zum Hauptinhalt

Steuerpolitik: Die Grünen steuern behutsam um

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Parteichefin Claudia Roth deuten an, der schwarz-gelben Koalition bei der steuerlichen Entlastung der Bürger zu helfen – und fordern so die SPD heraus. Die Sozialdemokraten wollen vorerst hartnäckig bleiben.

In der Koalition keimt Hoffnung, in der SPD der Ärger. Die Grünen wollen sich nämlich in der Steuerpolitik möglicherweise etwas von den Sozialdemokraten absetzen und Schwarz-Gelb vielleicht etwas weiter entgegenkommen, als das zwischen den Oppositionsparteien bisher verabredet ist. Es geht um das Vorhaben der Bundesregierung, durch die stufenweise Erhöhung des Grundfreibetrags um 350 Euro und eine Anpassung der Progression den Bürgern eine kleine Steuerentlastung zukommen zu lassen. Das Gesetz steht am kommenden Freitag im Bundesrat zur Abstimmung – da Schwarz-Gelb dort keine Mehrheit hat, geht es darum, ob der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft oder die Bundesregierung das tun muss. Ein Vermittlungsverfahren wird es aber wohl geben.

Die SPD hatte vor, sich sperrig zu geben. Nun aber signalisieren die Grünen, gegebenenfalls der Koalition entgegenzukommen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte an, über die „kalte Progression“ reden zu wollen – also jenen Effekt überproportional steigender Steuerlast bei Einkommenszuwächsen, den die Koalition dämpfen möchte. Grünen-Chefin Claudia Roth legte nach mit der Bemerkung, ihre Partei sei offen für Nachverhandlungen bei dem Gesetz. In der Koalition wird das schon als Einschwenken der Grünen auf schwarz-gelbe Vorstellungen gefeiert – vermutlich etwas zu früh.

Immerhin geht damit die Blockierphase über in die Phase der mühsam abzuringenden Zugeständnisse auf beiden Seiten, denn das Vermittlungsverfahren könnte ein Weilchen dauern. Auch wenn es nur um die relativ überschaubare Summe von 6,1 Milliarden Euro geht. Und auch wenn eine Erhöhung des Grundfreibetrags ohnehin kommen wird, weil er regelmäßig nach oben angepasst werden muss, denn das steuerfreie Minimum wächst natürlich mit der Inflation. Und selbst die Tatsache, dass der Bund die Steuerausfälle zum großen Teil selber tragen will, die Länder also direkt nicht so stark betroffen sind und für ihre Ausfälle einen Teilausgleich bekommen sollen, hält die Opposition im Bundesrat nicht von weiteren Verhandlungen ab. Die Zeit drängt allerdings auch nicht: Die Erleichterungen sollen ohnehin erst 2013 und 2014 wirksam werden.

Kretschmann und Roth erwarten Zugeständnisse der schwarz-gelben Koalition vor allem beim Spitzensteuersatz. Das ist auch die Linie der SPD – die Entlastungen für Klein- und Mittelverdiener sollen so kompensiert werden. Die rot-grüne Generallinie lautet seit längerem, dass Steuerentlastungen angesichts der Finanzkrise und der Schuldenbremse eigentlich nicht möglich seien. Es sei denn, es wird gegenfinanziert. In einem für das Vermittlungsverfahren eingebrachten Antrag fordern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Brandenburg und Hamburg, den Spitzensteuersatz ab einem Einkommen von 100 000 Euro auf 49 Prozent anzuheben. Bisher liegt er bei 42 Prozent und greift ab knapp 52 900 Euro – oder bei 45 Prozent bei einem Einkommen ab gut 250 000 Euro („Reichensteuer“). Kretschmann hat darüber hinaus gefordert, dass die Summe der Steuereinnahmen nicht sinken dürfe.

In der SPD-Bundestagsfraktion gibt man sich angesichts des Vorpreschens der Grünen gelassen: Die gemeinsam verabredete Linie habe in der Sache weiterhin Bestand, heißt es. Die baden-württembergische SPD aber ärgert sich vernehmlich. Die Stimmung ist nämlich nicht so gut bei Grün-Rot im Südwesten. SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel betonte daher die Parteilinie, dass nur die gebotene Erhöhung des Grundfreibetrags infrage komme. Mehr nicht. Im Übrigen sei eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes schon „eingepreist“ bei der Konsolidierung des Landesetats, stehe also nicht für Steuersenkungen zur Verfügung. Freilich muss man wohl oder übel mit Schwarz-Gelb verhandeln, wenn man eine solche Erhöhung haben möchte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false