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Mehr Geld in der Tasche der Bürgerinnen und Bürger - das ist das Ziel des dritten Entlastungspakets der Ampelkoalition.

© imago/Andreas Gora

Wichtige Inhalte des Entlastungspakets: Was das Versprechen „Wir lassen niemanden alleine“ bedeutet

Haben sich 22 Stunden Verhandlungen um die Beschlüsse der Ampelkoalition gelohnt? Wer profitiert von ihnen? Wer hat sich durchgesetzt? Ein Überblick.

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Fast 22 Stunden hatten SPD, Grüne und FDP bis in den Sonntagmorgen hinein im Kanzleramt um das dritte Entlastungspaket gerungen. Die Koalitionäre selbst hatten die Erwartungen hochgeschraubt, indem sie sich hohe Ziele setzten. Kanzler Olaf Scholz versprach: Wir lassen niemanden alleine.

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Als Erster meldete Justizminister Marco Buschmann (FDP) dann per Twitter Vollzug. „Es ist vollbracht. Sehr gutes Ergebnis“, schrieb er um 6 Uhr 31 und verwies auf die für späten Vormittag angesetzte Pressekonferenz. Aber hat sich das Ringen tatsächlich gelohnt? Wer profitiert von den neuen Leistungen? Und welche Partei hat sich jeweils durchgesetzt. Ein Überblick:

Konzertierte Aktion

Die Bundesregierung will wegen der stark gestiegenen Verbraucherpreise Unternehmen ermutigen, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine „Inflationsprämie“ zu zahlen. Der Staat werde dies „auf alle Fälle möglich machen“, indem er auf solche Zahlungen bis zur Summe von 3000 Euro keine Steuern und Abgaben erheben werde, sagte Scholz. Der Kanzler gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass „das flächendeckend millionenfach überall in Deutschland geschieht“.

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Die neue Inflationsprämie folgt dem Beispiel der Corona-Prämie: In der Corona-Pandemie blieben Sonderzahlungen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bis zu 1500 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Die Regelung lief bis Ende März 2022. Die Prämie wird zusätzlich zum Lohn gezahlt.

Die Idee einer steuerfreien Einmalzahlung als Inflationsausgleich war bereits Anfang Juli vor der Konzertierten Aktion der Regierung mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern diskutiert worden. Gewerkschaftsvertreter und Ökonomen hatten sie abgelehnt. Scholz verwies jetzt allerdings auf das nächste Treffen der Konzertierten Aktion.

In den Zusammenhang gehört auch der Beschluss der Ampel, die steuerliche Home-Office-Pauschale von maximal 600 Euro dauerhaft zu verlängern. Ebenso sollen die Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld, eingeführt in der Pandemie, vorerst weitergelten. Zudem hat die Ampel weitere Hilfen für Unternehmen beschlossen, die wegen hoher Energiekosten in Schwierigkeiten geraten. Für Investitionen, die unabhängiger machen von russischen Gaslieferungen, soll es ebenfalls Geld geben.

Rentner und Studierende

Rentner und Studierende waren in den bisherigen zwei Entlastungspaketen leer ausgegangen, was der Bundesregierung Kritik eingetragen hatte. Nun erhalten Rentner eine einmalige Energiepauschale von 300 Euro, Studierende die gleiche Leistung in Höhe von 200 Euro.

Der Sozialverband VdK zeigte sich angesichts der Leistung für Rentner hoch erfreut - und erklärte, sein Vorschlag habe sich durchgesetzt. Allerdings könnte es bei der Leistung für die Studierenden Probleme bei der finanziellen Abwicklung geben. Der Beschluss kündigt dazu Gespräche mit den Ländern an.

Russlands womöglich dauerhafter Stopp der Gaslieferungen treibt die Preise für Energie in die Höhe, die Regierung versucht das zu bremsen.
Russlands womöglich dauerhafter Stopp der Gaslieferungen treibt die Preise für Energie in die Höhe, die Regierung versucht das zu bremsen.

© Nikolay DOYCHINOV/AFP

Bürgergeld

Die Umwandlung der bisherigen Hartz-IV-Leistung hin zu einem Bürgergeld war vor allem der SPD, aber auch den Grünen wichtig. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vorgeschlagen, dass die Regelleistung von momentan rund 450 Euro um etwa 50 Euro steigen solle - und setzte sich damit durch.

Ermöglicht wird die Steigerung, indem die Leistung nicht mehr nach der Inflationsrate des vergangenen Jahres berechnet wird, sondern nach der erwarteten Inflationsrate. Diese neue Methode verteidigte auch Finanzminister Lindner ausdrücklich als Fortschritt. 

Offen bleibt allerdings, ob beim neuen Bürgergeld bislang vorgesehene Sanktionen, wie von der SPD gewünscht, tatsächlich für einen befristeten Zeitpunkt ausgesetzt werden. Die FPD hält dies ebenso wie die oppositionelle Union für einen falschen Anreiz und meint, die bisherige Regel des Förderns und Forderns werde dann auf Fördern ohne Gegenleistung verkürzt.

Wohngeldreform und Heizhilfe

Der Kanzler selbst hatte vor Wochen schon die große Wohngeldreform angekündigt, die seiner Partei - wie das Bürgergeld - besonders wichtig ist. Sie ist Teil der Sozialstaatsanpassungen, welche die SPD mit der Ampel durchsetzen wollte, und soll nun ebenfalls zum 1. Januar 2023 kommen. Die Zahl der Berechtigten, so Scholz, wird nun von etwa 700.000 auf nahezu zwei Millionen erhöht.

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Das Wohngeld soll künftig eine „dauerhafte Heizkostenkomponente enthalten, um die steigenden Energiepreise stärker abzufedern“, wie es im Ampel-Beschlusspapier heißt. Damit wird das Heizen für viele Geringverdiener im kommenden Jahr ähnlich bezuschusst wie jetzt schon für Empfänger von Hartz IV, Grundsicherung im Alter oder Sozialhilfe.

In diesem Jahr sollen die Wohngeldbezieher nochmals einen Einmalbetrag als Heizkostenhilfe bekommen – und zwar 415 Euro im Ein-Personen-Haushalt, 540 Euro bei zwei Personen, zudem 100 Euro mehr für jede weitere Person.

Damit das Geld zügig an die Berechtigten gelangt, fordert die Bundesregierung die auszahlenden Kommunen auf, „alle Möglichkeiten der Beschleunigung von Durchführungswegen bei der Antragstellung“ auszuschöpfen. „Dazu können auch unbürokratische Abschlagszahlungen beitragen.“

Kindergeld

Das Kindergeld werde „über das verfassungsrechtlich erforderlich Maß“ hinaus erhöht, verspricht die Ampelkoalition. Vom ersten 1. Januar 2023 an wird es um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind angehoben. Für eine Familie mit zwei Kindern bedeute das 432 Euro jährlich mehr für die kommenden zwei Jahre. Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten sei dies „gerade für Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen wichtig“.

Auch beim Kinderzuschlag, der Eltern und Familien mit geringem Einkommen unterstützen soll, gibt es Verbesserungen. Der Höchstbetrag des Kinderzuschlages wurde zum 1. Juli 2022 auf 229 Euro monatlich je Kind erhöht. „Um die zusätzlichen Belastungen dieser Familien aufgrund der Inflation abzumildern“, werde der Höchstbetrag des Kinderzuschlages ab dem 1. Januar 2023 nochmals erhöht und auf 250 Euro monatlich angehoben, verspricht die Ampel.

Dies gelte bis zur Einführung der von der Koalition geplanten Kindergrundsicherung. Dieser Punkt war vor allem den Grünen wichtig.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Parteichefs Omid Nouripour (Grüne), Christian Lindner (FDP) und Saskia Esken (SPD) verkünden das Entlastungspaket.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Parteichefs Omid Nouripour (Grüne), Christian Lindner (FDP) und Saskia Esken (SPD) verkünden das Entlastungspaket.

© F. Kern/IMAGO/Future Image

Schutz vor Gas- und Stromsperren

Es war ein Vorschlag der SPD gewesen, Haushalte vor Strom- und Gassperren zu bewahren, die ihre Energierechnungen wegen der gestiegenen Preise nicht mehr zahlen können. Das Energierecht müsse entsprechend angepasst werden, heißt es nun im dem Beschluss. Sperrungen von Strom und Gas sollten „durch Abwendungsvereinbarungen verhindert werden“.

Unternehmen wird im gleichen Kapitel versprochen, durch eine „Änderung der Insolvenzantragspflicht“ Sorge zu tragen, dass sie sich auf gestiegene Energiepreise einstellen können. Einzelheiten werden nicht genannt.

Steuerlicher Inflationsausgleich

Für die FDP war es ein wichtiger Punkt: Das von Finanzminister Christian Lindner unlängst vorgestellte Inflationsausgleichsgesetz sollte in jedem Fall Teil eines Gesamtpakets sein. Angesichts einer Preissteigerungsrate, die sich auf zehn Prozent zubewegt und im kommenden Jahr auch hoch bleiben wird, sollen die entstehenden Kaufkraftverluste bei der Besteuerung der Einkommen berücksichtigt werden.

Das ist insbesondere bedeutsam für Arbeitnehmer und Selbstständige, die in diesem und im kommenden Jahr nur geringe oder gar keine Gehaltszuwächse haben.

Zur Abmilderung der „kalten Progression“ wird daher der Einkommenssteuertarif zum 1. Januar angepasst. Der Staat verzichtet damit auf Einnahmen. Konkret wird die Koalition sich festlegen, wenn im Herbst der Progressionsbericht und Existenzminimumbericht vorliegen.

Eine „Anzahlung“ darauf hat sie schon gemacht: Rückwirkend zum 1. Januar 2022 wurde der Grundfreibetrag bereits erhöht, was auf vielen Gehaltsabrechnungen im Juni oder Juli bereits zu sehen war.

Die volle Absetzbarkeit der Rentenbeiträge wird zudem um zwei Jahre auf den 1. Januar 2023 vorgezogen.

Bundesweites ÖPNV-Ticket

Als großen Erfolg hat die Ampel das Neun-Euro-Ticket empfunden - zuerst die Grünen, deren Hauptbeitrag zum zweiten Entlastungspaket die Verbilligung des Nahverkehrs war, dann auch Scholz und die SPD, zuletzt die FDP. Insbesondere Lindner hatte lange gezögert, einer Fortsetzung zuzustimmen. Er fürchtete, dass der Bund zu viel beisteuern müsste, obwohl die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs Sache der Länder und Kommunen ist.

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Nun will sich die Bundesregierung mit 1,5 Milliarden Euro an einem bundesweit gültigen Ticket beteiligen, „wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen“. Mit den Ländern soll nun das passende Model gefunden werden – im Ampel-Papier wird eine Preisspanne von 49 bis 69 Euro pro Monat genannt.

Damit würde es dauerhaft billiger, Bus und Bahn zu nutzen, nicht nur beruflich, sondern auch bei Ausflügen und auf Reisen. So sollen Autofahrer in den öffentlichen Nahverkehr gelockt werden.

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