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Bundeskanzler Olaf Scholz (r.) und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei der Pressekonferenz im August 2022

© AFP/Jens Schlueter

Update

Trotz Einordnung als Volksverhetzung: Regierung will Abbas’ Rede weiterhin verbreiten

Laut Berliner Generalstaatsanwaltschaft sind Aussagen des Palästinenserpräsidenten zum Holocaust strafbar. Trotzdem sollen sie im Wortlaut auf der Regierungs-Webseite bleiben - dauerhaft.

Obwohl die Berliner Generalstaatsanwaltschaft Aussagen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei einer Pressekonferenz in Berlin für eine strafbare Volksverhetzung hält, will die Bundesregierung die umstrittenen Sätze weiterhin auf ihrer Webseite „bundesregierung.de“ für die Öffentlichkeit verfügbar halten.

Die vollständige Veröffentlichung des Protokolls sei „für die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Regierungshandelns wichtig“, betonte ein Regierungssprecher auf Anfrage. In der Mitschrift würde zudem „in deutlicher Form und grafisch hervorgehoben“ darauf hingewiesen, dass die Regierung Abbas’ Aussagen verurteile.

Eine schriftliche Distanzierung im Protokoll gab es erst sechs Tage später

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte am Montag mitgeteilt, es würden keine Ermittlungen gegen Abbas eingeleitet, da dieser als Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde strafrechtliche Immunität genieße.

Seit 1947 bis zum heutigen Tage hat Israel 50 Massaker in 50 palästinensischen Dörfern und Städten begangen, (…) 50 Massaker, 50 Holocausts.

Mahmut Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, bei der Pressekonferenz im August 2022.

Allerdings sei der Tatbestand einer strafbaren Volksverhetzung erfüllt: Abbas habe die Gräueltaten der Nationalsozialisten bagatellisiert und es „darauf angelegt, die Hemmschwelle zur Begehung rechtswidriger Gewalttaten gegen israelische und jüdische Einrichtungen herabzusetzen“.

Abbas hatte bei der Pressekonferenz im Kanzleramt im August 2022 israelische Angriffe auf palästinensische Siedlungen mit dem Holocaust verglichen.

Wörtlich sagte er nach der vom Simultandolmetscher übernommenen Fassung auf „bundesregierung.de“: „Seit 1947 bis zum heutigen Tage hat Israel 50 Massaker in 50 palästinensischen Dörfern und Städten begangen, in Dair Jassin, Tantura, Kafr Kassim und vielen weiteren, 50 Massaker, 50 Holocausts.“

Zugleich sagte er ausweislich der Dokumentation: „Stopp, es reicht! Lasst uns bitte zum Frieden finden! Lasst uns bitte zusammen nach vorn schauen, für Sicherheit, für Stabilität!“

Nach der Pressekonferenz wurden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Regierungssprecher Steffen Hebestreit dafür kritisiert, Abbas nicht sogleich widersprochen zu haben. Hebestreit erklärte tags darauf, die Regierung sei „empört und entsetzt über die Worte von Herrn Abbas“. Eine Relativierung des Holocausts mit seinen mehr als sechs Millionen Toten sei völlig inakzeptabel.

Er entlastete Scholz und sah es als eigenen „Fehler“, die Pressekonferenz unmittelbar nach Abbas‘ Rede beendet zu haben. „Ich war nicht schnell und nicht aufmerksam genug, um darauf zu reagieren“.

Staatsanwaltschaft will Folgen für „Äußerungen im Internet durch Dritte“ prüfen

Dennoch blieben Abbas’ Sätze bei der von Hebestreits Bundespresseamt verantworteten Seite „bundesregierung.de“ öffentlich abrufbar stehen – zunächst ohne direkten Kommentar. Erst nach einem Bericht des Tagesspiegels wurde damals ein Zusatz eingefügt.

In dem „Hinweis“ am Ende des Protokolls wird ein Zitat von Scholz wiedergegeben, wonach dieser über Abbas’ „unsägliche Aussagen“ empört sei. „Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel“. Ein Datumshinweis erweckt den Eindruck, das Protokoll sei noch am Tag der Pressekonferenz ergänzt worden. Tatsächlich geschah dies erst sechs Tage später.

Ich war nicht schnell und nicht aufmerksam genug, um darauf zu reagieren.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach der Pressekonferenz

Ob das Versäumnis strafrechtliche Folgen für Verantwortliche haben könnte, ist bislang offen. „Die Staatsanwaltschaft Berlin wird etwaige Auswirkungen der Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin nach Rückkehr der Akten prüfen“, erklärte die Behörde auf Anfrage. „Dies gilt auch für die elektronische Abrufbarkeit der Äußerungen im Internet durch Dritte.“

Kein Kommentar vom Antisemitismusbeauftragten

Anders als die vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft hatte die Staatsanwaltschaft Abbas’ Aussage nicht als Volksverhetzung kategorisiert und Ermittlungen deshalb im November 2022 noch abgelehnt.

Der „Bild“-Zeitung zufolge soll sich die Behörde dabei auf die Motive des Palästinenserpräsidenten berufen haben. Abbas habe demnach lediglich das Ziel verfolgt, die „aus seiner Sicht von der israelischen Armee begangenen Taten besonders hervorzuheben und auf deren Unrecht hinzuweisen, wobei er sich eines historisch äußerst unpassenden Vergleichs bemühte“.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein lehnte eine Stellungnahme dazu ab, ob die weitere Veröffentlichung der umstrittenen Sätze auf der offiziellen Webseite gerechtfertigt sei, und verwies auf das Bundespresseamt. „Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus sieht seine Zuständigkeit in der Frage nicht berührt“.

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