zum Hauptinhalt
2023 nahmen 1,6 bis zwei Millionen Menschen regelmäßig Unterstützung durch die Tafeln in Anspruch, so die Organisation.

© dpa/Christian Charisius

Wartelisten und Aufnahmestopps: Hunderte Tafeln können Nachfrage nicht mehr abdecken

Die Armut in Deutschland nehme spürbar zu, heißt es von den Tafeln. Viele Einrichtungen und Mitarbeiter seien am Limit. Gründe seien auch die Ukraine-Flüchtlinge und die Inflation.

In Deutschland gibt es insgesamt knapp 1000 Lebensmittel-Tafeln. Für viele Menschen sind sie nahezu unverzichtbar, um den Alltag zu meistern. Kurz vor Weihnachten schlägt der Bundesverband der freiwilligen Organisation nun Alarm: Hunderte der Einrichtungen können nach Angaben des Dachverbandes der hohen Nachfrage von Bedürftigen nicht mehr gerecht werden.

„Insgesamt hat rund ein Drittel der Tafeln in Deutschland temporäre Aufnahmestopps oder Wartelisten“, sagte der Vorsitzende des Tafel-Dachverbandes, Andreas Stepphuhn, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Hinzu komme, dass die Ehrenamtlichen bei den Tafeln „teilweise an ihren physischen und psychischen Grenzen angelangt“ seien. 

Es kann immer nur das verteilt werden, was tatsächlich an Lebensmitteln da ist.

Andreas Stepphuhn, Vorsitzender des Tafel-Dachverbands

Es gebe zudem auch Tafeln, die ihre Öffnungszeiten verkürzten. „Es kann immer nur das verteilt werden, was tatsächlich an Lebensmitteln da ist“, sagte Stepphuhn. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren kommen Stepphuhn zufolge im Durchschnitt 50 Prozent mehr Kundinnen und Kunden zu den Tafeln.

2023 seien es 1,6 bis zwei Millionen Menschen gewesen, die regelmäßig Unterstützung durch die Tafeln in Anspruch nähmen. „Es gibt Phasen, in denen auch mehr kommen.“ Die Zahl könne auch nicht unendlich anwachsen, weil die Tafeln oft eine Kapazitätsgrenze hätten.

„Es gibt begrenzte Räumlichkeiten, es können nicht viel mehr Lebens­mittel eingesammelt werden, und wir haben auch nur eine begrenzte Zahl an Ehrenamtlichen“, sagte Stepphuhn.

Tafeln stehen weniger Lebensmittel zur Verfügung

Gründe für den Anstieg seien unter anderem, dass viele Geflüchtete aus der Ukraine dazu gekommen seien. Inzwischen leben rund 1,2 Millionen Frauen und Männer aus der Ukraine in Deutschland. Außerdem sei die Inflation für viele eine starke Belastung, sagte Stepphuhn.

Gleichzeitig stünden weniger Lebensmittel zur Verfügung, die aus Supermärkten gerettet werden könnten. Die Tafeln versuchten, dies zu kompensieren, so Stepphuhn.

„Aber wenn man zum Beispiel Großspenden durch die Republik transportieren muss, hat das Transportkosten zur Folge. Deshalb sind Tafeln auch immer auf Geldspenden angewiesen. Wir können immer nur das leisten, was wir an Möglich­keiten haben.“

„Wir sind eine freiwillige und keine staatliche Organisation“, mahnte Stepphuhn: „Unser Anspruch ist es, mit geretteten Lebensmitteln Menschen zusätzlich zu unterstützen. Wir machen keine Vollversorgung.“

Stepphuhn sprach von „neuen Kundinnen und Kunden“, das seien vermehrt auch Menschen mit zu niedrigen Renten oder Einkommen, mit Minijobs oder Alleinerziehende. In Deutschland seien die Löhne und Renten zu niedrig dafür, dass die Menschen über die Runden kommen, kritisierte er.

Erst der Krieg in Syrien, dann die Coronavirus-Pandemie und schließlich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hätten die Lage in den vergangenen Jahren weiter verschärft, so Stepphuhn. „Armut in Deutschland nimmt zu – und das spürbar.“

Der Tafel-Chef berichtete weiter, in Krisenzeiten hätten sie auch erlebt, dass Ämter gesagt haben: „Geht mal zu den Tafeln, dort werdet ihr mitversorgt.“ (lem)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false