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Mit unsensiblen Äußerungen macht sie es ihren Gegnern immer wieder leicht: Die National Rifle Association (NRA), Institution der US-Waffenlobby, war nach dem Massaker in Newtown im Dezember Gegenstand der Proteste. Foto: Jim Lo Scalzo/dpa

© dpa

Nach dem Massaker von Newtown: Waffenbesitzer machen sich für Waffenkontrolle stark

In den USA fordern immer mehr prominente Bürger und Politiker schärfere Gesetze. Und erstmals plädieren stolze Waffenbesitzer für eine vernünftige Beschränkung. Sie setzen damit einen anderen Ton. In der Hoffnung, so die Debatte voranzubringen.

In der Kontroverse um die Verschärfung der Waffengesetze in den USA nach dem Schulmassaker in Newtown kommt Bewegung in die gewohnten Fronten. Seit Jahren hat es den Anschein, als finde hier ein Kampf zwischen zwei großen Lagern ohne Verständnis füreinander statt: auf der einen Seite Waffengegner, die jeden Waffenbesitz kriminalisieren wollen; auf der anderen Seite Waffenfans, die jede Auflage als Bruch des Verfassungsrechts auf freien Waffenbesitz darstellen. So präsentieren auch die Medien den Konflikt. Nun aber drängt eine dritte Gruppe in die Öffentlichkeit und findet rasch Gehör: prominente Bürger und Politiker, die sich als stolze Waffenbesitzer vorstellen, aber dennoch schärfere Gesetze wünschen.

Die demokratische Ex-Abgeordnete Gabby Giffords, die bei ihrer Bürgersprechstunde am 8. Januar 2011 in Tucson, Arizona, in den Kopf geschossen worden war, nutzte den zweiten Jahrestag des Attentats, um in Washington eine Initiative mit dem Namen „Americans for Responsible Solutions“ zu starten. Ihr Mann, der Astronaut Mark Kelly, betonte, sie unterstützten beide den freien Waffenbesitz, treten aber für drei Einschränkungen ein. Erstens ein Verbot des Verkaufs von „Assault Weapons“ an Zivilisten; damit sind Schnellfeuergewehre gemeint, die für militärische Zwecke entwickelt wurden und weder für die Jagd noch für Sportschützen taugen. Zweitens das Verbot von Hochleistungsmagazinen, mit denen man in wenigen Sekunden Dutzende Kugeln verschießen kann. Und drittens eine lückenlose Identitätsüberprüfung beim Waffenkauf; bisher sind mobile Gun Shows von der Pflicht, Käufer durch einen Anruf beim FBI überprüfen zu lassen, ausgenommen.

Eine ähnliche Forderungsliste stellte der Gouverneur des Staats New York, Andrew Cuomo, am Mittwoch in seiner jährlichen „Rede zur Lage unseres Staates“ vor und kündigte entsprechende Gesetzesentwürfe an. Auch Cuomo verband das mit einem Bekenntnis, dass er selbst eine Schrotflinte besitze und das Recht auf Waffenbesitz unterstütze. „Das Waffenrecht hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse“, sagte Cuomo.

Der neue Kurs ist zum einen eine Reaktion auf die scharfe Gegenwehr der „National Rifle Association“ (NRA) gegen mehr Kontrolle und zum anderen ein Versuch, die einflussreiche Gruppe der Waffenbesitzer aufzuspalten und so den Widerstand der organisierten Waffenlobby zu unterlaufen. Cuomo vermied diesmal jede Wortwahl, die die NRA zum Gegenangriff nutzen könnte, zum Beispiel die Drohung, der Staat könne bestimmte Waffentypen konfiszieren. Kurz nach dem Schulmassaker in Connecticut am 14. Dezember, bei dem ein offenbar psychisch kranker junger Mann mit einem Schnellfeuergewehr 20 Erstklässler erschossen hatte, hatte Cuomo in einem Interview gesagt: „Konfiszieren könnte eine Option sein.“ Waffenbesitzer starteten daraufhin auf der Webseite des Weißen Hauses eine Petition gegen das Konfiszieren von Waffen mit der Begründung: „Wir leben nicht in Nazi-Deutschland.“ Kelly wie Cuomo kündigten an, dass sie ihre Vorschläge mit der NRA diskutieren werden. Die Arbeitsgruppe zum Waffenrecht unter Leitung von Vizepräsident Joe Biden, die Präsident Obama nach dem Schulmassaker eingesetzt hatte, trifft sich an diesem Donnerstag mit Vertretern der NRA.

Wie rasch die Emotionen eskalieren, hat die Lokalzeitung „The Journal News“ in White Plains nördlich der Stadt New York erfahren. Unter dem Titel „Der Waffenbesitzer nebenan“ druckte sie Namen und Adressen von 33 614 Inhabern eines Waffenscheins in der Umgebung. Seither erhalten Redakteure Todesdrohungen. Unbekannte stellten ihre Namen und Privatadressen ins Internet. Die Chefredaktion bot denen, die sich Sorgen um ihre Familien machen, Hotelübernachtungen und Wachschutz an. Waffenvereine riefen lokale Geschäfte zu einem Anzeigenboykott der Zeitung auf.

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