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Das so genannte „Gender-Sternchen“.

© dpa/Sebastian Gollnow

Gericht zum Gendern an Schulen: Auch im Richtigen kann Falsches sein

Im Umgang mit geschlechtergerechter Sprache gibt es bisher wenig Regeln, dafür gute Kompromisse. Trotzdem bleiben Konflikte – vielleicht verschärfen sie sich.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage eines Vaters zurückgewiesen, dem es an den Schulen seiner Kinder allzu geschlechtergerecht zugeht. Zu viel Gender-Sprache, zu viel Gender-Politik. Am Beschluss der Kammer fällt auf: Die Abwesenheit von Gendersternchen und ähnlicher Zeichensetzung. Dafür die beliebten Doppelnennungen („Schülerinnen und Schüler“), gemischt mit dem generischen Maskulinum.

Folgt man Umfragen, stellt sich dies als akzeptierte Variante dar. Sonderzeichen mögen die Deutschen weniger, gleiches gilt für die Gender-Pause beim Sprechen. Das durchgängige generische Maskulinum wiederum wirkt aus der Zeit gefallen.

Man kann alles weiter laufen lassen. Aber Gendern ist nun mal weniger originäres Sprachwachstum als vielmehr ein elitäres Konzept; es artikuliert ein politisches Vorverständnis, das man anerkennen, jedoch nicht teilen muss.

Jost Müller-Neuhof

Die Klage ist gescheitert, weil der Vater die große Indoktrination, die er behauptete, nicht belegen konnte. In Berlin ist es Lehrern freigestellt, wie sie verfahren. Eine ins Visier genommene Deutschlehrerin widersprach glaubhaft den Vorwürfen, sie unterrichte wider die Orthografie; ein als „Pronomen-Stuhlkreis“ geschmähtes Geschlechter-Outing entpuppte sich als einmalige Frage nach erwünschter Anrede.

Vorbehaltlich einer möglichen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht im Ganzen war das wohl nicht genug, um die geforderte General-Unterlassung durchzusetzen. Aber ausreichend, um auf Konflikte aufmerksam zu machen. Denn wenn die Direktorin in Schultexten gendert, sieht Nicht-Gendern beim Lehrpersonal wie Gegenwehr aus.

Und wenn Lehrer kraft amtlicher Autorität gendern – wie frei fühlen sich Schüler, es zu unterlassen? Schließlich: Wie sind Sonderzeichen mit Rechtschreibregeln zu vereinbaren, die – bisher – offiziell mit ihnen unvereinbar sind? Es drängt sich auf, dass es an den Schulen Falsches gibt im Richtigen und Richtiges im Falschen in der Klage des Vaters.

Man kann alles weiter laufen lassen. Aber Gendern ist nun mal weniger originäres Sprachwachstum als vielmehr ein elitäres gesellschaftspolitisches Konzept; es artikuliert ein Vorverständnis, das man anerkennen, jedoch nicht teilen muss. Am Ende könnten nicht diskriminierte Geschlechter gestärkt werden, sondern Zerwürfnisse darüber vertieft, welchen Diskriminierungsschutz Geschlechter bedürfen.

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