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Am 17. Juni 1953 demonstrieren Berliner mit wehenden Fahnen gegen die DDR-Verhältnisse.

© picture alliance / dpa

Streit um DDR-Erbe: Bundestag uneins über den 17. Juni

Sowohl Ampel als auch Union wollen einen Härtefallfonds für SED-Opfer – doch ein gemeinsamer Antrag scheiterte. Auch sonst zeigten Spannungen in der Debatte.

Mehr als eine Generation nach dem Mauerfall ist das Erbe der DDR umstritten: Das zeigt sich in der Bundestagsdebatte zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes am 17. Juni. Die Ampel-Parteien SPD, FDP und die Grünen hatten vor der Debatte mit der Union an einem gemeinsamen Antrag gearbeitet, aber dann zwei getrennte Anträge eingebracht.

„Sie dokumentieren mit Ihrer langen Liste an Forderungen 16 Jahre Unfähigkeit der Kanzlerschaft unter Merkel, diese Themen zu lösen“, sagte Katrin Budde, kulturpolitische Sprecherin der SPD. Dass die Union in ihrem Antrag ihr eigenes „Festhalten“ am 17. Juni als Feiertag in der frühen Bundesrepublik betont, nannte Budde „Geschichtsklitterung“.

Schließlich habe die SPD diesen Feiertag initiiert. Außerdem habe nur der Milliardenkredit des ersten Kabinetts unter Bundeskanzler Kohl die DDR 1983 vor der Pleite bewahrt – und damit sechs weitere Jahre Diktatur ermöglicht.

Auch hier soll die KI eine Rolle spielen

Beide Antragspapiere decken sich in vielen Punkten, etwa dem geplanten „Forum Opposition und Widerstand 1945–1990“ an der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg oder der Etablierung eines Härtefallfonds für SED-Opfer, den die Ampel auf Unions-Initiative in ihren Antrag aufnahm. Auf ihn hatte die Bundesbeauftragte für SED-Opfer, Evelyn Zupke, am Vortag im Kulturausschuss bereits gedrängt.

Ich lasse mir von Ihnen meine Geschichte bestimmt nicht vorwerfen.

Detlef Müller, SPD, gegen die AfD-Fraktion

Allerdings enthält der Unions-Antrag weitere Punkte wie Witwenregelungen für SED-Opferrenten, eine Beschleunigung der Planung des vorgesehenen Mahnmals für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft sowie die Rekonstruktion vernichteter Stasi-Akten durch „KI-unterstützende Verfahren“.

Vertreter der Union gingen auf Buddes Kritik kaum ein. Die CDU-Abgeordnete Christiane Schenderlein erklärte, den Härtefallfonds habe die Ampel „bisher nur angekündigt“, dabei litten viele SED-Opfer noch immer massiv.

„Eine traurige binäre Logik“, nach der „Ostdeutsche entweder Faschisten oder Kommunisten“ seien, kritisierte die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg. Die Mehrheit von ihnen wolle, „damals wie heute“, den Rechtsstaat.

Sie positionierte sich auch in der aktuellen Debatte um Bücher wie Dirk Oschmanns „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ und Katja Hoyers „Diesseits der Mauer: Eine neue Geschichte der DDR“. Die DDR sei „keine Fußnote der deutschen Geschichte und keine Regionalgeschichte der Ostdeutschen“. Die Stasi, die Mauer, der staatliche Unterdrückungsapparat seien keine „Details“ der DDR gewesen, sondern ihr „Wesensmerkmal“.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken Dietmar Bartsch wollte den 17. Juni auch als „Aufstand der Arbeiterklasse“ verstanden wissen. „Eine Schlussfolgerung aus dem 17. Juni wurde auch im Westen nie gezogen: Das, was der 17. Juni auch war, ein politischer Streik, genau das gilt in Deutschland bis heute als nicht zulässig.“

Diese Deutung „zeigt, dass Sie immer noch die Rechtsfolge der SED-Partei sind, die dies mitzuverantworten hat“, schoss der CDU-Abgeordnete Sepp Müller. „Sie sind keine Freiheitspartei, Sie sind die Partei der Tyrannei.“

AfD-Vertreter stellten immer wieder Parallelen zwischen der Situation in der DDR und heute her. Ihr kulturpolitischer Sprecher Marc Jongen verglich „Genderideologie“ und „dirigistische Eingriffe“ des Staates in die Wirtschaft mit der DDR-Führung. Nachdem er über seine systemtreuen Eltern in der DDR erzählt hatte, reagierte Detlef Müller, stellvertretender SPD-Fraktionschef, in seiner Rede auf einen Einwurf aus AfD-Richtung emotional: „Ich lasse mir von Ihnen meine Geschichte bestimmt nicht vorwerfen.“

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