkische Premier Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan (links) hat Jan Böhmermann angezeigt.

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Update

Erdogan-Affäre: Ministerium stoppt Justiz-Bericht zu Böhmermann

Ein Schreiben sollte die Regierung über den Stand der Strafverfolgung informieren. Der Zweck der Weitergabe sei entfallen, heißt es. Die Staatsanwaltschaft plant eine Anhörung Böhmermanns.

Das Justizministerium Rheinland-Pfalz hat den Bericht der Mainzer Staatsanwaltschaft an die Bundesregierung zu den Ermittlungen gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Erdogan gestoppt. Der Bericht sei „nicht weitergeleitet“ worden, da sein Zweck entfallen sei, teilte eine Sprecherin mit. Zweck des Berichts war, die Regierung umfassend über das Strafverfahren gegen den ZDF-Satiriker zu informieren und ihr damit eine Grundlage für die Entscheidung über eine so genannte Ermächtigung zur Strafverfolgung zu verschaffen. Die Regierung hat ihre Entscheidung vor rund einer Woche jedoch getroffen, ohne den Bericht abzuwarten.

Nach den "Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren" (RiStBV) haben die Staatsanwaltschaften bei Handlungen gegen ausländische Staaten, wozu die Beleidigung eines Staatsoberhaupts zählt, der Bundesregierung über alle Umstände zu berichten, die für die Ermächtigung von Bedeutung sein können. Dazu gehört laut den Richtlinien auch ein abschließender Bericht, der "den Sachverhalt erschöpfend darstellen und rechtlich würdigen" soll. Die Bundesregierung ist an die darin enthaltenen Feststellungen jedoch nicht gebunden und auch nicht verpflichtet, den Bericht abzuwarten.

Die Mainzer Staatsanwaltschaft hatte ihren Bericht am 15. April auf dem vorgeschriebenen Dienstweg zunächst an die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz versandt – jenem Tag, an dem das Bundeskabinett die Strafverfolgung gegen Böhmermann genehmigte. Von der Generalstaatsanwaltschaft ging er am 18. April an das Landesjustizministerium Rheinland-Pfalz. Erst von dort aus wäre er, stellvertretend für die Regierung, an das Bundesjustizministerium weitergegeben worden.

Nach Angaben der Mainzer Staatsanwaltschaft wird in dem Schreiben über den Eingang der Strafanzeigen von Privatpersonen, den Strafantrag des türkischen Staatspräsidenten und die Erhebung eines Mitschnitts der Sendung beim ZDF berichtet; darüber hinaus werde der Wortlaut des „Schmähgedichts“ zitiert und der wesentlichen Inhalt des Fernsehbeitrags geschildert, in den das Gedicht eingebettet war, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller. Auch eine Doppelakte sowie ein Mitschnitt der Sendung seien beigefügt worden.

Keller wies allerdings darauf hin, das sich die Staatsanwaltschaft in dem Bericht nicht festgelegt hat, ob in dem Fall Anklage erhoben werden muss: „Der Bericht kommt nicht zu einer abschließenden rechtlichen Bewertung, sondern zeigt im Wesentlichen nur auf, welche Grundrechte in die strafrechtliche Würdigung einbezogen und abgewogen werden müssen.“

Vor einer Entscheidung im Ermittlungsverfahren wegen des Erdogan-Gedichts von Jan Böhmermann plant die Staatsanwaltschaft Mainz zunächst eine Anhörung des ZDF-Moderators. Ihm sei "rechtliches Gehör" zu verschaffen, teilte die Behörde am Dienstag mit. Danach werde voraussichtlich eine abschließende Entscheidung darüber getroffen, ob ein hinreichender Tatverdacht bestehe.

Bei der Staatsanwaltschaft ging zudem am Dienstagmorgen die Ermächtigung der Bundesregierung zu Ermittlungen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ein, wie die Behörde mitteilte. Eine in Aussicht gestellte Stellungnahme vom Anwalt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan liegt demnach noch nicht vor. Auch darauf werde nun noch gewartet.

Böhmermann hatte in einem Schmähgedicht den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan attackiert. Erdogan beantragte daraufhin die Strafverfolgung Böhmermanns, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen den Widerstand der SPD auch billigte. Zugleich erklärte sich Merkel zur Abschaffung des Paragrafen 103 bereit, allerdings erst ab 2018. Auch SPD-regierte Länder planen jedoch im Bundesrat einen Vorstoß, um dies zu beschleunigen.

Koalition streitet über rasche Abschaffung des Beleidigungsparafen 103

Die Union im Bundestag ist anders als die SPD nicht für eine rasche Abschaffung des Strafrechtsparagrafen 103 zur Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes. "Wir haben eine gewisse Sympathie, darüber nachzudenken, den Paragrafen abzuschaffen", sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) am Dienstag in Berlin. "Das müssen wir in Ruhe machen." Auch bei der Union gebe es die Tendenz zu sagen, dass das Gesetz, wegen dem derzeit gegen den ZDF-Moderator ermittelt wird, nicht mehr in die Zeit passe, fügte Grosse-Brömer hinzu. Zuvor hatte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Eva Högl. "Die SPD-Fraktion wird einen Gesetzentwurf zur sofortigen Streichung der Paragrafen 103, 104a Strafgesetzbuch vorlegen", sagte sie der "Rheinischen Post". Die Fraktion solle darüber umgehend beraten. "Die aus vordemokratischer Zeit stammende Regelung der Majestätsbeleidigung passt nicht mehr in unser Rechtssystem", argumentiert die SPD-Politikerin. Die Streichung solle sofort nach ihrer gesetzlichen Verabschiedung in Kraft treten. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas arbeitet an einer ähnlichen Regelung. (mit AFP/rtr)

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