zum Hauptinhalt
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

© AFP/John Thys

Scheinriese Boris Pistorius?: Die Union sieht in ihm den „Meister des Organisationschaos“

In den nächsten Tagen will Verteidigungsminister Pistorius seine Bundeswehrreform präsentieren. Die Union kritisiert, dass ihm bisher nicht einmal die Reform seines eigenen Hauses gelungen sei.

Für die Zeit um Ostern ist im Verteidigungsministerium eine Menge geplant. Hausherr Boris Pistorius kündigt schon eine ganze Weile an, dass er intern bis dahin einerseits Vorschläge für eine Art Musterungspflicht wie in Schweden und andererseits für eine große Bundeswehrreform vorgelegt bekommen will.

Es geht um neue Strukturen, mit denen die Truppe wieder vorrangig auf die Bündnis- und Landesverteidigung ausgerichtet wird. Sie macht erneut große Verbände und nicht mehr individuell für bestimmte Auslandseinsätze zusammengestellte Kontingente erforderlich. Der Minister will der Öffentlichkeit seine Pläne dem Vernehmen nach direkt in der Woche nach den Feiertagen vorstellen.

Auch die Union als größte Oppositionsfraktion im Bundestag kommt nicht umhin, anzuerkennen, dass Pistorius mit seiner zupackenden Art zum „Liebling aller Umfragen“ geworden ist, wie der für die Verteidigungspolitik zuständige Haushaltspolitiker Ingo Gädechens feststellt. Zugleich will er auf Kratzer im Bild vom großen Reformer hinweisen: „Die Erfahrungen des vergangenen Jahres lassen Böses für die zu Ostern angekündigte Reform der Streitkräfte erahnen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ankündigung vs. Realität

Fest macht das der CDU-Politiker an dem, was Pistorius schon angepackt hat – beziehungsweise haben will. Der seit Januar 2023 amtierende Verteidigungsminister baute nach seiner Lesart erst die Führungsspitze um, ehe er sich den Abteilungen des „aufgeblähten“ Ministeriums mit 3000 Stellen widmete und über 200 für entbehrlich erklärte, da deren Arbeit in nachgelagerten Behörden erledigt werden könne.

„Klang gut – war es nur leider nicht“, sagt Gädechens. Er beklagt eine „Diskrepanz zwischen Ankündigung und Realität bei der Entschlackung des Ministeriums“.

Die Ansage hatte Pistorius auf der Bundeswehrtagung Anfang November gemacht. Damals hieß es in einem Mitarbeiterbrief, das Bundesministerium der Verteidigung, kurz BMVg, werde die neue Struktur, von der mehr als 1000 Posten direkt oder indirekt betroffen seien, „bis zum 01.01.2024 einnehmen“.

Reorganisiert der Minister die Streitkräfte wie sein Ministerium, werden wir vom Prädikat ,kriegstüchtig‘ weiter entfernt sein als je zuvor.

Der CDU-Politiker Ingo Gädechens über Boris Pistorius

Als Gädechens im Januar nachfragte, warum das nicht der Fall sei, antwortete ihm der parlamentarische Staatssekretär Thomas Hitschler, dass wegen „eventuell zu berücksichtigender Beiträge der Personalvertretungsgremien“ nun „der 1. Februar 2024 zur organisatorischen Umsetzung der Reorganisation BMVg avisiert“ werde.

Zu diesem Datum wurde tatsächlich ein neues Organigramm veröffentlicht und die Reorganisation für „abgeschlossen“ erklärt. Konkret benannt und besetzt sind die neuen Arbeitseinheiten aber noch nicht, wie eine erneute Nachfrage ergab. Am 20. März antwortete diesmal die parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller, der Umbau sei zwar „organisatorisch umgesetzt“, die damit verbundene Personalrochade aber „aktuell noch nicht abgeschlossen“: „Für den 1. April 2024 ist die Veröffentlichung des Organigramms mit den etablierten Details vorgesehen.“

„Pistorius will sich als Macher verkaufen – und muss immer wieder einräumen, dass die Frohbotschaften keine Substanz haben“, lautet deshalb das harte Urteil von CDU-Politiker Gädechens über Pistorius. Der Minister habe „sein Haus nicht im Griff“ und sei entgegen der öffentlichen Wahrnehmung „nicht der Meister des Anpackens, sondern der Meister des Organisationschaos“. 

Wirklich eine Verschlankung?

In diese Kategorie fällt für den CDU-Mann auch der Planungs- und Führungsstab, mit dem im Juni der interne Umbau begonnen und in der Selbstdarstellung eine „signifikante strukturelle Verschlankung im Leitungsbereich des Ministeriums erreicht“ wurde.

Ob die Abläufe damit einfacher wurden, soll eine Evaluierung im Juni ergeben – danach soll auch der Umgang des Stabes überprüft werden. Bisher nämlich wurde die Leitungsebene vergrößert. Sie umfasst jetzt nach Ministeriumsangaben 342 Dienstposten. Vor dem Umbau waren es 246 zuzüglich der 57 Dienstposten des sogenannten Leitungszentrums, das im neuen Stab aufging, also insgesamt 303.

Das Ministerium sieht durchaus eine Verschlankung und Vereinfachung. So ist nach Angaben von Staatssekretärin Möller beispielsweise die Zahl der Dienstposten aller Staatssekretärsbüros von 62 auf 36 reduziert worden. Der „nominelle Aufwuchs“ des Stabes wurde von ihr mit Schreiben vom 20. März damit begründet, dass unteren anderem auch Lagezentrum und Sonderstab Ukraine in das neue Leitungsgremium eingegliedert worden seien.

Der Haushälter der Union hat dennoch einen Zuwachs um 13 Prozent errechnet und sagt über Pistorius: „Statt eine von ihm verkündete Verschlankung des Leitungsbereiches durchzusetzen, pumpt er immer mehr Mitarbeiter in den Wasserkopf.“

So blickt Gädechens auch mehr als skeptisch auf die nächste Bundeswehrreform: „Reorganisiert der Minister die Streitkräfte wie sein Ministerium, werden wir vom Prädikat ,kriegstüchtig‘ weiter entfernt sein als je zuvor.“  

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false