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Debatte mit dem Handwerk

© Thorsten Metzner

Keine Rückkehr zu günstigen Energiepreisen : Wirtschaftsminister Steinbach schenkt Handwerkern „reinen Wein“ ein

Strom und Glas bleiben laut Jörg Steinbach deutlich teurer als vor 2020. Der SPD-Politiker verbreitete auf dem märkischen Handwerkskammertag aber auch eine gute Nachricht.

Trotz des angekündigten „Doppel-Wumms“: Brandenburgs Handwerksbetriebe müssen sich nach Worten von Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) darauf einstellen, dass die Preise für Strom etwa doppelt so hoch und für Gas bis zu drei mal so hoch wie vor der Corona-Pandemie und der Energiekrise bleiben werden - selbst bei staatlichen Entlastungsprogrammen.

„Wir werden nicht auf das Niveau von vor 2020 zurückkommen. Das ist ein Irrglaube. Das wird auch Vater Staat mit keinem Programm ausgleichen können. Das ist unbezahlbar“, erklärte Steinbach am Dienstagabend auf dem Brandenburger Handwerkskammertag in Groß Kreutz.

Er sehe seine Aufgabe auch darin, „reinen Wein einzuschenken.“ Selbst wenn bei den Energiepreisen 80 Prozent mit einem staatlichen Deckel auf dem Niveau von 2021 eingefroren würden, so rechnete Steinbach vor, „werden Sie am Jahresende eine Energiekostenabrechnung haben, die beim Zweieinhalb- bis Dreifachen dessen landet, wie Sie es in der Vergangenheit gewohnt waren!“ Mehr werde durch den Staat nicht kompensierbar sein, darauf müssen Sie sich einstellen!“

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hatte vor den Handwerkern einen schweren Stand.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hatte vor den Handwerkern einen schweren Stand.

© dpa

Ohne dass jede Firma auch selbst schaue, wie sie den Verbrauch reduziere oder wo möglich etwa Photovoltaikanlagen einsetze, werde es daher nicht funktionieren, so der Minister. Das generelle Problem liege tiefer, sei nämlich auch eine strukturelle Rezession in Deutschland: „Auch wenn das weh tut: Wir haben in den unterschiedlichsten Bereichen zehn Jahre verschlafen.“

Wir werden nicht auf das Niveau von vor 2020 zurückkommen. Das ist ein Irrglaube. Das wird auch Vater Staat mit keinem Programm ausgleichen können. Das ist unbezahlbar.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach

Bäckerei Exner macht wegen Energiepreisen sechsstellige Verluste

Mit solchen Tacheles-Botschaften, mit seinem klaren Pro-Statement für Solidarität mit der Ukraine und für die Russland-Sanktionen von EU und Deutschlands hatte Steinbach einen ziemlich schweren Stand vor den gut einhundert Handwerkern aus ganz Brandenburg im Saal. Die beklagten auch hier unisono explodierende Kosten für Benzin, Öl, Gas, Strom und Material aller Art - und sehen sich von der Politik im Stich gelassen.

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„Selbst solide aufgestellte Unternehmen geraten an die Grenzen des Leistbaren“, warnte Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam und Präsident des Landes-Handwerkskammertages. Ohne schnelle radikale Hilfen drohten schwieriges Fahrwasser bis hin zu Betriebsaufgaben. Selbst größere Handwerks-Unternehmen wie die Bäckerei Exner aus Beelitz, 250 Mitarbeiter, 40 Filialen in Brandenburg und Berlin, sind am Limit.

Von 2020 bis heute hätten sich die Energiekosten teils verzehnfacht, „wir machen hohe sechsstellige Verluste“, schilderte Firmenchef Tobias Exner. 2020 habe seine Firma für Strom 3 Cent je Kilowattstunde gezahlt, jetzt seien es 27 Cent, um die 30 Cent seien zu erwarten. Der Anteil der Energiekosten am Umsatz sei von damals 5 Prozent auf inzwischen 20 bis 25 Prozent gestiegen.

Wir können ja nicht sagen, dann kostet die Schrippe morgen 60/70 Cent oder das Brot sieben, acht Euro. Das können Verbraucher nicht mehr bezahlen.

Tobias Exner, Bäckermeister aus Beelitz

Bei den Preisen für Zucker, andere Zutaten und Verpackungen sehen laut Exner die Sprünge ähnlich aus. „Das alles ist kalkulatorisch nicht mehr machbar“, sagte er. „Wir können ja nicht sagen, dann kostet die Schrippe morgen 60/70 Cent oder das Brot sieben, acht Euro. Das können Verbraucher nicht mehr bezahlen. Im Moment gehen die Biofachbetriebe schon reihenweise pleite.“ Wohl bis zu jeder zweiten Bäckerei in Deutschland drohe das Aus. „In unserer Branche gibt es große Existenzängste“, so Exner. „Mich haben erwachsende Männer angerufen, die weinen.“

Tobias Exner, Inhaber der Bäckerei Exner, berichtete von den Nöten der Branche.
Tobias Exner, Inhaber der Bäckerei Exner, berichtete von den Nöten der Branche.

© dpa

Bernauer Tischler tankt die Firmenflotte notgedrungen in Polen

Allerdings werden Möglichkeiten nicht wahrgenommen. So wurde Exner von Steinbach prompt darauf hingewiesen, dass genau für jene Firmen, die wegen der Energiepreise in die Verluste rutschen, längst eine Förderung über das bestehende Energiekostendämpfungsprogramm des Bundes möglich sei, „in Höhe von 250.000 bis 50 Millionen Euro.“ Es sei leider typisch, sagte der Minister, wie wenig solche Hilfen bekannt und bisher genutzt würden, „es lohnt sich wirklich.“ Aus Brandenburg gebe es für das Programm bisher nur sechs Anträge.

Der Bernauer Tischlermeister Karsten Häber, der Holzfenster für Kunden aus ganz Deutschland produziert, verwies auf die extrem erhöhten Benzinpreise. „Wir brauchen im Monat ungefähr so 7500 Liter Diesel“, so Häber. Er sei bisher strikt dagegen gewesen, günstiger in Polen zu tanken, „was wir jetzt machen müssen, um unsere Kunden bundesweit bedienen zu können“. Denn man habe für übernommene Aufträge feste Abschlusspreise für ein Jahr vereinbart, könne Steigerungen nicht einfach auf Kunden umlegen.

Zugleich seien aber auch die Holzpreise um das Vier- bis Fünffache gestiegen, sei Material knapp geworden. „Wir haben einen Kredit über 750.000 Euro aufgenommen und davon das letzte Holz gekauft, das in Deutschland an sibirischer Lärche verfügbar war, damit wir ein Jahr arbeiten können.“

Auch die Preise für Holz sind stark gestiegen.
Auch die Preise für Holz sind stark gestiegen.

© Arnulf Stoffel/dpa

Die polnische Konkurrenz gerade im Fensterbau sei riesengroß, sagte Häber. „Ich kenne fünf Betriebe, die zum Jahresende die Produktion im Land Brandenburg einstellen werden.“ Dabei wolle man nicht mehr als anständige Produkte herstellen, die Mitarbeiter anständig bezahlen. Das werde immer schwieriger, „irgendwo hört es dann auf.“ Und ein Handwerker aus Cottbus hielt Steinbach vor: „Niemand kann von mir verlangen, dass ich tatenlos zusehe, wie man mein Unternehmen abwickelt. Wir werden uns das nicht gefallen lassen“ . Man sehe ja, dass die Bewegung auf der Straße immer stärker werde.

Potsdamer Stadtwerke empfehlen Verträge für zwei, drei Jahre

Es gebe bei den Energiepreisen zudem „extreme Verwerfungen“ zwischen den Unternehmen selbst, schilderte Peter Oswald, Vertriebsleiter der Energie und Wasser Potsdam GmbH. Wer Ernergie langfristig eingekauft habe, Verträge für zwei, drei Jahren im Voraus, der könne das jetzt ausssitzen. Wer nicht, komme in erhebliche Probleme. Um mit der aktuellen Lage umzugehen, empfehle er Firmen, „in Tranchen einzukaufen“ oder jetzt Verträge (mit dann günstigeren Preisen) für zwei, drei Jahre abzuschließen, um dadurch die heutigen Spitzenwerte glätten zu können.

Eine Möglichkeit sei auch, über die Handwerkskammer Rahmenverträge zu versuchen. „Das ist das was wir unseren Partnern anbieten.“ Mit Gas- und Strompreisbremsen gebe es „plötzlich wieder die Chance“, durch Energieeffizienz und erneuerbare Energien bezahlbare Energiepreise zu erreichen, warb Sebastian Saule, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB). Die berät märkische Firmen, was sie kurz-, mittelfristig und langfristig selbst tun können. Man treffe aber immer noch Unternehmen, denen man mit einfachen Tipps kurzfristig weiter helfen könne, etwa durch LED oder Präsenzmelder bei Beleuchtungen, aber auch bewusstere Heizungs- und Lüftungseinstellungen.

So habe man der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) geholfen, wo die Lüftungsanlage nun nachts abgeschaltet werde, was 50 bis 100 Euro täglich spare. Das Kino Bad Belzig schalte seine Kesselanlage in Zeiten ohne Betrieb nunmehr ab und vermeide so 20 Prozent überflüssigen Standby-Verbrauch, sagte Saule. Auch bessere Messgeräte und Regler seien ein Thema, die Dämmung von Leitungen.

Steinbach schließt Blackout in Brandenburg und Berlin aus

Man habe die Erfahrungen gemacht, dass Unternehmen nach solchen Beratungen bis zu 25 Prozent der Energiekosten einsparen könnten. Mittelfristig gehe es etwa um Gebäudedämmungen oder auch den Einsatz von Wärmepumpen. Konkret nannte Saule die Havellandhalle in Seeburg, wo jetzt eine Solar-Warmluftheizung eingebaut wird, um so künftig die Sporthallen zu heizen.

Wenn auch nicht zu den Preisen: Eine Entwarnung hatte Steinbach für die Handwerker doch. Im Norden Deutschlands, und damit auch in Brandenburg und Berlin, droht nach seinen Worten kein Zusammenbruch der Stromversorgung, entgegen den verbreiten Befürchtungen. „Das Thema Blackout können Sie schlicht und ergreifend vergessen!“, sagte Steinbach. Er schloss auch aus, dass kommenden Winter kein Gas mehr in Unternehmen ankomme oder kein Benzin an Tankstellen in Brandenburg.

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