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Militäroffensive: PKK im Nordirak gibt nicht auf

Die türkische Armee verstärkt ihre Truppen im Grenzgebiet. Experten erwarten, dass der Einsatz gegen die PKK im Nordirak noch vier bis zehn Tage andauern wird. Die türkische Presse debatiert unterdessen hitzig über Erdogans Kurdenpolitik und die PKK ruft zur Vergeltung auf - in türkischen Städten.

Istanbul - Kurz nach Beginn der türkischen Offensive im Nordirak sind die ersten toten Soldaten in Särgen in ihre Heimat zurückgekehrt. Fünf Soldaten und mehr als 40 PKK-Kämpfer kamen nach Angaben der türkischen Armee bei heftigen Gefechten auf irakischem Boden ums Leben. Auch am Samstag gingen die türkischen Verbände weiter gegen Stützpunkte der Kurdenorganisation im türkisch-irakisch-iranischen Dreiländereck vor. Die PKK-Führung sei „in Panik“ geraten und fliehe weiter Richtung Süden, in den Irak hinein, erklärte der Generalstab in Ankara.

Bei ihrem Vormarsch durch die Berge Nordiraks zerstörte die türkische Armee nach eigenen Angaben viele Verstecke der PKK, in denen Munition und Vorräte gelagert wurden. Am Samstagmorgen nahm die türkische Artillerie die Region um die irakische Stadt Amadia, rund 20 Kilometer südlich der Grenze, unter Beschuss. Auf der türkischen Seite der Grenze fuhren am Samstag weitere Soldaten Richtung Kampfgebiet. Der Generalstab bekräftigte, die Offensive mit mehreren tausend Soldaten werde beendet, sobald alle Ziele erreicht worden seien.

Die PKK bestritt eigene Verluste. Ein Sprecher der Kurdengruppe sagte, wenn die türkischen Angriffe nicht aufhörten, werde die PKK „das Kampfgebiet in die Herzen der türkischen Städte“ verlagern. Der türkische Nachrichtensender NTV schätzte die Dauer der Offensive auf drei bis vier Tage, andere Beobachter gehen von zehn Tagen aus.

Weder die Drohungen der PKK noch die bereits erlittenen und noch absehbaren Verluste der Armee können derzeit aber die breite öffentliche Unterstützung für die Militäraktion in der türkischen Öffentlichkeit schmälern. „Wie ein Hammer“ sei die Armee gegen die PKK vorgegangen, hieß es in einer Zeitungsschlagzeile am Samstag. Alle Parteien im Parlament mit Ausnahme der kurdischen DTP begrüßten die Offensive, die den Codenamen „Günes“ trägt: „Günes“ (Sonne) heißt die kleine Tochter eines kürzlich getöteten Soldaten. Auch aus dem Ausland erhielt die Türkei Unterstützung. US-Außenministerin Condoleezza Rice erklärte, die USA seien in Sachen PKK „absolut solidarisch“ mit der Türkei.

Trotz aller nationalistischer Triumphgefühle in einem Teil der Medien – eine Zeitung bezeichnete die Offensive als „Großreinemachen“ – verschafften sich am Samstag aber auch viele nachdenkliche Stimmen Gehör. Selbst die Führung der Armee wisse, dass der Kampf gegen den Terror mit militärischen Mitteln allein nicht zu gewinnen sei, kommentierte die pro-europäische Zeitung „Radikal“. Deshalb müsse jetzt das Parlament eine politische Lösung angehen. Die Boulevardzeitung „Sabah“ forderte wirtschaftliche, juristische und soziale Reformen für die Kurden sowie ein Amnestiegesetz, das zumindest einem Teil der PKK-Kämpfer eine Rückkehr ins normale Leben ermöglichen solle.

Viele dieser Vorschläge sind schon seit langem in der Diskussion, ohne dass die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bisher gehandelt hätte. Die derzeitige Offensive biete nun aber eine „historische Chance“ dafür, kommentierte „Sabah“. Der breite Konsens für neue politische Initiativen erklärt sich auch aus der Tatsache, dass niemand in der Türkei ernsthaft glaubt, die PKK könne mit Hilfe der derzeitigen Offensive endgültig besiegt werden. „Wenn jemand erwartet, dass ein mehr als 30 Jahren bestehendes Problem mit einer einzigen Militäraktion beendet werden kann“, schrieb der Kolumnist Rusen Cakir, „dann belügt er sich selbst.“ Auch die Bagdader Regierung verwies auf den schwachen Erfolg früherer Einsätze. Die kurdische Autonomieregierung im Nordirak beschuldigte die USA, die türkischen Angriffe erst möglich gemacht zu haben.

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