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In den jüdischen Gemeinden - hier ein Bild aus der Neuen Synagoge in Erfurt - stellen Zuwanderer heute einen großen Teil der Mitglieder.

© Martin Schutt/dpa

Fehlende Distanzierung von Hamas-Terror: Jüdische Landesgemeinde in Thüringen verlässt Runden Tisch der Religionen

Die jüdischen Vertreter haben den interreligiösen Runden Tisch in Erfurt im Streit verlassen. Das Gremium weigere sich, über das Massaker der Hamas zu sprechen, hieß es.

Mit sofortiger Wirkung hat die Jüdische Landesgemeinde Thüringen den Runden Tisch der Religionen in Erfurt verlassen. Die Leitung des interreligiösen Gesprächskreises habe über die Pogromverbrechen der Hamas Schweigen angeordnet, statt Bestrafung oder Ausweisung der Straftäter zu fordern, begründete der Vorsitzende der Landesgemeinde, Reinhard Schramm, am Donnerstagabend die Entscheidung.

Die Leitung des Gesprächskreises hatte den Angaben zufolge vor einer Sitzung am 16. November in einem Rundschreiben an die Teilnehmenden mitgeteilt, „dass wir uns - wie beim ersten Treffen im Frühjahr beschlossen - nicht mit internationaler Politik beschäftigen werden“. Der Runde Tisch wolle sich dafür einsetzen, dass die internationalen Konflikte nicht auf das städtische Miteinander übergreifen. Unterzeichnet hätten das Schreiben der Vertreter des katholischen Bistums Erfurt, Eckehart Schmidt, sowie der muslimische Schiit Pirusan Mahboob als die beiden Sprecher des Gremiums.

Letzterer bekundete nach Darstellung Schramms der Landesgemeinde noch am Morgen des 7. Oktober seine Solidarität. Dafür sei er persönlich dankbar, sagte Schramm dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber es sei auch zu vermuten, dass die muslimischen Gemeinden öffentlich nicht so klar Position beziehen könnten, wie sie es vielleicht wollten.

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Jens Christian Wagner, nannte das Schweigen zum Nahostkonflikt „irritierend und in keiner Weise nachvollziehbar“. Der Überfall der Hamas auf Israel sei keineswegs nur internationale Politik. Die antisemitischen Proteste in etlichen deutschen Städten bedrohten auch jüdisches Leben in Deutschland. Auch dazu erwarte er deutliche Worte von anderen Religionen.

Ein gemeinsames Zeichen der Solidarität und der Trauer wäre auch vor dem Hintergrund des anstehenden 85. Jahrestages er November-Pogrome in Deutschland das Mindeste gewesen, so Wagner. Thüringer könnten nicht zum Massaker der Hamas schweigen, dem auch Angehörige des Präsidenten des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora, Naftali Fürst, zum Opfer gefallen seien. Das Schweigen werde von Jüdinnen und Juden im Freistaat zurecht als Schlag ins Gesicht wahrgenommen.

Der Runde Tisch der Religionen Erfurt wurde im vergangenen April gegründet. Er versteht sich als Ansprechpartner für die Stadt Erfurt. Zudem soll er Impulsgeber und Unterstützer für interreligiöse Projekte in Erfurt sein. (epd)

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