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Janine Wissler ist seit 2021 Parteivorsitzende der Linken.

© Imago/Christian Spicker

Streit um Wagenknecht: Kann Wissler die Linke zusammenhalten?

Der Parteivorstand sagt sich von Wagenknecht los. Aus deren Lager kommt scharfe Kritik – auch Rücktrittsforderungen. Nun verteidigt Linke-Chefin Wissler sich und ihren Beschluss.

Janine Wissler versucht es mit klassischen linken Positionen. Die Asylreform der EU? „Ein Anschlag auf die Menschenrechte“, findet die Linken-Chefin. Die Luftwaffenübung „Air Defender“? Unverantwortliches „militärisches Säbelrasseln“.

Wissler gibt am Montagmittag ein Statement. Eine Viertelstunde redet sie zunächst, nur nicht über eine Person: Sahra Wagenknecht. Wissler spricht lieber darüber, dass es in den letzten Tagen „bemerkenswert viele Neueintritte“ in die Partei gegeben habe. Das habe womöglich mit der Asylrechtsverschärfung zu tun, „vielleicht auch mit einem Beschluss vom Wochenende“, meint sie wolkig.

Der Parteivorstand hatte am Wochenende klargemacht, dass es für Wagenknecht keinen Platz mehr in der Partei gibt und dass sie und ihre Anhänger ihre Bundestagsmandate zurückgeben sollen. Um das Thema kommt Wissler am Montag freilich am Ende nicht herum. Denn an der Entscheidung des Linken-Vorstandes gibt es scharfe Kritik. Und die Frage steht im Raum: Kann Wissler die Partei zusammenhalten?

Wissler ist seit 2021 Parteivorsitzende. Der erste Teil ihrer Amtszeit wurde überschattet von der Kontroverse um Sexismus innerhalb der Linken. Ihre Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow trat in dieser Zeit zurück. Mittlerweile führt Wissler die Partei gemeinsam mit Martin Schirdewan. Doch die Linke kommt nicht zur Ruhe. Das liegt an Sahra Wagenknecht, die seit Monaten damit kokettiert, eine eigene Partei zu gründen. Letzte Woche erst bekräftigte sie in der „Welt“, Gespräche dazu zu führen.

Rücktrittsforderungen gegen Wissler

Nachdem der Parteivorstand am Wochenende klargemacht hatte, dass die Zukunft der Linken eine ohne Wagenknecht sei, gab es aus den Reihen der Wagenknecht-Unterstützer Rücktrittsforderungen gegen Wissler und Co. Die wies Wissler am Montag zurück. Sie verteidigte den Beschluss.

Die Partei habe sich in den letzten Monaten zu sehr mit sich selbst beschäftigt. „Mit dem Beschluss vom Wochenende wollen wir Mitglieder zurückgewinnen und die Verunsicherung bei den Wählerinnen und Wählern beenden“, sagte Wissler. Sie nehme eine breite Unterstützung für den Anti-Wagenknecht-Beschluss wahr.

Doch aus der Fraktion und ihrer Spitze war harte Kritik gekommen. Auch Gesine Lötzsch, direkt gewählte Berliner Bundestagsabgeordnete, kritisiert das Vorgehen. Lötzsch sagte dem Tagesspiegel: „Eine Selbstzerfleischung stärkt die Rechten.“ Gegenseitige Aufforderungen zu Mandatsrückgaben und Rücktritten würden nicht weiterhelfen. „Ich rate zur Besonnenheit.“

Lötzsch ist eine von drei direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der Partei. Nur wegen dieser drei Direktmandate konnte die Linke überhaupt in den Bundestag einziehen. Die 61-Jährige warnt zusammen mit Gregor Gysi und dem dritten direkt gewählten Abgeordneten, Sören Pellmann, schon länger vor einem Zerfallen der Partei durch den Streit über Wagenknecht. Lötzsch sagt: „Wenn wir die Menschen davon überzeugen wollen, mit uns die Gesellschaft zu verändern, müssen wir beweisen, dass wir uns untereinander inhaltlich vernünftig verständigen können.“

Existenz der Fraktion in Gefahr

Der Parteivorstand hat Wagenknecht und ihre Mitstreiter außerdem dazu aufgefordert, ihre Mandate zurückzugeben, damit andere Abgeordnete nachrücken können. Doch durchsetzen können Wissler und Co. das nicht. Das weiß die Linken-Chefin auch. Sie habe ein „politisches Signal“ setzen wollen, sagt sie.

Das Problem ist: Wenn Wagenknecht und ihre Leute wirklich eine Partei gründen und aus der Linken-Fraktion austreten, dann würde das mit großer Wahrscheinlichkeit das Ende der Fraktion bedeuten. Wissler ließ durchblicken, dass versucht werde, das als Druckmittel zu nutzen. Sie verwies auf Mandatsträger, die sagten, sie würden sich davon abhalten lassen, eine konkurrierende Partei zu planen, wenn nur die Linke ihren Kurs verändere. „Wir lassen uns nicht erpressen“, sagte die Linken-Chefin.

Auch was den Erfolg eines möglichen Wagenknecht-Projekts anbelangt, gab sie sich entspannt. Potenziale müsse man ja auch ausschöpfen. Und ob es sich bei dem Projekt wirklich um eine linke Partei handeln werde, müsse man ja noch sehen. Wissler erklärte, sie glaube nicht, dass es die Linke zerreißen würde.

Doch so entspannt, wie sich die Parteichefin am Montag auch gibt: Sie steht massiv unter Druck. Die Fraktionschefin im Bundestag, Amira Mohamed Ali, hatte den Anti-Wagenknecht-Beschluss scharf kritisiert. Sie halte die Entscheidung für einen „großen Fehler“, erklärte sie am Wochenende. An diesem Dienstag wird die Linke bei ihrer Fraktionssitzung darüber diskutieren. Es dürfte hitzig werden.

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