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Annette Kurschus äußert sich wie ihr Vorgänger auch zu politischen Themen.

© imago/epd/IMAGO/Heike Lyding

Ratsvorsitzende Kurschus: Die Evangelische Kirche geht auf Distanz zur CDU

Die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus kritisiert in ihrem jährlichen Bericht die aktuelle Migrationsdebatte. „Ich lasse mir die Barmherzigkeit nicht ausreden“, sagte sie.

Grenzkontrollen, Abschiebungen im großen Stil und ein paar Piesackereien, die Flüchtlingen das Leben schwerer machen sollen, lösen nichts – sie lösen lediglich noch mehr Ressentiments aus.“ Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die westfälische Präses Annette Kurschus, wurde am Sonntag deutlich – und stellte sich gegen Forderungen, die in den letzten Monaten vor allem aus den Reihen der Christdemokraten kamen.

CDU-Chef Friedrich Merz, aber auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), der bekanntlich vor seinem Wechsel in die Politik evangelischer Pfarrer war, hatten sich in den letzten Monaten immer wieder für Grenzkontrollen ausgesprochen. Doch vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, die noch bis zum Mittwoch in Ulm tagt, ging Kurschus auf Distanz.

In ihrem jährlichen Bericht vor den 120 Mitgliedern des evangelischen Kirchenparlaments, die die noch 19,1 Millionen Protestanten in Deutschland vertreten, kritisierte die Ratsvorsitzende, dass in der Migrationsdebatte von Zahlen gesprochen, „als ginge es um eine mittelschwere Matheaufgabe.“ Wer von Migration rede, rede aber von Menschen. „Ich jedenfalls lasse mir die Barmherzigkeit nicht ausreden und werde andere weiterhin an die Barmherzigkeit erinnern.“

Die Hamas ist eine tödliche Geißel für die leidenden Menschen in Gaza.

Annette Kurschus, EKD-Ratsvorsitzende

Sie wisse aber auch, dass „vielerorts den Kommunen Geld, Personal, Planstellen und Plätze fehlen“, sagte Kurschus. „Ich habe höchsten Respekt vor allen, die in Behörden und Ämtern, in Kitas und Schulen und im Ehrenamt mit Fantasie und Pragmatismus und Menschenfreundlichkeit das Beste aus dieser angespannten Situation machen.“ In den vergangenen Jahren war Kurschus, die seit 2021 an der Spitze des Rates der EKD steht, eher für geistlich geprägte Ratsberichte bekannt geworden. Am Sonntag indes knüpfte sie fast nahtlos an ihren Vorgänger Heinrich Bedford-Strohm an, der als „öffentlicher Theologe“ ebenfalls politische Grundsatzpositionen in das Zentrum seiner Berichte stellte.

Kurschus zeigte sich wütend über einen aktuellen Missbrauchsfall

So tauchten auch der Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel und die öffentlichen Reaktionen darauf an prominenter Stelle im Bericht der Ratsvorsitzenden auf. Jeder Versuch, diesen Überfall zu relativieren, sei Antisemitismus. „Jedes ,Ja, aber’ verharmlost“, betonte Kurschus, die in den letzten Wochen an zahlreichen Solidaritätsveranstaltungen für Israel teilnahm. Die Hamas sei eine antisemitische Terrororganisation, die jüdisches Leben austilgen will, wo immer es ihr begegnet, sagte Kurschus. „Sie ist eine tödliche Geißel für die leidenden Menschen in Gaza.“

Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, seine Bevölkerung zu schützen, die Bedrohung durch die Hamas zu bekämpfen und die Geiseln aus der Gefangenschaft zu befreien. Es sei aber keine Entsolidarisierung mit Israel, wenn man nun auch humanitäre Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza fordere.

Vor Journalisten zeigte sich Kurschus zudem „wütend“ über einen aktuellen Missbrauchsfall im Kirchenkreis Siegen, den sie bis 2012 als Superintendentin leitete. Die „Siegener Zeitung“ hatte am Wochenende vom Fall eines Missbrauchstäters aus dem Kirchenkreis berichtet, der zahlreiche Minderjährige sexuell missbraucht haben soll.

Kurschus sagte vor Journalisten, dass sie den Fall seit Anfang des Jahres kenne. Der Täter sei ihr aus ihrer Zeit in Siegen bekannt. „Insofern haben Sie vielleicht eine Ahnung, wie wütend ich bin, das jetzt über eine Person zu erfahren, von der ich bislang nur ein anderes Gesicht wahrgenommen habe.“

Am Dienstag wird der weitere Umgang mit dem sexuellen Missbrauch auf der Tagesordnung der Synode stehen. Auf seiner Tagung will sich das evangelische Kirchenparlament mit dem Thema „Sprach- und Handlungsfähigkeit im Glauben“ beschäftigen.

So soll eine Studie vorgestellt werden, die sich mit dem Verhältnis der Kirchenmitglieder zu ihrer Kirche beschäftigt, und auch Antworten auf die Frage geben will, warum in den letzten Jahren Menschen in großer Zahl aus der Kirche ausgetreten sind. Gut möglich, dass dabei auch die politischen Positionen der Leitungskräfte ein Thema werden.

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