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Michael Collins ist seit Sommer 2013 Botschafter der Republik Irland in Deutschland. Zuvor war er der Chefdiplomat Irlands in den USA, Prag und Saudi-Arabien.

© Department of Foreign Affairs and Trade / Republic of Ireland

Irlands Botschafter zu möglichem Brexit: Michael Collins: „Wir bleiben“

Irland trat 1973 gemeinsam mit Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft bei. Einen Brexit sähe man auf der grünen Insel mit besonderer Sorge – trotz aller historischen Konflikte, sagt Botschafter Michael Collins.

Exzellenz, was möchte die Mehrheit der Iren: die Briten in der EU sehen? Draußen? Oder ist es ihnen egal?

Egal ist es uns in keinem Fall. Das Referendum ist auch auf unserer Insel das bestimmende Thema derzeit. Wir möchten, dass die Briten in der Europäischen Union bleiben. Und zwar als starkes Mitglied! Die EU ist gut für Großbritannien, gut für Europa und im Besonderen auch gut für Irland.

Warum hängen sie an den Briten?

Die sind unsere nächsten Nachbarn. Zu keinem anderen Mitgliedsland der EU pflegen wir so enge Beziehungen ...

Diese sind seit Jahrhunderten sehr komplex, es gab viel Gewalt. Könnte ein wenig mehr Distanz den Iren nicht helfen, sich von Großbritannien zu emanzipieren, ihnen helfen, neue Partner zu finden?

Nein. Der Beitritt von Großbritannien und Irland zur Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1973 hat sich nicht nur als sehr gut für beide Staaten herausgestellt, sondern auch als sehr gut für unsere Beziehung zueinander. Der Umstand, dass wir gemeinsam am europäischen Tisch sitzen und in den Institutionen und Gremien eingebunden sind, hat es uns erlaubt, unser Verhältnis zu normalisieren und den Konflikt um Nordirland in den vergangenen 30 Jahren zu beruhigen. Die EU hat allen Beteiligten einen sehr starken Anreiz geliefert, für Frieden und Stabilität in Nordirland zu sorgen. Die Beziehungen zwischen London und Dublin waren nie besser als heute. Und unser gemeinsames Europa hat einen bedeutenden Anteil daran.

Wie würde sich ein Brexit auf den Friedensprozess, der mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 ja nicht abgeschlossen wurde, konkret auswirken?

Ich glaube, der Friedensprozess, der in diesem Abkommen Ausdruck gefunden hat, ist grundsätzlich unumkehrbar. Wir haben riesige Fortschritte gemacht und können jetzt nichts gebrauchen, was diesen Prozess stört. Der Brexit könnte so ein Ereignis sein. Sorgen bereiten uns vor allem Spekulationen, wonach es im Falle eines EU-Austrittes der Briten neue Regelungen geben könnte, die den derzeit freien Grenzverkehr für Personen und Güter betreffen.

Rechnen Sie mit dem Wiederaufbau von Grenzanlagen und Zoll-Stationen auf der irischen Insel?

Das sind nur Spekulationen, daran möchte ich mich nicht beteiligen. Aber natürlich wären diese praktischen und komplizierten Grenzfragen Gegenstand von Verhandlungen. Wir hoffen, dass sich diese am Freitagmorgen gar nicht mehr stellen.

Wie abhängig ist Irlands Wirtschaft vom Vereinigten Königreich?

Es ist unser größter Handelspartner. Das bilaterale Volumen ist gewaltig. Wir tauschen Waren und Dienstleistungen im Umfang von durchschnittlich 1,2 Milliarden Euro aus – jede Woche. Vor dem Hintergrund wäre alles, was diese Beziehung infrage stellt, sehr besorgniserregend. Der derzeit reibungslos verlaufende Grenzverkehr ist eine Grundlage für den Handel und Tourismus unserer Länder. Unser Finanzminister hat jetzt die Befürchtung geäußert, dass ein Brexit das Wirtschaftswachstum der Republik Irland in den kommenden zwei Jahren um 1,6 Prozent dämpfen könnte. Keine gute Aussicht.

Ein Brexit könnte aber mehr Unternehmen aus dem englischsprachigen Übersee motivieren, ihre Europazentralen eher in Irland als in UK aufzubauen.

So ein Effekt wäre theoretisch denkbar. Aber wir halten doch lieber am Status quo fest. Die Handelsbeziehungen zu Großbritannien sind wichtiger. Und wir sind auch für die Briten wichtig: Die liefern mehr nach Irland als nach China zum Beispiel.

Ein Mitglied der regierenden Partei Fine Gael, ein Senator im Oberhaus, forderte diese Woche: Irland sollte erwägen, wieder dem Commonwealth-Staatenbund beizutreten. 1949 war man ausgetreten. Eine gute Idee?

Ich habe diese spezielle Äußerung nicht vernommen und sehe in Irland auch keine ernsthafte Debatte darüber. Dann und wann höre ich: Wenn die Briten aussteigen, dann seid ihr doch bestimmt die Nächsten, die ein Referendum ansetzen. Ich kann dazu nur sagen: Egal, wie unsere britischen Freunde abstimmen – wir bleiben in der Europäischen Union. Wir bleiben im Euro. Die EU-Mitgliedschaft hat absolute Priorität in unseren außenpolitischen Beziehungen.

Das Interview führte Kevin P. Hoffmann.

Michael Collins (62) ist seit 2013 Botschafter der Republik Irland in Deutschland. Zuvor war er Botschafter in den USA. In den 90ern war er in die Friedensgespräche für Nordirland eng eingebunden.

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