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Hans Modrow.

© dpa/Arno Burgi

Update

Letzter SED-Regierungschef der DDR: Hans Modrow ist tot

Erst zur Wendezeit stieg der langjährige SED-Funktionär ins Politbüro der DDR auf und galt als Reformer. Auch nach der Wiedervereinigung blieb er politisch aktiv. Nun starb er im Alter von 95 Jahren.

| Update:

Der frühere DDR-Ministerpräsident Hans Modrow ist tot. Der langjährige SED-Funktionär und spätere PDS- und dann Linke-Politiker starb in der Nacht zum Samstag im Alter von 95 Jahren, wie die Linksfraktion im Bundestag mitteilte.

„Damit verliert unsere Partei eine bedeutende Persönlichkeit“, erklärten der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und der frühere Fraktionschef Gregor Gysi. Ohne Modrow wäre die Reform der SED zur PDS „sehr viel schwerer geworden“, schrieben sie in ihrem Nachruf.

Von November 1989 bis April 1990 lenkte Modrow die Geschicke der DDR. Er verhandelte nach dem Fall der Mauer die ersten Annäherungsschritte mit der Bundesregierung.

Modrow habe sich „große Verdienste bei der politischen und ökonomischen Sicherung für die Bevölkerung“ erworben und sich stets für jenen Teil der früheren DDR-Bevölkerung eingesetzt, „der nicht gewollt war und dessen Interessen regelmäßig verletzt wurden“, so Bartsch und Gysi. Er habe sich auch immer wieder kritisch über die Politik und Strukturen der eigenen Partei geäußert. „Es hat nicht geschadet, im Gegenteil“, fügten sie hinzu.

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Auch die Linke-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan würdigten Modrow als prägende Gestalt der deutschen Geschichte. Ohne ihn wäre der friedliche Verlauf der Revolution 1989 nicht möglich gewesen, schrieben Wissler und Schirdewan in einem Nachruf. „Maßgeblich prägte er auch die Geschichte unserer Partei.“

Im Zentrum seines Handelns hätten sein unermüdliches politisches Engagement, seine große Verbundenheit mit seiner Partei und dem Osten Deutschlands sowie sein Einsatz gegen Faschismus und Neofaschismus gestanden. „Internationale Solidarität und der Einsatz für Frieden leiteten ihn“, schrieben Wissler und Schirdewan weiter. „Hans Modrow wird in unserer Partei als überzeugter Sozialist, aufrechter Mensch und wichtige Persönlichkeit fehlen.“

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Der langjährige SED-Funktionär und spätere PDS- und Linke-Politiker galt als überzeugter Sozialist, der sich zu DDR-Zeiten ein kleines Stück kritische Distanz zur allmächtigen SED bewahrt hatte. 

Der einst als Gorbatschow der DDR bezeichnete Linkspolitiker kam als Sohn eines Seemanns und Bäckers am 27. Januar 1928 im damals preußischen und heute zu Polen gehörenden Jasenitz zur Welt. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er in Hitlers sogenannten Volkssturm eingezogen.

Aufstieg bis in den innersten DDR-Machtzirkel

In sowjetischer Gefangenschaft kam der Jugendliche an eine Antifa-Schule, eine Umerziehungsanstalt für deutsche Soldaten. In der späteren DDR machte Modrow nach einer Ausbildung zum Maschinenschlosser Karriere in der FDJ, der Nachwuchsorganisation der Staatspartei SED.

Modrow mit dem damaligen PDS-Chef Gysi (l.) beim 1. Parteitag der PDS am 25. Februar 1990.

© dpa/Peter Zimmermann

32 Jahre lang gehörte er der DDR-Volkskammer an. Bis zur Wiedervereinigung war der Vater zweier Töchter zudem mehr als 20 Jahre lang Mitglied des Zentralkomitees, des höchsten Gremiums der Partei. In das Politbüro, den innersten Machtzirkel, stieg er allerdings erst zur Wendezeit und nach der Entmachtung Erich Honeckers auf.

Trotz der strammen Parteikarriere galt Modrow in den 80er Jahren als Alternative zur alten SED-Spitze, als Unterstützer der Reformpolitik Glasnost des Sowjetführers Michail Gorbatschow. Er war Mitinitiator des Dresdner Dialogs mit der oppositionellen Gruppe der 20.

Als Dresdner SED-Bezirkschef war Modrow aber auch zumindest mitverantwortlich für das harte Vorgehen der Volkspolizei gegen Demonstranten am Dresdner Hauptbahnhof im Wendeherbst.

Nur vier Tage nach dem Fall der Mauer wurde Modrow am 13. November 1989 zum Vorsitzenden des Ministerrates der DDR als Nachfolger von Willi Stoph gewählt. Allerdings moderierte er nur noch den Übergang - für rund 150 Tage.

Bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 verlor die SED-PDS die Macht und Modrow einen Monat später sein Amt.

Nach der Wiedervereinigung für PDS und Linke aktiv

Betonte er anfangs noch die Eigenständigkeit der DDR, so bekannte er sich später zur Einigkeit Deutschlands in Form einer Konföderation. „Wir wollten die DDR nicht aufgeben“, sagte der meist bescheiden auftretende Mann mit der heiseren Stimme und dem silbernen Haar in einem Interview.

Wir wollten die DDR nicht aufgeben.

Hans Modrow, ehemaliger SED-Politiker

Bei der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 gewann die CDU vor der SPD und der aus der SED hervorgegangenen PDS. Mitte April übergab Modrow die Regierungsgeschäfte an den Vorsitzenden der DDR-CDU, Lothar de Maizière. Der Politik blieb er dennoch treu.

Modrow war noch einige Zeit Volkskammerabgeordneter, wurde Ehrenvorsitzender der PDS, saß mehrere Jahre lang im Bundestag und vertrat seine Partei bis 2004 fünf Jahre lang im Europaparlament.

Modrow im Jahr 2007 beim Bundesparteitag der Partei Die Linke.

© dpa/Britta Pedersen

Die politische Aufarbeitung ging freilich nicht an Modrow vorbei. 1995 wurde er am Ende eines langen Gerichtsstreits für seine Beteiligung an Wahlfälschungen in der DDR zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Die Bewährungsstrafe wurde in einem weiteren Verfahren wegen Meineids auf zehn Monate erhöht.

Mahnende Stimme in der Linken

Noch bis zum vergangenen Jahr mischte sich Modrow als Vorsitzender des Ältestenrates der Linken in die Parteipolitik ein, kritisierte deren Ausrichtung und befand, die Partei sei „inzwischen in westdeutscher Hand“.

Er galt als Stimme jener zumeist älteren Parteimitglieder, die bis heute der Idee des Staatssozialismus anhängen. Als „Unrechtssystem“ will Modrow die DDR nicht bezeichnen. Die DDR sei „weder Paradies noch Hölle“ gewesen, sagte er einmal.

Er selbst wurde nach eigenen Angaben rund sechs Jahrzehnte vom Bundesnachrichtendienst bespitzelt. Die Einsicht in die Akten hatte Modrow gerichtlich erstritten.

Auf die Frage, wie er auf sein Leben zurückblicke, sagte Modrow vor vier Jahren in einem Interview unter anderem der „Lausitzer Rundschau“: „Wir haben in der DDR geliebt und gelebt - und nach 1990 auch.“ Er habe viel Freude gehabt, seine Enkel und Urenkel erlebten „keinen mit sich hadernden älteren Verwandten“. (dpa, AFP)

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