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Verlor gegen Joe Biden, gewann aber im Vergleich zu vor vier Jahren noch Stimmen dazu: Donald Trump.

© REUTERS

Die SPD und ihre Lehren aus der US-Wahl: „Trumps wichtigstes Thema war die Wirtschaft“

Donald Trump konnte 2016 und 2020 auch Arbeiter für sich gewinnen. Welche Lehren zieht die SPD daraus? Ein Gespräch mit NRW-Landeschef Sebastian Hartmann.

Von Hans Monath

Der Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann ist seit 2018 Vorsitzender der NRW-SPD. Er gehört der Parlamentariergruppe USA des Bundestages an.

Herr Hartmann, kann die SPD etwas lernen aus dem Aufstieg Donald Trumps vor vier Jahren und seiner anhaltenden Stärke und Gefährlichkeit?
Trump war es 2016 gelungen, den „Blue Wall“ zu durchbrechen, also in industrialisierte Bundesstaaten wie Michigan und Wisconsin zu siegen, in denen traditionell die Demokraten stark waren. Er erzielte Gewinne in der Arbeiterschaft, vor allem in Regionen, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen unterworfen waren. Die Demokraten haben das verstanden und waren 2020 besser vorbereitet. Aber auch außerhalb der USA besteht die Gefahr, dass radikale Nationalisten in der Arbeiterschaft oder in Regionen im Umbruch punkten.

Sehen Sie die Gefahr auch in Deutschland? In den USA hat die Hälfte der Wähler für Trump gestimmt, bei der Bundestagswahl erhielten radikale Nationalisten dagegen nur rund zwölf Prozent, verlieren in Umfragen in der Corona-Pandemie noch.
Krisen wie die Corona-Krise entzaubern die Populisten. Wenn es darauf ankommt, Verantwortung zu übernehmen und konkret zu handeln, haben sie nichts zu bieten. Zudem hat der Populismus von Trump in den USA fürchterliche Folgen: Die Zahl der Corona-Toten hat die Marke von 250.000 überschritten. Für mich ist die Lehre aus den beiden letzten Präsidentenwahlen in USA: Wir sollten auf die konkreten Probleme der Menschen konkrete ökonomische Antworten geben. Wir müssen dafür sorgen, dass Wohnen bezahlbar bleibt, dass öffentliche Güter wie etwa  Nahverkehrsangebote existieren, breit verfügbar und bezahlbar sind. Der Staat muss handlungsfähig sein.

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Trotz seiner verheerenden Corona-Politik hat Trump diesmal Millionen Stimmen mehr geholt als vor vier Jahren…
Auch daraus können wir etwas lernen. Das wichtigste Thema in den USA war laut Nachwahlbefragungen die Wirtschaft. Er hat sich als erfolgreicher Unternehmer verkauft, auch wenn seine wirtschaftliche Bilanz persönlich und als Präsident maximal durchwachsen ist. Sein radikaler Nationalismus wird auch international langfristige Folgen haben. Die Zahl der Arbeitsplätze in seiner Amtszeit war vor Corona gestiegen, wovon auch breite Gesellschaftsschichten profitiert haben.

Sein Plädoyer für einen harten Kurs der SPD bei der inneren Sicherheit gefällt nicht jedem Genossen: NRW-Landeschef Sebastian Hartmann.

© dpa

In Deutschland bedeutet die Klimawende für viele Regionen einen riesigen Umbruch. Haben Sie keine Angst, dass dies die Rechtspopulisten stärken könnte?
Die Gefahr sehe ich. Doch es wäre ein Fehler den Populisten hinterherzulaufen.  Die AfD leugnet ja den Klimawandel und will deshalb nicht darauf reagieren. Wir sollten das Gegenteil tun. Wir müssen den Klimawandel mit einer massiven Investitionsoffensive und mit den Möglichkeiten von Forschung und Technik eindämmen. Zentrales Ziel ist es, Sicherheit zu geben und zu versprechen, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben – etwa durch staatliche Investitionen zum Umstieg auf neue Antriebstechniken in der Automobilindustrie. Das wird viel Geld kosten. Aber hier muss die SPD sehr klar machen, dass eine beschleunigte Modernisierung und staatliche Investitionen zur Sicherung der Arbeitsplätze die richtige Antwort sind. Das ist ökologische, moderne und soziale Industriepolitik.

Welche Rolle spielt bei der Abwehr von Populismus das Thema innere Sicherheit?
Die SPD darf und muss das Thema Innere Sicherheit nicht scheuen. Unser Konzept heißt: Ein handlungsfähiger, starker Staat garantiert ein freies Leben in Sicherheit. Wer fleißig ist und sich an die Regeln hält, kann darauf vertrauen, dass er etwas davon hat. Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, Reiche könnten sich der Steuergesetzgebung entziehen oder der Staat ziehe sich aus bestimmten Stadtvierteln zurück und zeige dort keine Präsenz mehr.

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Es gibt die These, wonach Deutschland manche gesellschaftlichen Entwicklungen aus den USA mit Verspätung nachvollzieht. Wohin könnte das führen?
In manchen Entwicklungen sind uns die USA voraus, aber wir leben in unterschiedlichen Gesellschaften mit verschiedenen Mentalitäten. Wir müssen darauf achten, dass nicht der politische Diskurs zerstört wird. Unser Land darf nicht in zwei Lager zerfallen, die nur noch ihre jeweils eigene Wahrheit kennen. Das hat in den USA dramatische Folgen. Ein wichtiger Unterschied ist, dass wir in Deutschland eine starke, unabhängige Medienlandschaft haben, die Falschbehauptungen in sozialen Medien nicht das Feld überlässt. Gemeinsam müssen wir darauf achten, dass wir den Diskurs zwischen den demokratischen Kräften so führen, dass wir wieder zusammenkommen können. Mit Ausnahme der AfD klappt das in der Regel auch gut, aber die AfD ist auch keine demokratische Kraft.

Die Bereitschaft vieler Menschen, Steuern zu zahlen, scheint in Deutschland auch höher zu sein als in den USA…
Offensichtlich. Die USA haben eine hohe Wirtschaftskraft. Aber der amerikanische Staat ist kaum noch handlungsfähig, weil er seit Jahrzehnten mit Steuersenkungen seine Einnahmen geschmälert hat. Unter Trump ist die Staatsverschuldung massiv angestiegen. Wenn Joe Biden das ändern will, muss er wieder Einnahmen generieren. Das ist ein riesiger Unterschied zu Deutschland und Europa. Denken Sie an das milliardenschwere Konjunkturpaket der Bundesregierung oder an die Corona-Hilfen der EU in Höhe von 1,8 Billionen Euro. Wir Sozialdemokraten haben immer darauf geachtet, die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern. In der Krise haben nun auch andere demokratische Kräfte diese Notwendigkeit verstanden.

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