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Kein Zutritt. Bis 15. März sollen Schulen in Italien geschlossen bleiben.

© Andrew Medichini/AP/dpa

Corona-Epidemie: Wie das Virus Italien lähmt

Das Land greift im Kampf gegen das Coronavirus zu drastischen Maßnahmen: Italiens Schulen und Universitäten schließen. Dennoch gibt es immer mehr Infizierte.

Sichtbar gezeichnet von Krisensitzungen und schlaflosen Nächten ist Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte am Mittwochabend vor die Kameras getreten, um die Schließung sämtlicher Bildungsinstitute zu verkünden. Kindergärten, Grund-, Haupt- und Gymnasien sowie Universitäten bleiben im ganzen Land bis mindestens Mitte März bleiben.

„Wir befinden uns in einem nationalen Notstand“, sagte der Premier gleich zu Beginn seiner fünf Minuten langen Ansprache über Facebook. Aber Italien sei stark und werde diesen Notstand überstehen, wenn alle ihren Beitrag dazu leisteten, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Der Auftritt Contes erinnerte entfernt an jenen des britischen Kriegspremiers Winston Churchill, der seinen Bürgern im Jahr 1940 „Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“ in Aussicht gestellt hatte. Jedenfalls unterstreicht die Schließung der Schulen, wie sehr die Verunsicherung und die Angst vor dem Coronavirus in Italien inzwischen um sich gegriffen hat – in den Behörden genauso wie in der Bevölkerung.

Ein Land im Ausnahmezustand

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat es keine Krise, keine Epidemie, kein Erdbeben, keine Anschlagserie und keinen Mafia-Krieg gegeben, die eine Regierung veranlasst hätte, eine derartige weitreichende Maßnahme zu ergreifen. Vor allem die Millionen Familien, in denen sowohl der Vater als auch die Mutter berufstätig sind, stellt die Schließung der Schulen nun vor erhebliche Probleme.

Das Bildungsministerium ließ verlauten, dass Staatsangestellte bezahlten Urlaub nehmen könnten, um bei ihren Kindern zu bleiben. Angestellten in der Privatwirtschaft stellte die Regierung Gutscheine für Babysitter und andere Hilfen in Aussicht.

Die Regierung von Giuseppe Conte will vor allem eines verhindern: die Ausbreitung der Epidemie in den Süden. Bisher wurden 95 Prozent der mittlerweile mehr als 3000 Coronavirus-Fälle in den norditalienischen Regionen Lombardei, Venetien und Emilia-Romagna registriert, also in Regionen mit einem gut funktionierenden Gesundheitssystem.

Weil etwa jeder Zehnte Infizierte Intensivpflege benötigt, geraten freilich auch diese Vorzeige-Regionen allmählich an die Grenze ihrer Kapazitäten. Sollte sich das Virus in massiver Form auch im Süden mit seinen maroden oft maroden Kliniken ausbreiten, wären die Folgen dramatisch: Viele Patienten könnten nicht so behandelt werden, wie es nötig wäre.

Die Zahl der Intensivpflegebetten soll um 50 Prozent erhöht werden

Die Regierung hat daher veranlasst, dass die Zahl der Intensivpflege-Betten (derzeit 5100) um 50 Prozent erhöht wird. Die Betten in den Abteilungen für Lungenkrankheiten sollen verdoppelt werden.

Mit der Schließung der Schulen und dem Verbot fast aller öffentlichen Veranstaltungen ist in Italien nichts mehr, wie es einmal war. Das Virus hat das Leben auf den Kopf gestellt und die Menschen verängstigt. Auch in Städten wie Rom, wo es kaum Infizierte gibt, gehen die Menschen in den Bars auf Distanz; die Warteschlangen am Kolosseum und vor den Vatikanischen Museen sind verschwunden.

Desinfizieren - nur für wen? Italiens Fußballstadien bleiben derzeit leer. Die Spiele werden ohne Zuschauer ausgetragen.

© Ciro Fusco/AFP

Sogar das Heiligste in Italien, der Fußball, ist infrage gestellt: Für den Fall, dass einer der Serie-A-Profis positiv auf das Virus getestet werden sollte, erwägt der Fußballverband, die Meisterschaft abzusagen. Dass die Spiele bis auf weiteres unter Ausschluss des Publikums stattfinden, hat man sich ohnehin schon gewöhnt.

Gespenstisch ist die Situation vor allem in den Touristenzentren. Der normalerweise hoffnungslos überfüllte Markusplatz in Venedig ist leer, die Skipisten ebenfalls. Sogar in der autonomen Provinz Aostatal, wo erst kürzlich die beiden ersten Corona-Fälle registriert wurden, sind die Buchungen eingebrochen. Hoteliers im Norden melden Umsatzeinbußen von bis zu 90 Prozent; im Süden beträgt das Minus 60 Prozent.

Ganz schön leer. Wie hier auf der Piazza Navona in Rom warten Italiens Ausflugsziele auf Besucher.

© Alberto Pizzoli/AFP

Der Tourismus bricht ein

Und während im ganzen Land die Supermärkte leergekauft werden, beklagen die Duty-Free-Shops in den Flughäfen massive Umsatzrückgänge. In den Airports des Nordens werden derzeit täglich 100000 Passagiere weniger abgefertigt als gewohnt. Der Tourismusverband rechnet damit, dass im zweiten Quartal, vom 1. März bis zum 31. Mai, fast 32 Millionen Touristen weniger nach Italien kommen werden als im Vorjahr – das entspräche einer Umsatzeinbuße von 7,4 Milliarden Euro.

Conte kündigte in seiner Rede an, dass er sich in Brüssel dafür stark machen werde, im laufenden Jahr das Haushaltdefizit leicht erhöhen zu dürfen, um der Wirtschaft und den Familien in dieser außerordentlichen Lage unter die Arme greifen zu können.

„Wir sitzen alle im selben Boot“, betonte der Ministerpräsident an die Adresse der EU-Haushalthüter. Italienische Medien spekulierten bereits, dass die Regierung für die zusätzlichen Hilfen 4,4 Milliarden Euro bereitstellen wolle.

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