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Mehr Moderator als Minister: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

© dpa

NSU, NPD-Verbotsverfahren und Co.: Hans-Peter Friedrich ist mehr Moderator als Minister

Das Innenressort war nie sein Fach – und ist es auch bis jetzt nicht richtig geworden. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat viel zu beackern vom NSU-Terror bis zu einem möglichen NPD-Verbotsverfahren. Eine Agenda aber verfolgt er nicht.

Nur einmal wird er unterbrochen. Von Applaus. Als der Deutsche Bundestag Anfang November in einer Aktuellen Stunde zusammenkommt, um eine Zwischenbilanz zu ziehen ein Jahr nach dem Auffliegen der rechten Terrorzelle NSU spricht auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Er reißt nicht mit, hält kein flammendes Plädoyer für einen entschiedenen Kampf gegen rechte Gewalt, tritt nicht vehement für absolute Aufklärung ein, er verteidigt aber auch die Sicherheitsbehörden nicht mit aller Härte. Es ist von allem etwas, vorgetragen im Ton eines Sachwalters, der an alles denkt, nichts übersieht, aber auch keine echte Botschaft hat.

Seit über einem Jahr ist Friedrich im Amt. Bald sind es zwei. Richtig angekommen ist er immer noch nicht. Er ist das Ergebnis einer Personalrochade, die notwendig wurde, weil Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zurückgetreten ist, Thomas de Maizière (CDU) ihm nachfolgte und das dadurch vakant gewordene Bundesinnenministerium neu besetzt werden musste. Es musste wegen der koalitionären Arithmetik auch ein Christsozialer sein. So wurde Friedrich, was er nun ist: Ein Innenminister, den es nicht in dieses Amt drängte. Und dieses Amt kann gnadenlos sein. Denn wie sonst vielleicht nur der Verteidigungsminister ist der Innenminister getrieben von der Aktualität. Hinzu kommt ein riesiger Apparat mit Sicherheitsbehörden. Außerdem Landesinnenminister, die mitreden und entscheiden, und die Hoffnung seiner Partei, dass das Innenministerium ein Hort des Konservativen sein möge. All das bekam er voll zu spüren.

Vor allem die Aktualität und das operative Geschäft. Kaum war er im Amt, musste er sich mit dem Auffliegen der rechten Terrorzelle in Deutschland beschäftigen. In der Folge geriet die gesamte deutsche Sicherheitsarchitektur ins Wanken, der Ruf nach Aufklärung wurde immer lauter.

Und auch der nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren. Eigentlich bringt er für all das keine schlechten Voraussetzungen mit. Friedrich gilt als integrativ, ausgleichend, angenehm im Umgang. Selbst die Opposition lobt ihn. Der Grüne Wolfgang Wieland bezeichnete ihn als „Mann ohne Stahl in der Stimme“. Doch sein Vorteil gerät gleichzeitig zum Defizit. In der Koalition grummeln sie über fehlende Leidenschaft für sein Ressort.

Pannen und missglückte Manöver prägen Friedrichs erstes Jahr

Pannen und missglückte Manöver prägen Friedrichs erstes Jahr. Dass im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Akten geschreddert wurden, hat Friedrich weder veranlasst noch gewusst, trotzdem trägt er die Verantwortung für das BfV mit. Im Sommer stehen die Sicherheitsbehörden massiv in der Kritik. Friedrich will handeln, entlässt die Spitze der Bundespolizei, die davon aber aus der Presse erfährt. Er will den Verfassungsschutz reformieren, prescht mit Vorschlägen vor. Ein paar Tage später werden die von den Landesinnenministern – auch denen aus seinem Lager – wieder weitgehend kassiert. Bund und Länder verständigen sich prinzipiell auf ein neues „Gemeinsames Sicherheitszentrum“, Friedrich kündigt die Eröffnung aber an, ohne rechtzeitig die Länder zu informieren. Die bleiben der Einweihung aus Protest fern. Auch abseits des Themas rechter Terror sieht es nicht besser aus. Gegenüber Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kann er sich mit seiner Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung nicht durchsetzen. Sein Ministerium füllt mit dem Streit um ein neues Meldegesetz das Sommerloch. Er startet eine umstrittene Plakatkampagne, veröffentlicht eine ebenfalls kritisierte Migrationsstudie. Jedes Mal wirkt er weniger geleitet von innerer, politischer Überzeugung, als getrieben von Hardlinern im Umfeld.

Und jetzt ein mögliches NPD-Verbotsverfahren. Friedrich ist skeptisch, eigentlich sogar ein Gegner. Er betont die juristischen Risiken und die politischen Folgen. Und doch muss er sich womöglich dem Druck jener Länder beugen, die ein Verbotsverfahren wollen. Er konnte sie nicht von seiner Skepsis überzeugen. Ihm fehlte die Vehemenz. Die Testate, die belegen sollen, dass die gelieferten Informationen für die Beweissammlung gegen die NPD V-Mann-frei seien, hatte er eingefordert. Doch groß soll der Rücklauf dem Vernehmen nach nicht sein. Auch da musste er sich geschlagen geben, erst mal.

Hinzu kommt, dass er zwischen den Fronten steht – in seiner eigenen Partei. Auf der einen Seite Parteichef Horst Seehofer, einer der stärksten Befürworter des NPD-Verbotsantrags, und auf der anderen Seite Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion ist einer der schärfsten Gegner. Dazwischen changiert Friedrich, der wie so oft in seiner Amtsführung mehr Moderator und weniger Minister ist. Dafür bekommt er zwar Lob – von CDU, FDP und auch den Grünen. Gleichzeitig wünschen sich Koalitionäre mehr eigenen politischen Willen von ihm. „Es wäre schön, wenn er eine Agenda verfolgen würde“, sagt ein Innenpolitiker.

Friedrich muss ein Amt bekleiden, das nicht recht zu ihm passt. Und das geprägt war von langjährigen, profilierten und streitbaren Innenpolitikern: Otto Schily (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU). Friedrich ist anders. Nur läuft er Gefahr, dass aus Moderieren Zaudern wird.

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