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Menschen nehmen an einer Demonstration gegen Femizide in Hannover teil.

© dpa/Moritz Frankenberg

Hundert Prominente fordern Einlenken : Bundesregierung hat juristische Zweifel an EU-Richtlinie zu Gewalt an Frauen

Marco Buschmann sieht rechtliche Probleme bei der geplanten EU-Richtlinie zum Schutz von Frauen. Prominente fordern, die Blockade aufzugeben. Unterstützung kommt von den Grünen.

Im Konflikt um eine geplante EU-Richtlinie zur Stärkung von Frauen gegen Männergewalt ist die Bundesregierung nicht ganz einig. Justizminister Marco Buschmann (FDP) begründete am Montagabend seine ablehnende Haltung zu Teilen der Richtlinie mit rechtlichen Bedenken. Frauenministerin Lisa Paus (Grüne) warnte am Dienstag, die EU-Richtlinie dürfe nicht scheitern.

In einer Erklärung des Justizministeriums heißt es, dass die EU-Institutionen nicht über die notwendige Rechtsgrundlage verfügten, den Tatbestand der Vergewaltigung anders zu definieren, als dies in Deutschland und einigen anderen EU-Ländern der Fall ist. Deshalb setze sich die Bundesregierung in den laufenden Verhandlungen dafür ein, „dass die fragliche Bestimmung aus dem Entwurf der Richtlinie gestrichen wird“.

Das Justizministerium betonte, in den anderen Punkten unterstütze Deutschland die geplante Richtlinie und auch die Absicht der belgischen Ratspräsidentschaft, sie noch vor den Europa-Wahlen im Juni zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Buschmann reagierte damit auf einen Offenen Brief von einhundert prominenten Frauen, die ihn auffordern, seine Blockadehaltung aufzugeben. Die Initiatorin des offenen Briefs ist Kristina Lunz vom Centre for Feminist Foreign Policy, einer Forschungs- und Beratungsorganisation für feministische Außenpolitik.

Die beiden Erstunterzeichnerinnen sind Luisa Neubauer von Fridays for Future und die deutsche Journalistin und Filmemacherin Düzen Tekkal. Die Autorinnen warnen, dass am Streit um den Vergewaltigungstatbestand die ganze EU-Richtlinie scheitern könnte - und damit die erste umfassende Initiative in der EU für einen besseren Schutz von Frauen vor männlicher Gewalt.

„Ja ist Ja“ oder „Nein ist Nein“?

Im Kern geht es in dem Konflikt darum, dass der Entwurf der EU-Richtlinie die sogenannte „Ja ist Ja“-Definition zugrunde legt, während im deutschen Strafrecht die „Nein ist Nein“-Variante gilt. Danach handelt es sich um eine Vergewaltigung, wenn die Frau Nein sagt, während bei „Ja ist Ja“ der Vergewaltigungstatbestand erfüllt ist, wenn kein Einvernehmen vorhanden ist.

Der Richtlinienentwurf umfasst aber weit mehr als die weitergehende Definition des Tatbestandes einer Vergewaltigung, die dann EU-weit gelten würde. So soll der strafrechtliche Umgang mit Cyberkriminalität gegen Frauen vereinheitlicht werden. Genitalverstümmelung würde EU-weit ein Straftatbestand. Geplant sind auch einheitliche Standards zur Unterstützung und Betreuung der Opfer sowie Regeln, die angegriffenen Frauen den Zugang zur Justiz erleichtern würden.

In ihrem offenen Brief an Buschmann warnen die Autorinnen, Deutschland bringe mit seinen Bedenken die komplette EU-Richtlinie in Gefahr und stehe einem besseren Schutz von Millionen von Frauen im Wege. Im Schnitt habe jede zweite Frau in der EU sexuelle Belästigung erfahren und jede dritte sexualisierte oder körperliche Gewalt. Es gehe darum, in allen EU-Staaten Frauen besser vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Dies sei ein historischer Schritt, der nicht scheitern dürfe.

Frauenministerin Paus äußerte sich ähnlich. Sie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), sie setze sich für eine starke EU-Richtlinie gegen Gewalt an Frauen ein. Betroffene von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt würden in ihren Rechten und im Zugang zur Justiz erheblich gestärkt, erklärte Paus: „Dieses Ziel müssen wir erreichen. Die Richtlinie darf nicht scheitern. Das wäre ein großer gleichstellungspolitischer Rückschritt.“ Die geplanten Verbesserungen schützten Frauen konkret und wirksam.

Zu den laufenden Verhandlungen sagte Paus, aufgrund der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Ausgangspositionen und Rechtsauffassungen sei noch kein Durchbruch gelungen. Deutschland sei aber intensiv und kompromissbereit in den Verhandlungen engagiert, damit dies gelinge. (epd)

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