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Berlusconi in einer Lieblingsrolle: In dieser Woche begleitete ein Schwarm von Medienleuten und Kameras jeden Auftritt des Ex-Premiers (im Bild rechts im Profil)

© imago/Maurizio Brambatti

Putin-Geschenke und Zettel mit Betragensnoten: Berlusconis Ausfälle belasten Melonis Regierungsbildung

Seit zwei Tagen beherrscht der Altpremier mit Ausfällen gegen die künftige Regierungschefin Meloni die Nachrichten. Für sie wird es jetzt ernst.

Gerade einmal eine Nacht hielt der Frieden mit „la Signora Meloni“, wie Berlusconi die designierte Ministerpräsidentin gern böse-ritterlich adressiert. Dabei schien es, als sei erst einmal Ruhe eingekehrt nach öffentlichen Beleidigungen des Alten - auf einem gut sichtbaren Zettel hatte er im Parlament gleich vier herabsetzende Adjektive notiert - und Versuchen, ihre Kabinettsliste zu bestimmen. Der Frieden hielt gerade eine Nacht

Meloni und ihr bei der Wahl stark geschrumpfter Bündnispartner schickten nach dem Treffen ein Seit-an-Seit-Selfie nach draußen und versicherten in einem gemeinsamen Kommuniqué ihre gemeinsame feste Absicht, „Italien so schnell wie möglich eine starke, einige und profilierte Regierung zu geben, die sich sofort ans Werk machen und die dringendsten Aufgaben angehen wird“.

Doch seine eigenen Angelegenheiten schienen dem Ex-Cavaliere schon am Morgen nach jenem Nachmittag dringender. Zum Gang nach Canossa, in die Parteizentrale von Melonis Fratelli d’Italia, war er ohnedies von seinen engsten Mitarbeitern und seinen Kindern gedrängt worden.

Nur wenige Stunden später rezitierte Berlusconi vor den Fernsehkameras eine unabgestimmte Kabinettsliste, als sei er der künftige Premier. Auch seine Wunschkandidatin fürs Justizministerium stand wie durch ein Wunder wieder darauf. Über diesen Punkt gebe es volle Übereinstimmung mit Meloni, behauptete er.

Putin nennt mich den ersten unter seinen fünf wahren Freunden.

Silvio Berlusconi

Doch damit nicht genug: In den nächsten Stunden tauchten immer wieder Tonaufnahmen von Berlusconi aus Sitzungen mit den Abgeordneten seiner Forza Italia auf oder er verbreitete sie gleich direkt vor den Medienleuten.

Einmal rühmte er seine enge Freundschaft mit Wladimir Putin, der ihm zum Geburtstag Ende September „20 Flaschen Wodka mit einem ganz reizenden Brief“ geschickt und ihm versichert habe, „dass ich der erste unter seinen fünf wahren Freunden bin“. Darauf habe er mit einigen Flaschen Lambrusco und einer ebenso lieben Karte gedankt.

Der Ex-Premier wiederholt Kreml-Propaganda

In einem Audio gab er die Kremlversion des Angriffs auf die Ukraine als seine zu Gehör, etwas ausführlicher noch, als er dies bereits vor der Wahl in einer vielgesehenen Talkshow getan hatte: Die Ukraine habe schon vor Jahren die beiden Donbass-Republiken - die tatsächlich Marionettenstaaten Putins sind - angegriffen, Putin habe erst spät auf „Druck aus ganz Russland“ reagiert, als er im Februar die Armee Richtung Kiew schickte.

Und überhaupt habe Putin schließlich nichts anderes gewollt, als die - demokratisch gewählte - Regierung Selenskyj durch ein paar „gute und vernünftige Leute“ zu ersetzen, was leider nicht so rasch gelang wie gewünscht, weil man auf unerwarteten Widerstand der Angegriffenen traf.

Giorgia Meloni zeigt sich immer öfter angespannt. Sie will eine Regierung bilden - und hat mit zwei eifersüchtigen Bündnispartnern zu kämpfen.

© imago/Angelo Carconi

Da fiel schon fast nicht mehr auf, dass Berlusconi sogar den berüchtigten Notizzettel umdeutete, auf dem er Meloni Betragensnoten erteilt hatte: „1. eingebildet 2. überheblich 3. arrogant 4. beleidigend.“ Da habe er doch nur die Meinung anderer über sie aufgeschrieben, behauptete der Ex-Cavaliere.

Wut, Eitelkeit - oder bewusste Inszenierung?

Es gebe ein anderes Blatt von ihm mit seinem eigenen Urteil, „und das ist ganz und gar positiv“. Sie habe ihn ja sogar gebeten, ihn zu beraten - eine Bitte, die nach allem, was man über Meloni weiß, erst recht ins Reich der Legende gehört.

Italien ist voll und ganz Teil Europas und der atlantischen Allianz. Wer mit diesem zentralen Punkt nicht einverstanden ist, kann nicht Teil der Regierung werden. Selbst wenn es dann keine Regierung gibt.

Giorgia Meloni, designierte Ministerpräsidentin Italiens

Das politische Italien, das den Ausfällen des 86-Jährigen ausführliche Faktenchecks widmete, ist noch uneins, ob sie zunehmender Altersschwäche zu verdanken sind, den Schluckbeschwerden, die er mit dem Wahlergebnis hat- nur acht Prozent und statt seiner eine jüngere Frau am Ruder, die 26 Prozent bekam - oder seinem Bedürfnis nach Scheinwerferlicht.

Oder ob er sie bewusst inszeniert. In diesem Fall wäre allerdings wieder über die Gründe zu rätseln. Berlusconi kann eigentlich kein Interesse daran haben, dass die Rechtsregierung schon vor ihrer Entstehung auseinanderfällt. Auch von Neuwahlen hätte er wenig zu erwarten, und mit denen hat Meloni ihm schon mehrfach gedroht.

Mit seinen Reden über die Freundschaft mit Putin gefährdet er sogar die Aussicht, das Amt des Außenministers für seine Forza Italia zu bekommen. Darauf hofft aktuell sein Parteikoordinator, eine Art Generalsekretär der Partei. Antonio Tajani war früher Präsident des Europäischen Parlaments.

Meloni tritt als Geschwächte vor den Präsidenten

Für Meloni wird es jetzt richtig ernst. Am Donnerstag haben die Konsultationen im Palast auf dem Quirinalshügel in Rom begonnen, die jeder Regierungsbildung vorausgehen. Der Staatspräsident empfängt die Parteichef:innen und Spitzen der Parlamentsfraktionen in seinem Amtssitz und vergibt dann den Auftrag zur Regierungsbildung. Meloni und ihre Leute sind für Freitagmorgen eingeladen.

Sie ist, so entschlossen sie sich auch gibt, durch die öffentlich sichtbare Unzuverlässigkeit eines ihrer Juniorpartner bereits geschwächt. Nach Berlusconis Dauershow präsentiert sie sich Präsident Sergio Mattarella zwangsläufig als Chefin eines Bündnisses, dessen einer Teil schon zu Beginn bereit ist, sie zu desavouieren, und der außenpolitisch die Solidarität mit der Ukraine infrage stellt.

Unterdessen schweigt Melonis etwas größerer Partner Matteo Salvini - seine Lega erhielt knapp neun, Berlusconi etwa acht Prozent -, statt ihr gegen Berlusconi zur Seite zu stehen. Und das kurz vor dem ersten „Aufstieg zum Hügel“. Stabilität und Bündnistreue sind nämlich traditionell die ersten Prüfsteine der italienischen Präsidenten, bevor sie einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen.

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