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Bernd Althusmann (CDU), Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Niedersachsen, steht bei seiner Wahlkampf-Marktplatztour.

© Foto: dpa/Swen Pförtner

Strategie des CDU-Spitzenkandidaten: Althusmann macht Niedersachsen-Wahl zur Abstimmung über die Ampel im Bund

Bernd Althusmann will den SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil ablösen. Gelänge der CDU ein Sieg, es wäre in diesem Jahr ein großer Triumph.

Bernd Althusmann geht leicht in die Knie, ballt die Faust. Sein Gesicht ist etwas gerötet von der Sonne an diesem Spätsommertag. Wenn Niedersachsen stark sei in Automobilindustrie, Landwirtschaft, Mittelstand und erneuerbaren Energien, dann „wird Niedersachsen zum Bayern des Nordens“, ruft der CDU-Spitzenkandidat. „Da wollen wir hin. Die Bayern sollen sich schon mal warm anziehen.“

Althusmann steht im September in Turnschuhen und hochgekrempeltem weißen Hemd auf dem Marktplatz der Kleinstadt Wildeshausen. Viel ist nicht los. Ein paar Rentner sitzen auf Stühlen an der Stirnseite des Platzes aufgereiht, sonst ist er nur spärlich gefüllt. Doch Althusmann gibt sich kämpferisch. Der 55-Jährige weiß: Er ist auf jede Stimme angewiesen.

Schon 2017 war Althusmann – die Betonung liegt offiziell auf der zweiten Silbe – Spitzenkandidat in Niedersachsen. Damals gewann die SPD mit drei Prozentpunkten Vorsprung. Althusmann wurde Wirtschaftsminister im Kabinett von Ministerpräsident Stephan Weil, stach aber über Niedersachsen hinaus wenig hervor. Jetzt will er schaffen, was ihm damals nicht gelang, und selbst Ministerpräsident werden.

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Sie nannten ihn „Panzer“

Die Fallhöhe bei dieser Wahl ist groß: Gelänge der CDU ein Sieg, es wäre nach den Wahlsiegen in Schleswig-Holstein und NRW in diesem Jahr ein großer Triumph und ein weiteres wichtiges Signal nach der verlorenen Bundestagswahl – Rückenwind auch für Parteichef Friedrich Merz. Für die SPD wäre der Verlust ihres letzten Bundeslandes mit sechs Stimmen im Bundesrat ein Debakel.

Zwischenzeitlich rückte die CDU mit Althusmann in manchen Umfragen fast an die SPD heran, doch mittlerweile ist der Abstand wieder deutlich sichtbar. Die jüngste Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen etwa sieht die SPD mit 32 Prozent gegenüber 27 Prozent für die CDU sehr deutlich vorn. Experten betonen aber, es werde am Ende auch auf die Mobilisierung ankommen: Wer bewegt mehr seiner Anhänger auch an die Wahlurne?

Althusmann ist in der niedersächsischen Landespolitik schon lange eine Größe. 1994 zog er in den Landtag ein, wurde Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion. In dieser Zeit verpassten sie ihm in der Landespolitik den Spitznamen „Panzer“ – eine Anspielung auf Althusmanns Vergangenheit bei der Armee: Der Sohn eines evangelischen Pfarrers hatte sich nach dem Abitur zur Offizierslaufbahn verpflichtet, war bei der Panzertruppe der Bundeswehr.

Der amtierende Ministerpräsident Niedersachsens: Stephan Weil (SPD).

© Foto: dpa/Michael Matthey

Althusmann stieg zum Staatssekretär auf, dann zum Kultusminister im Kabinett von CDU-Ministerpräsident David McAllister, seinem politischen Verbündeten. Doch 2013 war Althusmanns Aufstieg vorerst zu Ende. Er schied nach der verlorenen Landtagswahl aus dem Ministeramt aus und zog auch nicht mehr in den Landtag ein.

Althusmann ging nach Namibia, leitete dort die Auslandsvertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung, bevor er 2016 Spitzenkandidat der CDU in Niedersachsen und dann Wirtschaftsminister wurde. Jetzt hängt sein politisches Schicksal davon ab, dass er die Wahl gewinnt.

Bernd Althusmann im Wahlkampf mit CDU-Chef Friedrich Merz.

© Foto: Lino Mirgeler/dpa

Althusmanns wichtigste Strategie im Wahlkampf: Er verknüpft die Landtagswahl mit der Arbeit der Bundesregierung. „Diese Landtagswahl ist am Ende auch eine Abstimmung über die Zukunft dieser Ampel“, rief er bereits beim Wahlkampfauftakt Anfang September in Osnabrück. „Sie redet viel über Entlastung. Diese größte Belastung für Deutschland ist diese Ampel.“ Seinem bisherigen Koalitionspartner und Konkurrenten Stephan Weil wirft er vor, Teil der Ampel zu sein.

In der Tat hat Althusmann hier einen strategischen Vorteil: Er kann das kriselnde Bündnis in Berlin komfortabel attackieren, während Weil sich zwar distanzieren, aber nicht offensiv gegen den SPD-Kanzler stellen kann. Die Schwäche der SPD im Bund ist für ihn ein Problem. Der Wahlkampf wird überschattet von den Sorgen der Bürger und der Wirtschaft vor dem Winter, vor hohen Energiepreisen, Insolvenzen, Armut.

Im TV-Duell zwischen Althusmann und Weil durfte ein Bäcker die erste Frage stellen. „Mir und vielen meiner Handwerkskollegen steht das Wasser bis zum Hals. Da zählt jeder Tag“, erzählte er. „Wir stehen kurz vor dem Exitus.“ Althusmann antwortete, dass seine Partei die Ampel seit Monaten dazu auffordere, den Mittelstand in den Blick zu nehmen.

Stephan Weil und Bernd Althusmann beim TV-Duell.

© Foto: dpa/Ole Spata

Eine Schwierigkeit für ihn sind seine eigenen Beliebtheitswerte. Sein Konkurrent Weil schneidet im direkten Vergleich regelmäßig klar besser ab. So gaben kürzlich sogar 15 Prozent der CDU-Anhänger an, lieber Weil weiterhin im Amt zu sehen als den derzeitigen Wirtschaftsminister. Der Amtsinhaberbonus, er scheint auch hier wieder zu wirken. Selbst unter Althusmanns Parteikollegen fanden manche, dass er lange zu wenig kämpferisch auftrat.

Bei Atomkraft gibt es regelmäßig Applaus

Mittlerweile scheint Althusmann in Fahrt zu kommen, seine Reden im niedersächsischen Wahlkampf funktionieren – auch weil er weiß, welche Versatzstücke bei den Leuten gut ankommen. „Wir werden Wohlstandsverluste erleben, wir werden Knappheit erleben“, erklärt er zum Beispiel. Das sind Sätze, die eigentlich keiner gerne hört. Doch Althusmann inszeniert sich als einer, der auch unangenehme Wahrheiten ausspricht. Das mögen sie auf den Marktplätzen.

Zuverlässigen Applaus erntet er auch beim Thema Atomkraft – Althusmann plädiert für einen Weiterbetrieb aller drei deutschen Atomkraftwerke. „Wir können nicht darauf verzichten“, insistiert er beim TV-Duell. Landespolitisch bewegt die Wähler in Niedersachsen zudem das Thema Förderschulen – Althusmann setzt sich für deren Erhalt ein – sowie wachsende Pflegekosten. Er kündigt an: „Wir werden ein eigenes niedersächsisches Landespflegegeld einführen, um der Generation, die dieses Land aufgebaut und stark gemacht hat, wieder etwas zurückzugeben, damit sie nicht in die Altersarmutsfalle geraten.“

Und der Pfarrerssohn, der auch im Schützenverein ist, versucht es mit Humor, gern auch selbstironisch. „Pfarrers Kinder, Müllers Vieh, geraten selten oder nie. Aber wenn sie dann geraten, sind sie ein spezieller Braten“, witzelt er in Osnabrück.

Doch auch wenn sie im Team Althusmann weiter fest an den Sieg glauben, zeichnet sich auf den letzten Metern ab, dass es eher auf Rot-Grün hinauslaufen dürfte. Der FDP-Bundestagspolitiker Konstantin Kuhle twitterte kürzlich, es stehe doch bereits fest, dass die CDU den Ministerpräsidenten nicht stellen werde. „Nur mit einer Stimme für die FDP kann man eine rot-grüne Landesregierung verhindern“, erklärte er. Aus solchen Aussagen spricht zwar auch die Angst der FDP, in Niedersachsen aus dem Landtag zu fliegen. Verfangen sie jedoch, ist es für Althusmann ein Problem.

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