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Der britische Premier David Cameron (links) und Frankreichs Präsident Francois Hollande.

© imago/ZUMA Press

Cameron beim EU-Gipfel zum Brexit: Wir können ja Freunde bleiben

Beim EU-Gipfel suchen die 27 EU-Partner Großbritanniens nach dem richtigen Weg nach dem Brexit-Votum: Eine Strafaktion gegen die Briten soll es nicht geben, aber auch keine übermäßige Geduld gegenüber London.

Um 20 Uhr begeben sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU im 8. Stock des Brüsseler Justus-Lipsius-Gebäude zu Tisch. Von David Cameron, dem (Noch-)Regierungschef Großbritanniens, erwarteten die übrigen 27 Staatenlenker beim Gipfel am Dienstag einen Bericht über die Ursachen des für die Europäische Union verheerenden  Brexit-Votums und – in der gegenwärtigen Lage wichtiger noch – eine Einschätzung über den Fortgang des britischen Polit-Dramas in den kommenden Wochen.

Cameron, so hatte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) zu Beginn des Gipfels klar gemacht, könne sich aus seiner Sicht noch „ein paar Wochen“ Zeit lassen, bevor er den Scheidungsantrag in Brüssel einreicht. Die Kontinental-Europäer setzen Cameron zwar nicht mehr Ultimaten wie noch vor einigen Tagen,  bis wann der Austritt formell erklärt sein muss. Aber sie machen deutlich, dass die Sache dringlich ist. Die EU könne nicht in Geiselhaft genommen werden durch die Austrittsentscheidung, lautet die überwiegende Lesart unter den 27 EU-Partnern.

Nach außen hin lassen sich Europas Spitzenpolitiker aber nichts von dem Zerwürfnis zwischen dem Kontinent und der Insel anmerken. Schulz begrüßt Cameron freundlich. Auch Frankreichs Präsident Francois Hollande klopft ihm beim Familienfoto auf den Rücken, bevor der Gipfel dann geschäftsmäßig wie immer mit weniger verfänglichen Themen beginnt: der Flüchtlingskrise, den dringend benötigten Wachstumsimpulse für die EU und Investitionen.

Aber das Brexit-Votum stellt für die Europäische Union noch einmal eine neue Dimension auf der nach oben offenen Krisenskala dar, und entsprechend geladen ist die Stimmung. Auch hart gesottene Politikerpersönlichkeiten lassen bei diesem ungewöhnlichen Gipfel ihren Gefühlen angesichts des Brexit-Votums – Trauer, Wut, Empörung - ihren Lauf.  EU-Ratspräsident Donald Tusk sagt: Ihm werde beim Abschied bewusst, „wie schön das Haus vorher war“. Kanzlerin Angela Merkel tritt eher nüchtern auf: „Dies wird die erste Möglichkeit sein, vom britischen Premierminister persönlich eine Einschätzung zu bekommen.“ Sie deutet an, dass man bald wieder nach vorn gucken muss: „Lösungen müssen gefunden werden, um Europa weiter zu entwickeln.“ 

 Reaktionen der Finanzmärkten machen Eindruck bei Regierungschefs

Für David Cameron muss es ein schwerer Gang nach Brüssel gewesen sein. Bei seinem mutmaßlich letzten EU-Gipfel hat er eine geballte Ladung Gefühle abbekommen. Eiseskälte, Isolation, Wut. All dies dürfte er gespürt haben, als es hinter verschlossener Tür zur Sache ging. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) berichtete schon kurz nach Beginn: „Ich habe wohl noch nie in meiner Amtszeit eine Atmosphäre erlebt wie heute Nachmittag.“ Deutlich sei das Gefühl der Unsicherheit in der Runde gewesen. Offensichtlich hinterlassen auch die Reaktionen der Finanzmärkte Eindruck auf die Regierungschefs. „Wer hätte vor fünf Tagen damit gerechnet, dass die Ratingagenturen Großbritannien herabstufen?“ fragt Schulz.

Derweil heißt es aus EU-Diplomatenkreisen, dass es nach dem Brexit-Votum  nun nicht darum gehe, die Briten zu bestrafen. Das wäre ganz im Sinne Camerons. „Ich hoffe sehr, dass wir bei Handel, Zusammenarbeit und Sicherheit eine Beziehung anstreben werden, die so eng wie möglich ist“, sagt er. Angesichts der sich abzeichnenden Scheidungsverhandlungen klingt das wie: Wir können ja Freunde bleiben.

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