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Jamal Khashoggi ist nach saudischen Angaben tot.

© dpa/Hasan Jamali

Update

Im Konsulat in Istanbul: Saudi-Arabien bestätigt Tötung Khashoggis

Der Tod des saudischen Journalisten Khashoggi ist traurige Gewissheit. Die Regierung in Riad verkündet Festnahmen. Die Bundesregierung verurteilt die Tötung.

Saudi-Arabien hat auf massiven Druck hin zugegeben, dass der vermisste Journalist Jamal Khashoggi im Konsulat des Königreichs in Istanbul getötet worden ist. Ein Streit zwischen Khashoggi und Männern im Konsulat habe sich zu einer "Schlägerei" entwickelt, "die zu seinem Tod führte", erklärte der saudische Generalstaatsanwalt Scheich Saud al-Modscheb.

Das Königreich teilte mit, dass 18 Menschen im Zusammenhang mit den Ermittlungen festgenommen worden seien. Zudem wurden der Vize-Geheimdienstchef Ahmad al-Assiri und der Medienberater am königlichen Hof, Saud al-Kahtani entlassen.

König Salman habe zudem die Einrichtung eines Ausschusses unter der Leitung von Kronprinz Mohammed bin Salman angeordnet, der den Geheimdienst des Landes umbauen und dessen "Befugnisse genau" festlegen soll, berichteten Staatsmedien. Die Ermittlungen zu der „bedauerlichen und schmerzhaften“ Entwicklung liefen, hieß es weiter.

Mit der Stellungnahme versucht die saudische Regierung offenbar, den Kronprinzen aus dem Fokus der Kritik zu nehmen. Eine Verbindung zu der Bluttat könnte dem 33-Jährigen, der als starker Mann des Wüstenstaats gilt, schaden. Saudische oder den Saudis nahe stehende Medien berichteten unter Verweis auf Sicherheitskreise dann auch, der Thronfolger habe von einer Operation im Konsulat nichts gewusst. Laut türkischen Medienberichten, die sich auf Audioaufnahmen stützen, wurde Kashoggi gefoltert, getötet und sein Leichnam zerstückelt.

Sicherheitsmitarbeiter vor dem Eingang des saudischen Konsulats in Istanbul
Sicherheitsmitarbeiter vor dem Eingang des saudischen Konsulats in Istanbul

© REUTERS/Osman Orsal

Khashoggi war am 2. Oktober in das Istanbuler Konsulat gegangen, um ein Dokument für seine Hochzeit abzuholen, und galt seitdem als verschwunden. Von türkischer Seite besteht der Verdacht, dass Kronprinz bin Salman den prominenten kritischen Journalisten im Konsulat ermorden ließ. Saudi-Arabien hatte bisher stets behauptet, Khashoggi habe das Konsulat nach seinem Besuch wieder verlassen.

Kurz vor der Bestätigung von Khashoggis Tod telefonierten der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und der saudische König Salman miteinander, wie aus einem in der Nacht veröffentlichten Bericht der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu hervorgeht. Erdogan und Salman hätten über den Fall Khashoggi gesprochen und über die Wichtigkeit, bei den Ermittlungen voll zu kooperieren. Während des Gesprächs hätten der Präsident und der König Informationen über die Fortschritte der Ermittlungen ausgetauscht.

In einer ersten Reaktion sagte US-Präsident Donald Trump, er halte die Version Saudi-Arabiens vom Tod Khashoggis für glaubwürdig. "Es ist noch früh, wir haben unsere Überprüfung oder Ermittlung noch nicht beendet", fügte er hinzu. Es handele sich aber um einen "sehr wichtigen ersten Schritt".

Im Falle von US-Sanktionen gegen Riad würde er es vorziehen, "dass wir als Strafe nicht Arbeit im Wert von 110 Milliarden Dollar annullieren", sagte der US-Präsident in Arizona mit Verweis auf ein großes Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien. Es sei "zu früh, um zu sagen", wie die USA reagieren.

US-Senator: "Keine Entschuldigung für Mord"

Deutlichere Reaktionen gab es aus dem US-Kongress. Der republikanische Senator Lindsey Graham bezweifelte die Glaubwürdigkeit der saudischen Behörden. "Zu sagen, dass ich skeptisch gegenüber der neuen saudischen Geschichte über Herrn Khashoggi bin, ist eine Untertreibung", schrieb Graham im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Der demokratische Senator Bob Menendez forderte Sanktionen gegen saudische Staatsbürger, die am Tod des Journalisten beteiligt waren. "Selbst wenn Khashoggi wegen einer Auseinandersetzung starb, ist das keine Entschuldigung für Mord", twitterte der Außenexperte. "Wir müssen den internationalen Druck aufrecht erhalten", fügte er hinzu. Khashoggi lebte seit September 2017 im Exil in den USA und arbeitete als Kolumnist für die Zeitung "Washington Post".

UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte "zutiefst beunruhigt" über den gewaltsamen Tod Khashoggis, wie sein Büro mitteilte. Guterres bekräftigte die Notwendigkeit einer "unmittelbaren, gründlichen und transparenten Untersuchung" der Todesumstände.

Merkel fordert weitere Aufklärung

Die Bundesregierung verurteilte am Samstag die Tötung Khashoggis „in aller Schärfe“. „Von Saudi-Arabien erwarten wir Transparenz im Hinblick auf die Todesumstände und die Hintergründe“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD). Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. „Die vorliegenden Angaben zu den Abläufen im Konsulat in Istanbul sind nicht ausreichend.“

In Deutschland sollen die hohen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien auf den Prüfstand kommen. „Nach so einem unfassbaren Vorgang gehört das deutsche Verhältnis zu Saudi-Arabien auf den Prüfstand“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. „Dazu gehören auch Rüstungsexporte.“ Es gebe die Verabredung in der Koalition mit CDU/CSU, Exportrichtlinien restriktiver zu gestalten. Das müsse Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) angehen.

Allerdings hatte Außenminister Maas zuletzt einen kritischeren Kurs seines Vorgängers Sigmar Gabriel (SPD) gegenüber Saudi-Arabien korrigiert. Gabriel hatte der Führung der ölreichen Monarchie vor knapp einem Jahr „Abenteurertum“ im Nahen Osten vorgeworfen, woraufhin Riad seinen Botschafter aus Berlin abzog. Dieser kehrte erst vor wenigen Tagen zurück, nachdem Maas Bedauern über „Missverständnisse“ geäußert hatte.

Saudi-Arabien ist in diesem Jahr bisher nach Algerien der zweitgrößte Kunde der deutschen Rüstungsindustrie: Bis zum 30. September erteilte die Regierung Exportgenehmigungen im Wert von 416,4 Millionen Euro. Die Grünen fordern einen Stopp der Waffenexporte nach Saudi-Arabien.

Merkel sprach auch auf einem Landesparteitag der Thüringer CDU in Leinefelde-Worbis von schrecklichen Vorkommnissen, „wo immer noch nichts aufgeklärt ist und wo wir natürlich aufklären müssen“.

Treffen im Konsulat sei "nicht wie erwartet" verlaufen

Der Agentur Spa zufolge war „der Verdächtige“ - dessen Identität nicht aufgeklärt wird - nach Istanbul gereist, um Khashoggi zu treffen. Es habe Anzeichen gegeben, dass dieser möglicherweise zurück nach Saudi-Arabien habe gehen wollen. Das Treffen im Konsulat sei nicht „wie erwartet“ verlaufen, am Ende sei Khashoggi tot gewesen. Die Täter hätten danach versucht, die Tat zu vertuschen.

Zudem wurde nach Angaben von Spa der Vizepräsident des Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri, auf Befehl des Königs von seinem Posten entbunden. Al-Asiri gilt als enger Vertrauter von Kronprinz Mohammed bin Salman. Es gab zuletzt Spekulationen, dass der General in einer vom Königshaus verbreiteten Version der Ereignisse als der Schuldige an der Tat dargestellt werden sollte. Auch ein weiterer enger Berater von Kronprinz Mohammed, der für Medien zuständige Saud bin Abdullah al-Kahtani, wurde demnach vom König entlassen.

Al-Asiri ist womöglich Sündenbock

Die „Washington Post“ hatte vor einigen Tagen unter Berufung auf Geheimdienstquellen berichtet, Al-Asiri sei ein „möglicher Sündenbock“. Er habe Thronfolger Mohammed in der Vergangenheit wiederholt vorgeschlagen, „etwas gegen Khashoggi und andere zu unternehmen“. Spa zufolge wurden noch mindestens drei weitere hochrangige Geheimdienstmitarbeiter entlassen. Der Geheimdienst solle nun insgesamt neu aufgestellt werden - dieser Prozess solle vom Kronprinz selbst überwacht werden.

Das vage Eingeständnis aus Riad dürfte auch auf den wachsenden Druck Trumps zurückgehen, einem der wichtigsten Verbündeten des Königshauses. Trump hatte zuletzt eine „schwere Bestrafung“ für den Fall angekündigt, dass Saudi-Arabien für Khashoggis Tod verantwortlich sein sollte.

Der republikanische US-Senator Lindsay Graham meldete Zweifel an der Darstellung Riads an. „Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass ich der neuen saudischen Schilderung zum Tod Herrn Khashoggis skeptisch gegenüberstehe“, teilte Graham auf Twitter mit. Der US-Kongressabgeordnete Eric Swalwell forderte Saudi-Arabien auf, den Verbleib der Leiche Khashoggis aufzuklären.

Saudi-Arabien hatte sein Vorgehen gegen Kritiker in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Zahlreiche Aktivisten, Kleriker, Geschäftsleute oder Frauenrechtler eingesperrt. Auch außenpolitisch tritt die Monarchie unter dem Thronfolger deutlich aggressiver auf. (tsp, AFP, dpa)

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