zum Hauptinhalt
"Mir wird bange" - Wolfgang Schäuble (CDU), Präsident des Deutschen Bundestages, macht sich Sorgen um die Größe des Parlaments.

© imago images/Metodi Popow

Ist die Kanzlerin schuld?: Schäuble macht Merkel für die Laschet-Misere mitverantwortlich

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sieht im Interview mit dem Tagesspiegel den Spielraum für den Kandidaten der Union durch die Kanzlerin eingeengt.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) macht Kanzlerin Angela Merkel indirekt für den schweren Stand der Union im Bundestags-Wahlkampf verantwortlich. Schäuble führt das „enge Rennen“ zwischen CDU/CSU und SPD auf Merkels Entscheidung im Oktober 2018 zurück, den CDU-Vorsitz abzugeben, als Regierungschefin aber bis zum Ende der Wahlperiode im Amt zu bleiben.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass beides in eine Hand gehört: Parteivorsitz und Kanzleramt. Das war jetzt über fast drei Jahre nicht der Fall, und deshalb gibt es auch keinen Amtsbonus. Im Gegenteil“, sagte Schäuble dem Tagesspiegel.

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet stehe „neben der langjährigen erfolgreichen Bundeskanzlerin“ und könne im Wahlkampf weder sagen, „wir machen alles neu“ noch „wir machen einfach weiter so“. Dies sei nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel „ein Problem“ für seine Partei und werde „vielleicht nicht von allen verstanden“.

Das Verhältnis zwischen Wolfgang Schäuble und Angela Merkel kann man als professionell distanziert bezeichnen. Beide schätzen sich. Schäuble gilt auch als früherer Förderer von Angela Merkel. Er hat sie 1998 zur Generalsekretärin seiner Partei gemacht und ihre Kandidatur für den Parteivorsitz 2000 unterstützt.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Während Merkels Kanzlerschaft gab es aber zwischen beiden auch immer wieder Meinungsverschiedenheiten, die mal mehr, mal weniger öffentlich ausgetragen wurden. 2018, kurz bevor Merkel ihren Entschluss verkündete, das Amt als Parteichefin abzugeben und auch nicht wieder als Kanzlerkandidatin antreten zu wollen, hat Schäuble die Macht Merkels infrage gestellt. „Sie ist nicht mehr unbestritten“, sagte er damals.

Schäuble hatte Laschet gegen Söder unterstützt

In den Kampf um die Kanzlerkandidatur zwischen CDU-Chef Laschet und dem CSU-Vorsitzendn Markus Söder hatte sich Schäuble zugunsten Laschets entscheidend eingemischt. Allerdings war er zuvor in der Frage, wer überhaupt den CDU-Vorsitz übernehmen solle, aufseiten von Friedrich Merz, der aber gegen Laschet verlor.

Vom Wahlausgang am kommenden Sonntag hängt auch ab, ob Wolfgang Schäuble selbst noch einmal Chancen hat, Bundestagspräsident zu werden. Er selbst kann sich das vorstellen. „Ich übe das Amt des Bundestagspräsidenten sehr gerne aus“, erklärte Schäuble. Dafür müsste die Union allerdings stärkste Fraktion werden.

[Lesen Sie hier das Interview mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Wortlaut: „Da wird mir bange“ (T+)]

Doch derzeit sieht es eher so aus, als drohe der Union ein historisch schlechtes Abschneiden. In aktuellen Umfragen liegt die Union nur knapp über 20 Prozent und die SPD drei bis vier Prozentpunkte davor. Zwar konnte Laschet im ARD-Deutschlandtrend Ende der Woche etwas aufholen, im Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel zeigte sich dagegen keine große Bewegung in der Sonntagsfrage.

Schäuble sorgt sich um die Größe des nächsten Bundestages

Doch Schäuble sorgt sich nicht nur um das Abschneiden der Union, sondern auch um die möglicherweise stark steigende Zahl an Abgeordneten in der kommenden Legislaturperiode. „Mit Blick auf die Größe des nächsten Bundestages wird mir bange“, sagte er. Irgendwann sei „die Arbeitsfähigkeit des Bundestages als Ganzes gefährdet“.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint das Aktuellste und Wichtigste aus Berlin. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de]

Dass es in der ablaufenden Legislaturperiode nicht gelungen sei, eine wirksame Wahlrechtsreform zu beschließen, zähle zu seinen „größten politischen Enttäuschungen“. Ein noch größerer Bundestag sei dem Ansehen des Parlaments und des Parlamentarismus nicht zuträglich.

Es gibt Berechnungen, wonach der Bundestag auf mehr als 1000 Abgeordnete anwachsen könnte. Damit wäre weltweit nur der chinesische Volkskongress größer.

Zur Startseite