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Erst sollte es abgeschalten werden, nun läuft das AKW Emsland noch bis April 2023.

© Foto: dpa/Sina Schuldt

Kritische Stimmen ignoriert?: Grünen-Minister sollen Einfluss auf AKW-Prüfung genommen haben

Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Lemke stellten sich früh gegen einen Weiterbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke. Dabei gab es auch Argumente dafür.

Es waren die rote Linien der Grünen: Waffenlieferungen an die Ukraine, die Reaktivierung alter Kohlekraftwerke, der Bau von LNG-Terminals an Deutschlands Küste. Allem konnte die Partei infolge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zustimmen. Nur bei der Atomkraft blieben sie lange hart und beharrten trotz Energiekrise auf dem geplanten Ausstieg zum Jahreswechsel.

Lediglich für drei Monate sollten zwei der verbliebenen drei AKW weiterlaufen. Nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurden es schließlich alle drei Atomkraftwerke bis maximal 15. April.

Die Argumente der Grünen variierten über die Monate. Man habe ein Gas-, aber kein Stromproblem, hieß es zu Beginn. Der Strompreis sinke dadurch nicht und der Gasverbrauch könne durch den Weiterbetrieb nur geringfügig gesenkt werden, wurde später argumentiert.

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Doch Recherchen der „Welt am Sonntag“ und des „Cicero“ legen nahe, dass die grün-geführten Ministerien – für Wirtschaft (BMWK) von Vizekanzler Robert Habeck und Umweltschutz (BMUV) von Steffi Lemke – bei dieser Argumentation kritische Stimmen aus den eigenen Häusern ignoriert und Einfluss auf die Bewertungen genommen wurde.

Was wird den Ministerien vorgeworfen?

Dem Bericht zufolge, der sich auf 166 interne Dokumente beruft, formulierten zwei Staatssekretäre aus dem BMUV und dem BMWK ihre Ablehnung bereits am 4. März – vor Gesprächen mit den Betreibern der AKW.

In der offiziellen Ablehnung von Lemke und Habeck vom 8. März tauchten zudem keine Pro-AKW-Argumente auf, die unter anderem EnBW als Betreiber des AKW in Neckarwestheim vorgebracht hatte.

Umweltministerin Steffi Lemke und Energieminister Robert Habeck (beide Grüne) waren früh gegen einen AKW-Weiterbetrieb.
Umweltministerin Steffi Lemke und Energieminister Robert Habeck (beide Grüne) waren früh gegen einen AKW-Weiterbetrieb.

© Kay Nietfeld/dpa

Zudem sei die CO2-Reduktion durch den Weiterbetrieb der Meiler heruntergerechnet worden. Lediglich ein „sehr geringer Beitrag“ würde dies für den Klimaschutz bedeuten, hieß es in einem öffentlichen Papier des BMWK.

„Schizophrenie“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Selbst im Haus von Vizekanzler Robert Habeck sorgte das für Kritik. „Während wir das Ersatzkraftwerkegesetz in den höchsten Tönen loben und uns vom Weiterbetrieb von Kohle- und Öl-Kondensationsanlagen eine riesige Gaseinsparung erhoffen, sprechen wir dem Weiterbetrieb von AKW-Kondensationsanlagen diese Eigenschaft ab“, heißt es in der Mail eines Beamten aus der Fachabteilung an die Presseabteilung im BMWK, aus dem die „Wams“ zitiert.

Er müsse seinem eigenen Ministerium „in dieser Debatte leider eine gewisse Schizophrenie attestieren“.

Der Bericht gebe den Ablauf „verzerrt“ wieder, sagt ein Sprecher des Umweltministeriums auf Tagesspiegel-Anfrage. „Das BMUV hat seine fachliche Position als oberste Atombehörde im März dieses Jahres vor dem ersten Prüfvermerk von BMWK und BMUV selbstverständlich unabhängig von den AKW-Betreibern entwickelt“, sagte er. Atomaufsicht und AKW-Betreiber dürften keine gemeinsame Sache machen.

Scharfe Kritik von der CDU

Für die Opposition ist der Vorgang eine Steilvorlage. Die „Ökolobby“ im Wirtschaftsministerium „gefährdet die Zukunft unseres Landes“, schreib CDU-Generalsekretär Mario Czaja bei Twitter.

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Jens Spahn, CDU-Fraktionsvize und Energieexperte, sagte dem Tagesspiegel: „Die Bundesregierung hat bei der Kernkraft massiv Vertrauen verspielt.“ Die Bürger würden erwarten, das solche Entscheidungen auf Basis von Fakten getroffen würden, so Spahn: „Es braucht deshalb für den Strombedarf im nächsten Winter einen unabhängigen Stresstest, ohne politische Vorgaben.“

Die Bundesregierung hat bei der Kernkraft massiv Vertrauen verspielt.

Jens Spahn

Die FDP, die sich vehement für den Kauf neuer Brennstäbe und einen Weiterbetrieb deutlich länger als April 2023 eingesetzt hatte, bleibt dagegen am Montag auffällig ruhig. Mehrere Fachpolitiker lassen Anfragen unbeantwortet.

Doch ausgestanden ist die Atomdebatte in der Ampel wohl noch nicht. Führende Liberale haben bereits angedeutet, die Lage im April neu bewerten zu wollen.   

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