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Gewinnt am Ende immer Bundeskanzlerin Angela Merkel?

© Olivier Matthys/AP/dpa

Die, die zuletzt lacht: Warum Merkel doch als Gewinnerin aus dem EU-Postenpoker herausgehen könnte

Angela Merkel wird von politischen Beobachtern angezählt. Doch man sollte die Fähigkeiten der Kanzlerin nicht unterschätzen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Postengeschacher in Brüssel, das sieht aus wie eine Gleichung mit vier Unbekannten – und damit wie eine schöne Aufgabe für die Naturwissenschaftlerin Angela Merkel, die doch rechnen und berechnen kann. Eine, die noch dazu die Wissenschaft von der Natur des Menschen beherrscht. Zumal die Unbekannten so unbekannt für sie nun auch wieder nicht sind.

Einmal ist da Emmanuel Macron, der französische Staatspräsident. Er hat von Anfang an klargemacht, dass er den EVP-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Manfred Weber (CSU), nicht als neuen Kommissionspräsidenten der EU sieht. Wohlgemerkt: von Anfang an. Er hielt ihn immer für zu unerfahren, sein politisches Format für zu klein. Die Kanzlerin hat das sehr wohl früh verzeichnet. Auch von Beginn an.

Dann der Widerstand der Visegrad-Staaten: Osteuropa ist noch immer tief getroffen von Merkels Flüchtlingspolitik und Frans Timmermans‘ Kritik, bei ihnen sei es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht so weit her. Deswegen bekommt der sozialdemokratische Spitzenkandidat und Vize-Kommissionschef ihre Stimmen nicht, also nicht anstelle von Weber. Der sie auch nicht bekommt.

Dennoch gibt es nach der Wahl das Recht der EVP, des Wahlgewinners, auf Spitzenpositionen in EU-Europa. Die Sozialdemokraten haben schließlich verloren. Was aber wiederum bedeutet: Die Auswirkungen auf die heimische Koalition wollen beachtet und mit bedacht sein.

Abwägen, Abwarten, Ermüden

Was also tut Merkel? Das, was sie immer tut: Abwägen, Abwarten, Ermüden. Dann kommt sie. Meistens mit Erfolg. Sie hat die bisherigen Runden ja in ganz guter Kondition überstanden.

Man kann es nämlich auch so sehen: Die Kanzlerin weicht dem erwarteten Widerstand Macrons aus, stellt sich nicht gegen andere Lösungen die auch von der SPD betrieben werden, und wartet ab. Prinzip Gummiwand.

Wenn die Sache den Verzicht auf den Kommissionschef bedeutet hätte – Merkels Parteienfamilie, die EVP, hätte dafür zwei andere Ämter beansprucht, den Parlaments- und den Ratspräsidenten. Ein kleiner Sieg. Nachdem aber der große Widerstand der anderen doch noch das Amt des Präsidenten der EU-Kommission für die EVP erzwingt, kommt ihre Partei, die CDU, ins Spiel. Weber war ja bei aller Freundschaft nicht der Lieblingskandidat der Kanzlerin, sondern vielmehr erzwungen von der CSU, die einen adäquaten Platz für ihren Parteivize suchte, seinerzeit, nach der Schlacht zwischen Horst Seehofer und Markus Söder um die Spitze.

Tusk für von der Leyen

Jetzt, da das Thema Kommissionspräsident zur Kanzlerin zurückkommt – wen kann Merkel aufbieten, der oder die Chancen hat? Eine hat jahrelang an entscheidenden Stellen in der Bundesregierung gesessen, ist polyglott und hat Erfahrungen mit der Brüsseler Spitzenbürokratie, ist sogar in der Hauptstadtregion Brüssel als Tochter eines (damaligen) EG-Kommissars geboren: Ursula von der Leyen, die Verteidigungsministerin. Die schätzt auch Macron. Wahrscheinlich ist die CDU-Parteivizin auch froh, wenn sie jetzt schnell vom Schleudersitz im Wehrressort runterkommt. Ratspräsident Donald Tusk hat sie jetzt offiziell vorgeschlagen.

Durch Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin in Brüssel wird mit einem Mal ein ansehnlicher Posten frei. Die neue CDU-Bundesvorsitzende, Annegret Kramp-Karrenbauer, sei es auch im Ringtausch. Aber der kommt später. Und wie nennen wir dann das Ergebnis für die Kanzlerin? Einen Sieg, einen ziemlich großen sogar. Merke: Mache nie die Rechnung ohne Merkel. Sie ist doch keine Unbekannte.

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