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Der türkische Präsident Erdogan: Früher Assads Freund, dann sein schärfster Kritiker, nun sein potentieller Gesprächspartner.

© AFP

Kehrtwende in Syrien-Politik: Nach Merkel will auch Erdogan mit Assad reden

Für den Westen ist Assad kein Ausgestoßener mehr, nun ändert auch der türkische Präsident seine Syrien-Politik und will mit dem "Diktator" reden.

Nach der deutschen Bundesregierung signalisiert jetzt auch die Türkei die Bereitschaft, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in die Bemühungen um eine Friedenslösung in Syrien einzubinden. Eine Übergangslösung mit Assad sei möglich, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag. Langfristig könne der „Diktator“ Assad für die Zukunft Syriens aber keine Rolle spielen. Erdogan kündigte neue internationale Gespräche über die Syrien-Krise an.

Mit der Kehrtwende vermeidet die Türkei, die bisher kompromisslos die Ablösung Assads als Vorbedingung für eine Lösung in Syrien forderte, eine internationale Isolierung. Die Bemühungen um eine Beilegung des Syrien-Konflikts erhalten neuen Schwung, weil Russland seine Militärhilfe für Assad beträchtlich ausbaut und weil die EU wegen des Flüchtlingsansturms der vergangenen Wochen ein neues starkes Interesse an einer Lösung hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte beim EU-Gipfel in Brüssel gesagt, bei den Bemühungen zur Beendigung des Syrien-Krieges müsse auch mit Assad geredet werden. Vor wenigen Tagen betonte US-Außenminister John Kerry, Assad müsse zwar gehen, doch das müsse nicht „am ersten Tag oder im ersten Monat“ einer Übergangsphase geschehen.

Nun kommt auch Erdogan der Position Russlands entgegen, das eine Ablösung Assads als Vorbedingung für Friedensverhandlungen strikt ablehnt. Mit der Neupositionierung des Westens dürfte die syrische Opposition unter Druck geraten, ihr Nein zu Verhandlungen mit Assad ebenfalls zu überdenken.

 Früher war Assad ein Partner Erdogans

Vor Ausbruch des Konflikts in Syrien im Jahr 2011 war Assad ein enger Partner Erdogans; die beiden verbrachten sogar ihre Ferien gemeinsam. Zu Beginn der Auseinandersetzungen bemühte sich Ankara um eine Vermittlerrolle zwischen Assad und den syrischen Regeirungsgegnern, distanzierte sich dann aber von dem syrischen Präsidenten. Seitdem gehört die Türkei zu den schärfsten Gegnern Assads und unterstützt die syrische Opposition nach Kräften.

Deshalb ist Erdogans Einverständnis zu einem vorläufigen Amtsverbleib Assads potenziell von großer Bedeutung. „In der Übergangsphase ist eine Lösung mit Assad vielleicht möglich“, sagte der türkische Präsident vor Journalisten in Istanbul. „Aber eine Zukunft für Syrien ist mit Assad unmöglich.“

Erdogan hatte am Mittwoch in Moskau mit dem russischen Staatsschef Wladimir Putin gesprochen, dem wichtigsten internationalen Verbündeten Assads. Die Außenminister Russlands, der Türkei und der USA wollen laut Erdogan am Rande der UN-Vollversammlung in New York über das Thema Syrien reden. Möglicherweise würden auch Saudi-Arabien – ein Assad-Gegner – sowie der syrische Partner Iran hinzugezogen.

Zu den jüngsten militärischen Niederlagen der syrischen Regierung im Krieg gegen den Islamischen Staat und andere Rebellengruppen sagte Erdogan, Assad wolle ein „Boutique-Syrien“ auf rund 15 Prozent des Staatsgebietes für sich selbst erhalten. Dabei gehe es um die Hauptstadt Damaskus und die Region um die Küstenstadt Latakia, die Heimat des Präsidenten.

Mit Blick auf die Flüchtlingskrise begrüßte Erdogan die Zusage von Finanzhilfen durch die EU. Wichtig sei nun, dass die Versprechen auch umgesetzt würden, sagte der türkische Präsident. Erdogan wird am 5. Oktober zu Gesprächen mit der EU in Brüssel erwartet.

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