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Kevin Kühnert (l), SPD-Generalsekretär, und Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender.

© dpa/Kay Nietfeld

Ehegattensplitting – und was noch?: Hinter dem SPD-Vorstoß steckt ein breiter Reformansatz

Die Privilegien für Verheiratete stehen auf dem Prüfstand. Nach dem Ehegattensplitting könnte die Kanzlerpartei sich jetzt weitere Steuervorteile vornehmen.

Erst das Ehegattensplitting – dann die Witwenrente und schließlich die kostenlose Ehegatten-Mitversicherung in der Krankenkasse? Der Vorstoß aus der SPD – inszeniert von Parteichef Lars Klingbeil und kurz darauf von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert – galt zwar nur dem steuerlichen Vorteil des Splittings.

Aber die beiden anderen Möglichkeiten fallen ohne Weiteres in die Rubrik, auf die Klingbeils Vorschlag zielt: möglicherweise veraltete Modelle aus der Zeit der Alleinverdiener-Ehe, welche die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigten.

Dass die Bundesregierung aktuell weder an das Ehegattensplitting herangehen will noch eine Veränderung der Hinterbliebenenrente plant, muss nichts heißen. Der Vorstoß kommt aus der SPD-Spitze, ist also Parteimeinung.

Ein Test der Möglichkeiten

Die beiden Zukunftshoffnungen der Sozialdemokraten testen offenkundig mögliche Themen für den nächsten Bundestagswahlkampf, mit denen sich Jüngere ansprechen lassen. FDP und Union haben beim Ehegattensplitting schon mit Ablehnung reagiert. Und auch bei der Witwenrente und der Krankenkassen-Mitversicherung ist mit Protest zu rechnen.

Splitting, Witwenrente, Mitversicherung – sie können als altertümliche „Privilegien“ dargestellt werden, die fragwürdig und nicht mehr modern sind. Allenfalls die jetzt langsam ins Rentenalter kommenden „Boomer“ könnte eine Abschaffung schrecken.

Die Reformpläne für das Splitting beziehen sich nach Aussage von Klingbeil zwar allein auf neue Ehen. Doch muss man wohl hinzufügen, dass das am Ende nicht sicher ist, denn eine Bestandsgarantie gibt es in keinem Fall. Der Gesetzgeber ist frei, bei allen drei Materien Änderungen vorzunehmen.

Alte beziehen, Jüngere zahlen

In der Generation derer um die 40 zählt jedoch etwas anderes als bei den Älteren: Wie finanziert man Rente und gesetzliche Krankenversicherung in Zeiten, in denen die geburtenstarken Jahrgänge sie beziehen oder stärker nutzen, die Zahler aber nicht ganz so zahlreich sind? Unter Jüngeren ist zudem die Alleinverdiener-Ehe weitgehend ausgestorben. Schon die „Boomer“ kennen sie kaum noch.

Es kann ein Zufall gewesen sein, dass kurz vor Klingbeils Äußerung am Wochenende die Ökonomin Monika Schnitzer, Chefin des Sachverständigenrats der Bundesregierung, als Privatmeinung vortrug, man solle die Witwenrente abschaffen. Aber Schnitzers Vorschlag passt in die politische Schwarz-Weiß-Zeichnung, die gerade im Entstehen ist: Wer modernisiert, wer konserviert?

Schnitzer hat ihren Vorschlag im „Spiegel“ ebenso begründet wie Klingbeil den seinen. Es geht beiden um die Erwerbstätigkeit der Frauen. Schnitzer sieht die Witwenrente als Hindernis für die Aufnahme von Arbeit. Die Aussicht auf eine höhere Rente nach dem Tod des Gatten ist aus Sicht der Münchner Wirtschaftsprofessorin kein Anreiz, selbst mehr Rentenansprüche zu erwerben. Sie schlägt als Ersatz ein Rentensplitting vor, in dem die Gesamtrente hälftig auf beide Ehepartner verteilt wird.

Auslaufmodell Alleinverdiener-Ehe

Die Hinterbliebenenrente ist erkennbar zugeschnitten auf den Fall, der nun ein Auslaufmodell ist – die Ehe, in der die Männer alles oder das meiste verdienen, die Frauen aber nur wenig Rentenansprüche gesammelt haben. Sie bekommen nach dem Tod des Mannes bis zu 60 Prozent von dessen Rente zusätzlich auf ihre Rente. Letztlich verhindert das in vielen Fällen, dass alte Frauen in die Grundsicherung rutschen – die Rentenkasse tritt sozusagen für die Sozialbehörde ein.

Die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung ist ebenfalls ein „Privileg“ aus alter Zeit. Sie ist nur möglich, wenn ein Ehepartner nicht arbeitet oder aber weniger als 585 Euro verdient. Auch darin sehen Ökonomen eine Bremse zur Übernahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit.

Gerade erst hat die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften, ein hochkarätiger Thinktank, unter dessen Dach auch der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) berufene „Zukunftsrat“ firmiert, ein Ende der kostenlosen Mitversicherung gefordert.

„Aus Sicht der Arbeitsanreize, insbesondere mit Blick auf die Erwerbstätigkeit von Frauen, wäre anzuraten, die beitragsfreie Mitversicherung in der Ehe oder der Lebenspartnerschaft abzuschaffen“, heißt es in einer Studie, in der es um die Fachkräftesicherung in Deutschland geht. Mitautoren sind der frühere Wirtschaftsweise Christof M. Schmidt und die Ökonomin Ann-Kristin Achleitner von der TU München. Auch aus dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln wurde diese Forderung schon vorgetragen.

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