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Fordern ein Schutzgesetz. Die Apotheker in Deutschland fühlen sich durch den Versandhandel bedroht.

© dpa

Versandhandel von Arznei: Linkspartei schlägt sich auf Seite der Apotheker

Bisher galt die FDP als Lieblingspartei der Apotheker. Nun macht sich die Linke für ihre Interessen stark. Mit Gesundheitsminister Gröhe fordert sie ein Verbot des Versandhandels von rezeptpflichtiger Arznei.

Es ist eine ungewöhnliche Konstellation. Während SPD und Grüne einer Liberalisierung des Medikamentenverkaufs das Wort reden, will Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Versandhandel von rezeptpflichtiger Arznei verbieten. Und bekommt dafür nun Unterstützung von der Linkspartei.

Linke „Wir werden einer gesetzlichen Regelung auf jeden Fall nicht im Wege stehen und hätten kein Problem damit, für einen Gesetzentwurf von Minister Gröhe zu stimmen“, stellt die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, klar. Dokumentiert hat ihre Fraktion den ungewohnten Konsens mit einem eigenen Bundestagsantrag.

Linke präsentieren eigenen Verbotsantrag

Da der Europäische Gerichtshof (EuGH) „den freien Warenverkehr und die Interessen von großen ausländischen Versandapotheken über das gesundheitspolitische Anliegen einer flächendeckenden, qualifizierten Arzneimittelversorgung rund um die Uhr“ gestellt habe, möge das Parlament die Regierung auffordern, den Versandhandel mit rezeptpflichtiger Arznei zu verbieten, heißt es darin.

Die Sozialdemokratie als Anwältin des Freihandels im hochsensiblen Arzneisektor? Und die Linke als neue Schutzmacht gut betuchter Apotheker? Das EuGH-Urteil vom Oktober, wonach die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel gegen EU-Recht verstößt und für ausländische Versandapotheken nicht bindend ist, hat das Freund-Feind-Denken für die Betroffenen in diesem Sektor ziemlich durcheinander gebracht.

FDP-Chef warnt davor, eine Branche unter "Naturschutz" zu stellen

Auf ihre vormalige Lieblingspartei sind viele Apotheker deswegen momentan nicht sehr gut zu sprechen. Die FDP präsentiert sich beim Thema Versandhandel nämlich tief zerrissen. Während sich Landespolitiker wie der bayerische Vorsitzende Albert Duin für ein zumindest vorübergehendes Versandverbot stark machen, warnt ihr Bundesvorsitzender Christian Lindner davor, die Apotheker unter „Naturschutz“ zu stellen. Die Liberalen seien keine Klientelpartei, beharrt er. „Mehr als ein Drittel der Deutschen bevorzugt heute den Einkauf von Medikamenten im Internet."

Die Jungen Liberalen treten noch forscher auf. Von ihnen ist zu hören, dass ein „Welpenschutz für Apotheker“ in Zeiten der Digitalisierung völlig fehl am Platze sei. Nicht mal das Verbot des Fremd- und Mehrfachbesitzes von Apotheken ist ihnen heilig. Es widerspreche dem Gemeinschaftsrecht der EU und sei weder mit liberalen Grundsätzen noch mit dem Wettbewerbsgedanken vereinbar, so ihre Festlegung beim jüngsten Bundeskongress Ende Oktober im fränkischen Hirschaid.

Apotheker: Vernunft ist nicht das Monopol einzelner Parteien

Die Apothekerverbände sehen solche Verschiebungen gelassen. „Die Fähigkeit zu vernünftigen politischen Positionen ist nicht das Monopol einzelner Parteien“, sagt der Präsident ihrer Bundesvereinigung, Friedemann Schmidt. „Wenn sich im Bundesrat oder Bundestag ungewöhnliche Farbkonstellationen ergeben, die gemeinsam die Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort sichern wollen, kann ich das nur begrüßen.“

Tatsächlich zieht sich der Streit mit Ausnahme der Linken quer durch die Parteien. In den Landesregierungen halten auch manche SPD-Politiker ein Versandhandelsverbot für geboten. In der CDU wiederum ärgern sich etliche mächtig über Gröhes flotte Verbotsankündigung. Und darunter sind nicht nur Wirtschaftsliberale. So forderte beim CDU-Parteitag in Essen beispielsweise ein Kreisverband aus Niedersachsen, den Versandhandel zu erhalten, um die Daseinsvorsorge in ländlichen Gebieten sicherzustellen. Der Antrag wurde der Bundestagsfraktion zugeleitet,

Die Befürworter warnen vor einem „Apothekensterben“, sie sehen durch Billiganbieter die Qualität der Versorgung und das Angebot in der Fläche bedroht. Verbotsgegner argumentieren, dass der Versandhandel gerade für Patienten in Regionen mit geringer Apothekendichte segensreich sei. Außerdem könne ein wenig mehr Preiswettbewerb dem erstarrten deutschen System nur gut tun.

Ministerium prüft noch immer

Dabei ist über Gröhes Ansage hinaus bisher wenig geschehen. Das Vorhaben befinde sich weiter in der Prüfung, heißt es im Ministerium. Experten zufolge müsste sich der Minister sputen, denn für nationale Vorschriften, die in den freien EU-Warenverkehr eingreifen, ist dann auch noch ein langwieriges Notifizierungsverfahren nötig. Doch womöglich läuft die Sache ja darauf hinaus, dass nicht der komplette Versandhandel mit rezeptpflichtiger Arznei, sondern nur Boni für die Kunden verboten oder gedeckelt werden. So lautet zumindest ein Kompromissvorschlag von SPD-Seite.

Mit ihrem Verbotsantrag möchte die Linke dem Minister jetzt jedenfalls Dampf machen. „Wir wollen, dass sich alle Fraktionen im Bundestag jenseits von Sonntagsreden bekennen müssen“, sagt Vogler. Für sie ist klar, dass ein Preiskampf im Arzneisektor zu weniger Qualität und Versorgungssicherheit führt. Gute Gesundheitsversorgung sei ein Menschenrecht, sie zu gewährleisten „wichtigste Aufgabe der nationalstaatlichen Gesundheitspolitik“.

Die Menschen müssten darauf vertrauen können, dass ihre Gesundheit und nicht Gewinninteressen im Mittelpunkt stünden. Und die Hoffnung, sich mit solcher Politik vielleicht auch eine neue Wählerklientel zu erschließen, stellt die Linken-Politikerin gar nicht in Abrede. „Wenn uns Patientinnen und Patienten wie Pflegekräfte, Ärzteschaft, Apotheker oder andere Beteiligte dafür ihre Stimme geben möchten, freuen wir uns natürlich.“

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