zum Hauptinhalt
Bundeskanzler Olaf Scholz (M.) und seine Vizekanzler Christian Lindner (l.) und Robert Habeck

© Imago/Political-Moments

Update

Vorerst keine Abstimmung im Bundestag: Ampel verschiebt Beschluss des Haushalts für 2024

Die Abschlusssitzung des Haushaltsausschusses sollte an diesem Donnerstag stattfinden. Nun ist das weitere Vorgehen offen. Wie es aussehen könnte.

| Update:

Die Ampelkoalition verschiebt die Abschlusssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag für den Etat 2024. Sie war für diesen Donnerstag geplant, soll nun aber später stattfinden.

Die Chefhaushälter der Koalitionsfraktionen – Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) – verschickten am Mittwoch um kurz vor 14 Uhr eine Pressemitteilung unter der Überschrift „Verschiebung der Bereinigungssitzung“. Das ist die offizielle Bezeichnung für die Abschlussrunde im Ausschuss. Der Etat wird somit auch nicht in der kommenden Sitzungswoche zur Abstimmung gestellt.

Zuvor hatte der Ausschussvorsitzende Helge Braun (CDU) ein Schreiben an die Ausschussmitglieder verschickt, in dem er lapidar und ohne Begründung mitteilte, dass die für 13 Uhr angesetzte Sitzung ausfalle.

In der Mitteilung der Ampel-Haushälter heißt es: „Das Bundesverfassungsgericht hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Darauf wollen wir mit Sorgfalt reagieren und einen Haushalt aufstellen, der alle Urteilsargumente und gleichzeitig das Gebot des Grundgesetzes nach einem Haushaltsabschluss noch dieses Jahr berücksichtigt.“

Schnellstmöglich, aber mit der verfassungsrechtlich gebotenen Sorgfalt.

Aus der Mitteilung der Ampelhaushälter zum Zeitplan für den Etatbeschluss

Das Parlament als Haushaltsgesetzgeber komme hierbei seiner Verantwortung nach. Auch das Bundesfinanzministerium müsse jetzt in Absprache mit der Bundesregierung alle offenen Punkte „schnellstmöglich, aber mit der verfassungsrechtlich gebotenen Sorgfalt klären“.

In der Sachverständigenanhörung am Dienstag hätten fast alle Sachverständigen einen Weg aufgezeigt, wie die Bundeshaushalte 2023 und 2024 trotz des Karlsruher Urteils verfassungsgemäß aufgestellt werden können. „Diesen prüfen wir jetzt intensiv. Das muss dann aber auch die Opposition machen können.“

Weiter heißt es in dem Schreiben, man wolle der Opposition ausreichend Zeit für die parlamentarische Beratung einräumen, „bevor auch die Einzelpläne 32 und 60 abschließend im Haushaltsausschuss beraten werden. Dies wurde auch explizit von der Opposition gewünscht.“

Die genannten Einzelpläne betreffen die Bundesschuld, also vor allem die Zinsausgaben, und die allgemeine Finanzverwaltung – in diesem Einzelplan mit der Nummer 60 stecken auch die Sondervermögen wie der Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), die vom Urteil hauptsächlich betroffenen Teile des Etats, weil die Kreditaufnahme dort verfassungswidrig ist.

Auch die Fraktionschefs melden sich

Bemerkenswert: Eine halbe Stunde nach den Haushältern bestätigten auch die Ampel-Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann, Katharina Dröge (beide Grüne) und Christian Dürr (FDP) die Verschiebung. „Als Fraktionsvorsitzende der Ampelfraktionen halten wir es für geboten, dieses Urteil sorgfältig bei der Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2024 zu berücksichtigen“, ist dort zu lesen. „Die Beschlussfassung des Haushalts 2024 im Deutschen Bundestag wird deshalb nicht, wie bisher geplant, in der kommenden Sitzungswoche stattfinden.“

Ziel sei es, den Haushalt zügig, aber mit der gebotenen Sorgfalt zu beraten, um Planungssicherheit zu schaffen. Was im Gegensatz zur Mitteilung der Haushälter fehlt, ist der Hinweis auf den Haushaltsgrundsatz, dass ein Etat im Jahr vor seiner Geltung beschlossen sein soll.

Zwei Optionen

Die Frage eines verfassungskonformen Etatbeschlusses hat die Ampelkoalition umgetrieben, seit ihr die Dimensionen des Karlsruher Schuldenbremsen-Urteils vom vergangenen Mittwoch nach und nach klar geworden sind. Die Anhörung von Sachverständigen im Haushaltsausschuss am Dienstag hat die Antwort allerdings nicht einfacher gemacht.

Dort taten sich zwei Optionen auf. Erstens die Verschiebung des Beschlusses, weil der Etat so stark verändert werden muss, dass er aktuell nicht beschlussreif ist. Diese Position vertrat vor allem der Heidelberger Verfassungsjurist Hanno Kube, der die erfolgreiche Klageschrift der Unions-Abgeordneten in Karlsruhe mitverfasst hat. Demnach wäre der Beschluss erst im kommenden Jahr möglich.

Andere Sachverständige hielten es dagegen für möglich, den Etat nun in der vorliegenden Form kurzfristig zu beschließen, damit formal zu Jahresbeginn ein Haushalt vorliegt. Das wäre die Normalität, von der ansonsten nur in Wahljahren abgewichen wird, wenn eine neue Regierung den noch von der alten Exekutive vorgelegten Entwurf umarbeitet und ihn in den ersten Monaten des neuen Jahres beschließt.

Nach dieser Option, vertreten etwa von dem Ökonomen Jens Südekum, müsste dann aber zügig ein Nachtragsetat nachgeschoben werden, um Vorgaben und Weiterungen des Verfassungsgerichtsurteils umzusetzen.

Ampel hatte Verschiebung vor einer Woche noch abgelehnt

In der Vorwoche hatten die Ampel-Haushälter eine Verschiebung der Abstimmung ins nächste Jahr abgelehnt, weil dann die „vorläufige Haushaltsführung“ nötig werde. Im Gegensatz zu den USA zum Beispiel gibt es in Deutschland keinen Haushaltsnotstand, wenn ein Etat nicht pünktlich zu Beginn des Jahres vorliegt, für das er gilt. Die Regierung ist immer handlungsfähig, wenn auch eingeschränkt, weil diese vorläufige Haushaltsführung strengen Regeln unterliegt.

Die Union hatte diese Verschiebung gefordert, aber die Ampel-Politiker wollten sich nicht darauf einlassen – weil dann bestimmte Ausgaben zunächst nicht oder nur unter Vorbehalt möglich wären, etwa die der Ukraine zugesagten zusätzlichen Hilfen in Höhe von vier Milliarden Euro.

Dem Vernehmen nach haben sich Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstagabend getroffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Aus der Regierung hieß es am Mittwochmorgen noch, alles sei im Fluss. Doch war da schon damit zu rechnen, dass noch im Lauf des Mittwochs eine Entscheidung fallen könnte – zugunsten der Verschiebung.

Der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli twitterte am Mittwochmittag schon, dass der Beschluss sowohl im Ausschuss als auch im Bundestag verschoben werde. Zuvor hatte der FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer der Agentur AFP gesagt, es wäre für seine Partei „kein Problem, wenn wir uns ein paar Wochen mehr Zeit nehmen, um alles gründlich zu prüfen und den Haushalt 2024 gemäß den neuen Vorgaben aufzustellen“. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil „ist es das Gebot der Stunde, den Haushalt 2024 rechtssicher zu machen“.

Vorläufiger Beschluss wäre nicht umsetzbar gewesen

Im Bundestag hat sich offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, dass am Donnerstag ein Haushaltsplan beschlossen würde, der nicht nur vorläufig wäre, sondern gar nicht umsetzbar. Gerade erst hat das Finanzministerium vorsichtshalber alle Verpflichtungsermächtigungen im Etat 2023 – also künftige Finanzierungen – gesperrt, weil unklar ist, ob und wie sie jeweils genutzt werden können. Das läuft auf eine völlige Neujustierung des Etats für 2024 und der Finanzplanung bis 2027 hinaus.

Zudem könnte die vorläufige Haushaltsführung mittlerweile als weniger abschreckend empfunden werden im Vergleich mit dem Szenario, auf der Basis eines vorliegenden, aber nicht verlässlichen Etats die weiteren Gespräche über den endgültigen Haushalt zu führen. Angesichts der Streitlust innerhalb der Koalition würde das Verschieben des Etatbeschlusses den Druck auf eine zügige Einigung auf einen belastbaren Etat zweifellos erhöhen.

Die vorläufige Haushaltsführung ist im Grundgesetz im Artikel 111 geregelt. Die Regierung ist danach weiterhin ermächtigt, alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind. Dazu gehören die Gehälter der Staatsdiener, damit alle Einrichtungen weiter ihren Aufgaben nachkommen können.

Dazu gehört auch die Finanzierung aller gesetzlichen Verpflichtungen des Bundes, also vor allem der Sozialleistungen wie die Grundsicherung im Alter oder die Zuschüsse an die Rentenkasse. Auch können alle begonnenen Investitionsprogramme fortgeführt werden, sofern die Gesetzeslage das erlaubt.

Allerdings ist die Basis der vorläufigen Haushaltsführung nicht der Etatentwurf für das neue Haushaltsjahr, sondern der Etat des Vorjahres – mithin also der für 2023. Und der ist nach dem Karlsruher Urteil in Teilen zumindest insoweit verfassungswidrig, als die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aufgenommenen Kredite die nach der Schuldenbremse zulässige Obergrenze weit überschreiten. Wie weit das die vorläufige Haushaltsführung beeinträchtigt, muss die Ampel wohl noch klären.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false