zum Hauptinhalt
Vor Geldscheinen steht ein Stempel mit dem Schriftzug „Zeitumstellung“.

© Foto: imago images/Steinach

EU-Plan gescheitert: Die Zeitumstellung wurde doch nicht abgeschafft

Wieder ist Winterzeit: Die Zeitumstellung wurde von den Teilnehmern einer EU-Umfrage zwar mehrheitlich abgelehnt, findet aber trotzdem weiter statt. Die EU konnte sich nicht einigen.

Es ging schon mal ohne: Zwischen 1950 und 1979 wurde in Deutschland die Zeit nicht umgestellt. Doch die Ölkrise führte dann 1980 zur Einführung einer Sommerzeit in beiden deutschen Staaten. Das Ziel war, damit im Sommer Energie zu sparen. Seit 1996 sind die bis dahin unterschiedlichen Regelungen EU-weit vereinheitlicht: Ende März werden die Uhren eine Stunde vorgestellt und Ende Oktober – 2022 in der Nacht vom 29. zum 30. Oktober – eine Stunde zurück.

An diesem Verfahren gibt es seit Jahren Kritik. Zwar ist Energiesparen gerade in Zeiten teurer Preise für Strom und Gas ein aktuelles Thema. Gleichwohl hat sich inzwischen die Erkenntnis eingestellt, dass die Zeitumstellung nicht zur Einsparung von Energie beiträgt. Ja, im Sommer werde dadurch weniger Strom für Licht verbraucht, da es auch zu späterer Uhrzeit noch hell ist, im Frühjahr und Herbst werde jedoch dafür in den Morgenstunden mehr geheizt, heißt es beim Umweltbundesamt. Der Effekt hebe sich auf.

Aus Mexiko ist ähnliches zu vernehmen. Dort wurde die Sommerzeit nun abgeschafft und dieses Jahr werden die Uhren zum letzten Mal auf Winterzeit umgestellt. Einen wesentlichen Effekt beim Energiesparen habe es nicht gegeben, heißt es unter anderem in der Begründung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ein wichtiges Argument für die Sommerzeit ist also obsolet geworden. Außerdem bringt jede Zeitumstellung die innere Uhr der Menschen aus dem Takt. Die Folge können Probleme beim Einschlafen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit sein. Vielen Menschen sind die Probleme bewusst. 2018 ergab eine EU-weite Umfrage, dass 84 Prozent der Teilnehmenden ein Ende der Zeitumstellung wünschen.

Winterzeit: Für Ende 2021 wurde die letzte Zeitumstellung in Aussicht gestellt

Das Ende der Winterzeit in Deutschland rückt näher“, schrieb der Tagesspiegel 2019. Das Europaparlament hatte – gestützt auf die Umfrage – dafür plädiert, die Zeitumstellung abzuschaffen. Für Ende 2021 wurde damals die letzte Umstellung in Aussicht gestellt. Von wegen: Auch 2022 besteht die Umstellung fort. In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden die Uhren um drei Uhr nachts auf zwei Uhr zurückgestellt. Und es sieht nicht so aus, als würde in absehbarer Zeit damit aufgehört werden, zweimal jährlich an der Uhr zu drehen.

Eine Ursache liegt in der Konstruktion der EU-Organe. Die Gesetzgebung ist hier nicht alleine die Aufgabe des Parlaments, dessen Abgeordnete von den Bürger:innen gewählt werden. Auch der Rat der Europäischen Union, in dem Minister der einzelnen Mitgliedstaaten versammelt sind, bestimmt mit.

Fotomontage: Zwei Uhren auf Herbstblättern, Symbolfoto für die Rückstellung auf Winterzeit
Fotomontage: Zwei Uhren auf Herbstblättern, Symbolfoto für die Rückstellung auf Winterzeit

© Foto: IMAGO/Christian Ohde

EU-weit wurde eine möglichst einheitliche Lösung gefordert

Grundsätzlich soll es nach dem Willen des Europaparlaments jedem Land selbst überlassen sein, ob es eine dauerhafte Sommer- oder Winterzeit einführt. Damit möglichst wenige Zeitzonen innerhalb der EU entstehen, sollen sich die Minister dem Wunsch des Parlaments nach auf eine möglichst einheitliche Lösung einigen.

Das EU-Parlament hatte ein Koordinierungsgremium aus Vertretern von EU-Kommission und Mitgliedstaaten vorgeschlagen. Doch bereits im Juni 2019 geriet der Plan mit der Abschaffung der Zeitumstellung sichtbar ins Stocken.

Es brauche noch eine intensive Debatte in den EU-Ländern, sagte die niederländische Infrastrukturministerin Cora van Nieuwenhuizen damals am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg. Das EU-Parlament kritisierte das zögerliche Vorgehen, doch gebracht hat es nichts.

Für Deutschland verhandelte der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er und auch die niederländische Ministerin van Nieuwenhuizen spielten den Ball zur EU-Kommission. Sie sollte eine Analyse über die möglichen Folgen der Abschaffung der Zeitumstellung und neuer Zeitzonen erstellen.

Die EU-Kommission lehnte das ab. Im Oktober 2021 beschwerte sich dann Litauens Verkehrsminister Marius Skuodis bei der EU. Er forderte in einem Brief an mehrere EU-Institutionen, dem „veralteten, ineffektiven und schädlichen Zeitumstellungsregime“ ein Ende zu setzen. Eine Wirkung blieb aus.

Passiert ist wenig

Heute, ein Jahr später, sind wir nicht viel weiter. Im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich kein Wort zur Frage der Zeitumstellung. Wirtschaftsminister Robert Habeck, der Nachfolger von Peter Altmaier, hat nichts dazu gesagt. Sein Ministerium antwortete auf eine Tagesspiegel-Anfrage zur Position Deutschlands und dem Zeitplan auf EU-Ebene mit dem Verweis, dass das Initiativrecht zu einer Änderung der Zeitumstellung bei der EU-Kommission liege, dem Exekutivorgan.

Dieses politische Ping-Pong-Spiel fällt in eine Zeit massiver globaler Probleme, mit denen die EU beschäftigt war und ist. Zwischen der Abstimmung zur Zeitumstellung und heute liegen vier Jahre und zwei Krisen, erst Corona und seit Februar 2022 der Ukraine-Krieg. Das bindet politische Kräfte und noch dazu ist eine EU-weite Abschaffung der Zeitumstellung auch inhaltlich gar nicht so einfach zu entscheiden.

Es ist auch gar nicht so einfach mit der einheitlichen Sommer- oder Winterzeit

Um einen Flickenteppich innerhalb Europas zu vermeiden, der Hindernisse für zum Beispiel Verkehr und Wirtschaft bedeuten könnte, müssen sich möglichst viele Länder auf eine permanente Sommer- oder Winterzeit einigen. Doch die Länder haben unterschiedliche Präferenzen – und das durchaus aus gutem Grund, sind doch der Tagesanbruch und die Tageslichtmenge unterschiedlich.

Während südliche Länder das ganze Jahr über recht viel Tageslicht haben, sind die Winter im Norden sehr dunkel. Warum sollte sich ein Land dunklere Tage verordnen, nur um eine gesamteuropäische Lösung mitzutragen?

Nur ein kleiner Teil der Betroffenen hat abgestimmt: Wie wichtig ist das Thema wirklich?

Auch darf ein zumindest leiser Zweifel daran aufkommen, für wie wichtig das Thema Zeitumstellung in Ländern außerhalb Deutschlands genommen wird. Die besagte EU-Umfrage von 2018 mag eine Rekordbeteiligung von 4,6 Millionen Teilnehmenden gehabt haben. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Betroffenen, da 2018 ca. 512 Millionen Menschen in der EU lebten.

Noch dazu kamen rund drei Millionen – und damit fast zwei Drittel – der Abstimmenden aus Deutschland, was deutlich mehr ist, als der Anteil der Deutschen an der EU-Bevölkerung. Womöglich ist die Zeitumstellung also vor allem in Deutschland ein größeres Thema. Jedes Jahr zweimal aufs Neue.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false