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Rechter Spott. Die NPD kommentiert die Auseinandersetzung in der Regierung mit dem Hinweis, dass die zeitweise geschlossen wirkende Front der Verbotsbefürworter nun offenbar bröckele.

© Karsten Hennig / Keystone

Antrag für Parteienverbot: Taktik statt Taten beim NPD-Verbot

Die FDP will keinen Antrag gegen die NPD. Und die Kanzlerin beugt sich dem Koalitionsfrieden. Dabei hatte es zwischendurch so ausgesehen, als wollte die Regierung dem Bundesrat das Feld nicht allein überlassen.

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Am Ende war der Kanzlerin die NPD nicht wichtig genug, um noch einen Streit in der Koalition zu führen. Angela Merkel habe bei der FDP „nicht mit allerletzter Kraft“ für einen Antrag der Bundesregierung auf ein Verbot der NPD geworben, hieß es am Montag in Regierungskreisen. Das hat die FDP gespürt und genutzt. „Die FDP will den Widerstand gegen ein Verbotsverfahren zu einem populären Thema machen“, sagte ein Insider, „nach dem Motto: ,Seht her, wir sind die letzte Stimme der Vernunft’“.

Dabei waren die Liberalen gar nicht so betonhart, wie es jetzt scheint. Aus der Riege der FDP-Minister gab es Signale, zur Not werde man einen Antrag der Bundesregierung mittragen. Kurz darauf, es war Ende Februar, gab Merkel im Bundestag dem Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Marschrichtung vor: ein eigener Antrag der Regierung sei unumgänglich, man dürfe den Bundesrat nicht alleine lassen – und die widerspenstige FDP solle überzeugt werden. Doch dafür kämpfen wollte die Kanzlerin dann nicht.

Aus mehreren Gründen: Merkel selbst sieht ein Verbotsverfahren skeptisch, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte höchstwahrscheinlich ein Verdikt des Bundesverfassungsgerichts gegen die NPD streng prüfen würde. Für die Richter in Karlsruhe ist die Verhältnismäßigkeit eines Verbots ein wesentlicher Maßstab. Die NPD hat im Februar bei der Wahl in Niedersachsen nur 0,8 Prozent erreicht. Damit lag sie seit 2009 bereits zum fünften Mal in einem westdeutschen Bundesland unter einem Prozent. Und das tut auch finanziell weh: Der Staat erstattet dann keine Wahlkampfkosten.

Merkel weiß zudem, dass Teile der Unionsfraktion wie auch Bundesminister von CDU und CSU das Risiko ablehnen, wie schon 2003 erneut in Karlsruhe zu scheitern. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich gegen ein Verbotsverfahren ausgesprochen, Friedrich gibt bereits seit Monaten seine Skepsis kund. Dennoch bemühte sich Friedrich, Merkels Kurs offensiv zu vertreten. Am 25. Februar sagte der Minister in einer Sitzung der CSU- Landesgruppe, es sei unumgänglich, dass die Bundesregierung sich mit einem eigenen Verbotsantrag am Verfahren beteilige. Tags darauf ruderte Friedrich jedoch etwas zurück und verkündete, es gebe „keine Festlegung“.

Die Wortwahl hatte offenbar das Kanzleramt vorgegeben – angesichts des Protests, den Friedrich mit seiner Äußerung bei der FDP ausgelöst hatte. „Es gibt keine abschließende Haltung der Bundesregierung“, erklärte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie hält von einem Verbotsverfahren nichts – wie schon 2001, als sich die FDP dem Drängen der rot-grünen Regierung Schröder widersetzte, einem Verbotsantrag zuzustimmen. Nach dem Wutausbruch der Justizministerin habe Merkel, wie es ihre Art sei, noch einmal die taktischen Vor- und Nachteile eines Verbotsantrag der Regierung abgewogen, heißt es in der CDU. Das Argument, die Union dürfe im Bundestagswahlkampf der vehement für ein NPD-Verbot trommelnden SPD keine offene Flanke bieten, habe sich angesichts des Widerstands der FDP gegen ein Verfahren „relativiert“. Die Kanzlerin habe vor der Alternative gestanden: Wahlkampfrisiko oder Koalitionsstreit, bis in den Wahlkampf hinein. Dafür sei die NPD nicht wichtig genug, heißt es in Regierungskreisen. Die Mehrheit der Bundesbürger habe andere Sorgen als das Gerangel um ein Verbot der kleinen rechtsextremen Partei, die auch im Osten an Boden verliert.

Paradoxerweise konnte Merkel vor der FDP zurückweichen, weil die CSU kein großes Geschrei androhte. Obwohl sich Parteichef Horst Seehofer im Bundesrat lange und laut für ein Verbotsverfahren engagiert hat, signalisierte er kürzlich der Kanzlerin, die Bundesländer seien stark genug, auch alleine zum Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Hätte Seehofer auf einem Antrag der Bundesregierung bestanden, wäre Merkel in die Verlegenheit geraten, sich doch mit der FDP anlegen zu müssen und wieder ein Bild schwarz-gelber Zerstrittenheit zu bieten. Das wäre nach dem Kalkül der Kanzlerin offenbar schlimmer, als nun die Länder zu düpieren, auch die CDU-geführten. Aber die sind sich beim Thema NPD-Verbot auch nicht einig. Hessen will das Verfahren nicht. Wie sich nun der Bundestag entscheidet, ist offen. Selbst bei Grünen und Linken gibt es viel Skepsis.

Die NPD freut sich. Es sei zu beobachten, „wie die zeitweise geschlossen wirkende Front der Verbotsbefürworter weiter bröckelt“, teilte Parteisprecher Frank Franz am Montag süffisant mit.

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