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Winfried Kretschmann (Grüne, rechts) bewegt sich auf die Union, hier in Gestalt Horst Seehofers, zu.

© Kay Nietfeld/dpa

Flüchtlingskrise: Länder uneins über sichere Herkunftsstaaten

Bund und Länder können sich in den großen Fragen nicht einigen – manchmal blockieren die Grünen, manchmal alle zusammen.

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Einen Kuhhandel werde es mit den Grünen nicht geben, versichert Parteichefin Simone Peter am Freitagmorgen. Das musste mal gesagt werden, weil der Kuhhandel im Bundesrat ansonsten als vollkommen legitime Geschäftsmethode gilt und weil er obendrein thematisch nicht fern läge.

Die Länderkammer hat da gerade die Einstufung der drei Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsländer von der Tagesordnung abgesetzt. Wegen des Widerstands der Grünen in den Ländern – mit Ausnahme von Baden-Württemberg – hätte es jetzt keine Mehrheit für den Gesetzentwurf der Bundesregierung gegeben. Nun soll es bis zur nächsten Bundesratssitzung in drei Wochen einen neuen Anlauf zum Kompromiss geben.

Keine Lösung gibt es aber auch bei einem anderen Streitpunkt zwischen Bund und Ländern, der ebenfalls mit der Flüchtlingsfrage zu tun hat: Wer trägt welchen Anteil an den Kosten der Integration? Bis spät in den Abend hatten die Länderchefs bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verhandelt – auch hier wurde die Lösung aber vertagt, bis spätestens 8. Juli.

Man könnte also schon auf den Gedanken kommen, die Drittstaaten-Frage mit der Kosten-Frage zu verkoppeln. Die Parteichefin baut aber vor: Die Länder mit grüner Regierungsbeteiligung würden sich die geplanten Verschärfungen nicht über einen Deal bei den Integrationskosten abkaufen lassen, sagt Peter: „Für uns ist klar, dass es nicht sein kann, dass das eine Thema gegen ein davon losgelöstes Thema verdealt wird.“

Schutz für Homosexuelle, verfolgte Journalisten und religiöse Minderheiten

Wem diese Botschaft gilt – dem Bund oder womöglich gewissen eigenen Truppen – lässt die Parteilinke offen. In zehn Bundesländern regieren die Grünen momentan mit. Davon müssten mindestens drei große Länder mitmachen, wenn die Bundesregierung ihren Plan durchsetzen will, die Staaten Nordafrikas zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.

Ein Land ist schon dabei: Baden-Württemberg. Bis zuletzt hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann offen gehalten, ob er zustimmt. In Gesprächen mit dem Kanzleramt hatte er darauf gedrängt, dass in diesen Staaten besonders bedrohte Gruppen wie Homosexuelle, verfolgte Journalisten und religiöse Minderheiten weiterhin Schutz in Deutschland sicher haben.

In den Asylverfahren dürften diese „nicht durch den Rost fallen“, forderte Kretschmann. Die Zusicherung der Bundesregierung, dass dies in den Verfahren sichergestellt sein werde, reichte Kretschmann am Ende aus, um ein Ja Baden-Württembergs in Aussicht zu stellen.

Anderen Grünen-Politikern reicht die Zusage nicht. Schleswig-Holsteins Vize- Ministerpräsident Robert Habeck verlangt Garantien gegen eine pauschale Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aus dem Maghreb. Es müsse klar sein, dass diese Menschen „nicht zurückgeschickt werden und dann ein Klageverfahren weiter aus diesen Ländern raus betreiben müssen“.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) habe signalisiert, dass dies in einer Protokollerklärung festgehalten werden könnte, sagt Habeck. Nur sei sein Vertrauen in Altmaiers Protokollerklärungen „ziemlich geschrumpft“. Der Mann aus Kiel bleibt trotzdem optimistisch, dass in den nächsten Wochen eine Lösung gefunden werden könne.

Kompromissbereit zeigen sich auch die hessischen Grünen, die in Wiesbaden mit der CDU regieren. Das grundgesetzlich festgelegte individuelle Recht auf Asyl dürfe nicht unterlaufen werden, hieß es in der Landespartei. Um jedem ein unabhängiges Verfahren zu garantieren, müssten alle Geflüchteten Zugang zu umfassendem Rechtsbeistand erhalten.

Mehr Geld für Versorgung Minderjähriger

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagt, man befinde sich dazu in „guten Gesprächen“. Ein anderes Thema treibt den Hessen aber weitaus mehr um – und bei dem ziehen alle Länder an einem Strang, egal wer sie regiert. Sie wollen den Bund dazu bringen, sich weitaus mehr als bisher an den Kosten für die Integration und die Versorgung der Flüchtlinge zu beteiligen. Dies sei eine „gemeinsame staatliche Aufgabe“, die man sich auch „fair“ aufteilen müsse, sagt Bouffier.

Konkret fordern die Länder eine Integrationspauschale und mehr Geld für die Versorgung von minderjährigen unbegleitetet Flüchtlingen. „Die Forderungen der Länder sind gut begründet“, findet Bouffier. Nur sieht das der Bundesfinanzminister einstweilen anders: Wolfgang Schäuble (CDU) will von den Ländern konkrete Nachweise für die behauptete Mehrbelastung sehen. Sonst bleibe es von seiner Seite bei dem, was er angeboten habe, sagt Schäuble am Rande des EU-Finanzministerrats in Luxemburg.

Damit bleibt diese Frage also vorerst ebenso ungelöst wie die Zukunft der Bund-Länder-Finanzbeziehungen überhaupt. Die standen am Donnerstagabend ebenfalls auf der Agenda – ohne Ergebnis, was allerdings niemanden überraschte. Nach wie vor fordern die Länder vom Bund eine Ausgleichszahlung im Finanzausgleich von 9,7 Milliarden. Dem steht Schäubles Angebot von 8,5 Milliarden gegenüber.

Immerhin, bei einigen drängenden Finanzfragen konnte die Runde der Regierungschefs im Kanzleramt Einigkeit vermelden. Der Bund übernimmt für drei Jahre die Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge – geschätzt 400 Millionen Euro im laufenden Jahr, die bis 2018 auf 1,3 Milliarden ansteigen.

Geregelt werden konnte in dem gut fünfstündigen Treffen auch die Verteilung der Zuschüsse für den Regionalbahnverkehr. Der Bund stockt hier auf 8,2 Milliarden Euro auf. Das stellt sicher, dass die neuen Länder ihre Regionalbahnen wie bisher unterstützen können. Und fortgeschrieben wird schließlich auch die „Exellenzinitiative“ für die Hochschulen – ab 2019 stehen 533 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, von denen elf Hochschulen profitieren können, die als „Exzellenzuniversität“ ausgesucht sind.

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