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Holger Apfel

© dpa

Update

Führungskrise bei den Rechtsextremisten: NPD-Parteichef Holger Apfel tritt wegen Burnout zurück

Mit den Querelen in der NPD hat das angeblich nichts zu tun: Parteichef Holger Apfel ist am Donnerstag von seinem Amt als Vorsitzender zurückgetreten. Zuvor war bekannt geworden, dass die NPD für den Bundesrat ein Hort von Kriminellen ist.

Von Frank Jansen

NPD-Chef Holger Apfel ist am Donnerstag überraschend von seinem Posten zurückgetreten. Apfel legte auch am Vormittag auch den Vorsitz der Fraktion im sächsischen Landtag nieder. Die rechtsextreme Partei sprach in einer dürren Erklärung von einem krankheitsbedingten Schritt. Parteisprecher Frank Franz sagte dann dem Tagesspiegel, Apfel leide unter einem Burnout-Syndrom und habe sich am Donnerstag krank gemeldet. NPD-intern wurde allerdings offen gelassen, ob der Burnout der einzige Grund für den Rücktritt ist. Bereits am Sonntag wolle das Parteipräsidium zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass ein kommissarischer Vorsitzender bestimmt werde. Apfel bleibe aber Abgeordneter des sächsischen Landtages.

Franz nannte als möglichen Grund für den Burnout Apfels die Belastung Apfels angesichts seiner Funktionen in Partei und Fraktion. Das Verbotsverfahren sei allerdings „mit ein Grund“. Sicherheitskreise nannten den Rücktritt völlig unerwartet, erst recht vor dem Hintergrund des anlaufenden Verbotsverfahrens gegen die Partei. Anfang Dezember hatte der Bundesrat den Antrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Udo Pastörs möglicher Nachfolger

Es sei nicht auszuschließen, dass in der NPD nun Machtkämpfe ausbrechen, sagten Sicherheitsexperten. Als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Apfels an der Spitze der Partei gilt Udo Pastörs. Er ist Vizechef der NPD, leitet die Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und will die 5500 Mitglieder zählende Partei im kommenden Jahr als Spitzenkandidat in die Wahl zum Europaparlament führen. Pastörs, der verbal deutlich radikaler als Apfel auftritt,  hatte mit ihm eine Art Zweckbündnis gebildet. Apfel wurde allerdings in den vergangenen Monaten parteiintern heftig angefeindet.

Der Vorsitzende der bayerischen NPD, Karl Richter, warf Apfel vor, mit Pastörs die Spitzenkandidatur bei der Europawahl ausgekungelt zu haben. Apfel sei „von Konkurrenzneid zerfressen“ und tippe bei Veranstaltungen „fortwährend mit pummeligen Fingerchen auf seinem Mobiltelefon“ herum, schrieb Richter kürzlich in einer E-Mail an Vorstandsmitglieder. Richter selbst gehört dem Vorstand allerdings auch als Vizevorsitzender an und war selbst heftig in die Kritik geraten. Der von ihm geführte Landesverband Bayern vermochte es bei der Landtagswahl im September nicht, im ganzen Freistaat anzutreten. Die NPD brach dann massiv ein und landete bei 0,6 Prozent. Damit entging dem bayerischen Landesverband die staatliche Erstattung von Wahlkampfkosten, die es erst ab einem Stimmenanteil von einem Prozent gibt.

NPD-Parteizentrale in Berlin-Köpenick
NPD-Parteizentrale in Berlin-Köpenick

© AFP

Der 42 Jahre alte Apfel führte die NPD seit November 2011. Damals löste er auf einem Bundesparteitag in Neuruppin (Brandenburg) den langjährigen NPD-Chef Udo Voigt ab. Voigt agiert seitdem gegen Apfel, der mit seinem Kurs der „seriösen Radikalität“ vertrat die NPD etwas gemäßigt erscheinen lassen wollte. Doch schon das passte vielen eingefleischt rechtsextremen Mitgliedern nicht. Sicherheitskreise rechnen etwa ein Drittel der Partei der Opposition gegen Apfel zu.

Größter Erfolg des aus Niedersachsen stammenden Apfel war der Einzug der NPD in den Landtag von Sachsen im Jahr 2004 mit 9,2 Prozent der Zweitstimmen. Apfel führte die Fraktion, fünf Jahre später gelang der Wiedereinzug in das Parlament, allerdings mit nur noch 5,6 Prozent. Die Abgeordneten, allen voran Apfel, fielen häufig mit derben Provokationen auf. 2010 behauptete Apfel in einer Landtagsdebatte,  Israel sei ein „jüdischer Terrorstaat“.

Sicherheitskreise nannten Apfels Abgang völlig unerwartet. Dass bereits für kommenden Sonntag eine Sondersitzung des Parteipräsidiums angekündigt werde, spreche allerdings für einen schon länger vorbereiteten, geordneten Übergang, den Apfel selbst organisiert haben könnte. Unklar sei, ob es einen  Zusammenhang zwischen dem Verbotsverfahren gegen die NPD und dem Rücktritt gebe. Sollte der als cholerisch geltende Pastörs den Vorsitz übernehmen, könnte dies das Verbotsverfahren „begünstigen“, sagten Sicherheitsexperten. Deshalb sei auch denkbar, dass der 35-jährige,  vergleichsweise smart wirkende Parteisprecher Frank Franz auf den Spitzenposten gehievt werde. Wenig Chancen werden dem früheren Parteichef Udo Voigt eingeräumt, die NPD wieder zu übernehmen.

Ein Viertel der Funktionäre wegen rechtsextremer Delikte verurteilt

Erst unmittelbar zuvor waren neue Details aus dem Verbotsantrag des Bundesrates bekannt geworden: Anhänger der NPD schmähen die multikulturelle Gesellschaft oft als „multikriminell“, der Begriff scheint demnach jedoch auf die Partei selbst zu passen. Ein Viertel der Vorstandsmitglieder der NPD und ihrer Teilorganisationen „Junge Nationaldemokraten“, „Ring nationaler Frauen“ und „Kommunalpolitische Vereinigung“ sei wegen rechtsextremer Delikte verurteilt, heißt es im Antrag des Bundesrates, den der Tagesspiegel einsehen konnte. Mehr als elf Prozent der Delinquenten sollen sogar mehrfach einschlägige Strafen kassiert haben. Der Bundesrat hatte den Antrag Anfang Dezember beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

Die Prozessbevollmächtigten der Länderkammer, die in Berlin lehrenden Rechtswissenschaftler Christoph Möllers und Christian Waldhoff, nennen szenetypische Straftaten wie Volksverhetzung, Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Bildung einer kriminellen Vereinigung und weitere Delikte. „Allgemeinkriminelle Straftaten“, zum Beispiel Fahrerflucht, wurden nicht berücksichtigt.

Mehrmals genannt in dem Kapitel zu rechtswidrigem Handeln führender NPD-Mitglieder wird Udo Pastörs, Vizevorsitzender der Partei und Chef der Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern. Das Amtsgericht Schwerin hatte Pastörs im August 2012 wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in Tateinheit mit Verleumdung zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Pastörs hatte den Holocaust geleugnet. Anlass waren Äußerungen Pastörs, in denen er von „Auschwitzprojektion“ und „Propagandalüge“ sprach.

Im Februar war nächste Strafe für Udo Pastörs fällig

Im Februar 2013 war die nächste Strafe fällig. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte Pastörs wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungs- und Geldstrafe. Der NPD-Funktionär hatte bei einer Kundgebung im Saarland die Bundesrepublik als „Judenrepublik“ bezeichnet. Er verunglimpfte zudem in Deutschland lebende Türken als „Samenkanonen“. Dieses Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Erwähnt wird in dem Verbotsantrag als Beleg für mangelnde Rechtstreue des NPD-Führungspersonals auch, dass Pastörs 2011 im Schweriner Landtag einen der Brandstifter bei den rassistischen Krawallen in Rostock im Sommer 1992 empfing. Junge Rechtsextremisten hatten damals ein Flüchtlingsheim im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen in Brand gesetzt, mehrere Vietnamesen und ein deutsches Kamerateam entkamen den Flammen nur knapp. Der von Pastörs empfangene Täter war wegen versuchten Mordes und Brandstiftung verurteilt worden. In einem Punkt  scheinen die Prozessbevollmächtigten des Bundesrates jedoch zu irren. Sie schreiben, ein führendes NPD-Mitglied sei Mitangeklagter im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München. Damit ist offenkundig Ralf Wohlleben gemeint, der ehemalige Vizechef der Thüringer NPD. Wohlleben hat aber laut Anklage der Bundesanwaltschaft im Mai 2010 die Partei verlassen.

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