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Pressekonferenz der Kenia-Koalitionäre im Landtag

© Thorsten Metzner

Rettungsschirm für den Rettungsschirm : Brandenburgs Kenia-Koalition erklärt erneut Notlage für 2024

Das Karlsruhe-Urteil ließ den Bundeshaushalt kollabieren. Nun wollen die Koalitionäre in Potsdam verhindern, dass sich wegen einer AfD-Verfassungsklage das Szenario auf Landesebene wiederholt.

Ein Rettungsschirm soll den Brandenburger Rettungsschirm retten, aus dem unter anderem beitragsfreie Kitas für über 150.000 Familien finanziert werden: Die Kenia-Koalition im Brandenburger Landtag aus SPD, CDU und Grünen hat am Dienstag in Potsdam gemeinsam mit Finanzministerin Katrin Lange (SPD) angekündigt, das sogenannte „Brandenburg-Paket“ im Doppelhaushalt für 2023 und 2024 über eine erneute Erklärung der Notlage für das nächste Jahr abzusichern.

Dieser Landes-Rettungsschirm mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro, gegen den der Landesrechnungshof Bedenken angemeldet hat, ist durch eine Verfassungsklage der AfD zumindest in Teilen bedroht. „Wir sind ein lernendes System. Wir greifen die Bedenken auf. Wir brechen uns da keinen Zacken aus der Krone“, erklärte Lange. Das Karlsruhe-Urteil habe schließlich im Bund „wie ein Blitz eingeschlagen.“ Die Kenia-Koalitionäre zeigten sich zuversichtlich, ein solches Szenario auf Landesebene zu verhindern.

Eine Garantie dafür gebe es allerdings nicht, erklärte Lange. Rechnungshofpräsident Christoph Weiser habe jedenfalls die Ankündigung in einem Telefonat „mit Freude zur Kenntnis genommen“, dass die Bedenken des Hofes aufgegriffen werden.

Wir sind ein lernendes System. Wir greifen die Bedenken auf. Wir brechen uns da keinen Zacken aus der Krone.

Katrin Lange (SPD), Finanzministerin in Brandenburg

Das durch das Karlsruhe-Urteil verschärfte juristische Problem besteht in Brandenburg bisher maßgeblich darin, dass der Landtag für den Doppelhaushalt 2023/2024 samt „Brandenburg-Paket“ die „Notlage“ gleich für zwei Jahre erklärt hatte. Der Schritt selbst ist wegen der Schuldenbremse in Grundgesetz und Landesverfassung immer dann möglich und nötig, wenn der Staat wegen Krisen neue Kredite aufnehmen will.

Grüne garantieren alle Projekte

Konkret ist nach dem Kenia-Plan nun vorgesehen, dass der Landtag nächste Woche auf seiner letzten Sitzung in diesem Jahr die Notlage erneut für 2024 erklärt und parallel ein Nachtragshaushalt aufgelegt wird. Über den sollen dann Maßnahmen regulär finanziert werden, die aus dem „Brandenburg-Paket“ unter Umständen wegen eines fehlenden Zusammenhangs zur „Notlage“ gestrichen werden müssen.

„Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, sagte Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke und versicherte: „Es wird kein Projekt fallengelassen.“ Doch Raschke war der Einzige auf dem Podium, der diese absolute Zusage machte. SPD-Fraktionschef Daniel Keller schloss einzelne Abstriche nicht aus, versicherte aber, dass „ein Großteil der Maßnahmen“ bleiben wird. Lange sprach von einer Überprüfung der Maßnahmen.

AfD schließt neue Verfassungsklage nicht aus

An der Begründung der neuen Notlage wird noch gefeilt, es werden laut Lange wie 2023 der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, die Preissteigerungen sein. „Es ist nicht geplant, die Klimakrise als Begründung aufzunehmen“, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Auf jeden Fall werde das „Brandenburg-Paket“ im Umfang reduziert. Einigung besteht darin, dass eine noch nicht mit Maßnahmen untersetzte 500-Millionen-Reserve aus dem Paket fliegen muss, um es juristisch abzusichern.

Und die Opposition? „Es ist der verklemmte Versuch, ein negatives Urteil des Verfassungsgerichtes zu verhindern“, erklärte AfD-Fraktionschef Christoph Berndt. Es sei gar nicht gerechtfertigt, angesichts der Wirtschaftsentwicklung mit dem bundesweit stärksten Wirtschaftswachstum eine Notlage zu erklären. „Die Bevölkerung wird hinters Licht geführt.“ Berndt schloss nicht aus, dass die AfD auch eine Verfassungsklage gegen den Rettungsversuch für das Brandenburg-Paket stellen wird.

Linke-Opposition unterstützt Kenia-Verfahren

Die Linke-Fraktion im Landtag, die den Weg zuvor gefordert hatte, sicherte Zustimmung im Landtag zu. „Es darf nicht sein, dass Familien und Kommunen im Land für diesen Fehler bezahlen“, sagte Fraktions- und Parteichef Sebastian Walter. „Wir werden dafür sorgen, dass Kommunen weiter investieren können.“ Walter verwies darauf, dass Brandenburgs Landeshaushalt infolge der Inflation auch dieses Jahr wieder mit hunderten Millionen Euro zusätzlichen Mehreinnahmen rechnen könne. „Dieses Geld muss zurück in die Brieftaschen der Brandenburger. Da kommt es auch her.“

Dagegen lehnen die Freien Wähler die Notlösung ab. Man halte nichts davon, mit Ränkespielen über irgendwie geartete Notlageerklärungen die Verfassungsprobleme des Doppelhaushaltes zu lösen, sagte Fraktions- und Parteichef Péter Vida. Es räche sich jetzt, dass die Kenia-Koalition in einer so volatilen Zeit überhaupt einen Doppelhaushalt für zwei Jahre aufgelegt habe.

„Die Notlage besteht nicht auf Landesebene, sondern in den Kommunen, beim öffentlichen Nahverkehr und im Gesundheitswesen vor allem im ländlichen Raum“, sagte Vida. Das Karlsruhe-Urteil hat bundesweit eine Debatte um die erst drei Jahre alte Schuldenbremse ausgelöst. In Brandenburg sind SPD und Grüne für eine solche Reform, die CDU lehnt das ab.

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