zum Hauptinhalt
In der Potsdamer Mitte entsteht ein Wohn- und Geschäftskarree, mehrere Gebäude baut auch die Genossenschaft „Karl Marx“.

© Ottmar Winter/ PNN

Interessenkollision in Potsdamer Mitte?: Ermittler prüfen Vorwürfe gegen Stadtverordnete

Durch einen Pressebericht wurden die Strafverfolger auf Bauexpertin Babette Reimers aufmerksam. Doch die SPD-Fraktion stellt sich hinter ihr Mitglied.

Es geht um ein Bauprojekt in der Potsdamer Mitte und die mögliche Verquickung von politischer Arbeit und geschäftlichen Interessen eines Architektenpaars: Ein kritischer Pressebericht über die langjährige SPD-Stadtverordnete Babette Reimers und ihren Ehemann hat das Interesse von Strafverfolgern geweckt. Es werde auf dieser Grundlage geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg an der Havel den PNN auf Anfrage. Die Ermittler dort sind bei Verdachtsfällen der Bestechlichkeit von Amtsträgern zuständig.

Vorausgegangen war ein Bericht der „Bild“-Zeitung, wonach Reimers für die Vergabe von Mitte-Grundstücken an die Genossenschaft „Karl Marx“ gestimmt habe – bei mehreren dieser so in Gang gekommenen Bauprojekte für neue Gebäude am Alten Markt ihr Ehemann aber nun Bauleiter sei. Dem damit einhergehenden Vorwurf, dies sei eine Interessenkollision, treten Parteifreunde von Reimers allerdings entgegen.

So erklärte die SPD-Fraktionsspitze im Rathaus, Sarah Zalfen und Hagen Wegewitz: „Eine Interessenkollision war zu keinem Zeitpunkt gegeben.“ Die Spekulationen in der „Bild“ seien haltlos, so die Fraktionäre in der Erklärung, die auch die Stellungnahme von Reimers widerspiegele. Diese selbst antwortete auf PNN-Anfrage nicht persönlich.

Die SPD-Stadtverordnete Babette Reimers, hier auf einer Aufnahme zur Kommunalwahl 2019.

© Promo

Ihre Fraktionsspitze nahm allerdings zu den Vorwürfen Stellung. So habe Reimers als Stadtverordnete an den Jury-Sitzungen zu den anonymisierten Bieterverfahren für den sogenannten Block III – ein nun entstehendes Wohn- und Geschäftskarree – 2017 und 2018 teilgenommen. Zur Frage, ob Reimers dort auch für die Vergabe gestimmt habe, sagte Wegewitz nach Rücksprache mit ihr: „Es gibt die allgemeine Regelung, dass das Stimmverhalten der einzelnen Jurymitglieder nicht dokumentiert und nicht veröffentlicht wird.“

Eine Interessenkollision war zu keinem Zeitpunkt gegeben.

SPD-Fraktionsspitze im Rathaus

Die Vergabe sei dann von der Stadtverordnetenversammlung, wo Reimers auch sitzt, bestätigt worden. Den Zuschlag für die in Rede stehenden Bauten hätten damit die „Marx“-Genossenschaft und drei Architektenbüros erhalten – nach dem Rückzug von zwei dieser Büros habe das Potsdamer Architekturbüro „Van Geisten/ Marfels“ dann für alle Bauvorhaben der „Marx“ die Betreuung übernommen, so die Darstellung der SPD-Fraktion.

Parteifreunde stellen sich hinter Babette Reimers

Drei Jahre später sei Reimers’ Ehemann ins Spiel gekommen. Wegen Kapazitätsengpässen habe das besagte Architektenbüro im Sommer 2021 bei dem Mann angefragt, „ob dieser aufgrund seiner ausgewiesenen und den Architekten bekannten Qualifikation“ die Bauüberwachung von drei der Vorhaben als Subplaner übernehmen würde. „Mit dem Bauherren, der Genossenschaft „Karl Marx“, bestanden und bestehen keine vertraglichen Verbindungen“, betonte die SPD-Fraktionsspitze. Das dafür gezahlte Geld entspreche der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, hieß es weiter.

Die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ ließ wissen, man habe den Auftrag nicht an Reimers vergeben. Das Architekturbüro „Van Geisten/ Marfels“ ließ wiederum eine PNN-Anfrage zu den Umständen der Vergabe an Reimers bis Donnerstagnachmittag unbeantwortet.

Ein gemeinsames Architekturbüro

Reimers ist seit 2014 SPD-Stadtverordnete für Babelsberg, mit ihrem Mann betreibt sie ein Architekturbüro, das in den vergangenen Jahren unter anderem an der Erweiterung der Mensa im kommunalen Sportpark Luftschiffhafen mitarbeitete, aber auch an vielen anderen Projekten in Berlin und dem Umland.

Unterstützung bekommt Reimers auch von Stadtpräsident Pete Heuer (SPD), der gemeinsam mit anderen Fraktionsvertretern über die Einhaltung des sogenannten Ehrenkodex der Stadtverordneten wachen soll. Dort heißt es unter anderem, die Stadtverordneten sehen es „mit ihrem Amt als unvereinbar an, irgendwelche Vorteile entgegenzunehmen, mit denen Einfluss auf Entscheidungen genommen werden könnte beziehungsweise der Anschein einer Einflussnahme entstehen könnte“.

Pete Heuer ist Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung und sitzt dort für die SPD im Plenum.

© Andreas Klaer

Es seien keine Verstöße gegen den Kodex oder andere Bestimmungen erkennbar, sagte Heuer: „Zwischen der Mitwirkung von Frau Reimers, wie auch vieler weiterer Stadtverordneter, an der Auswahlentscheidung und der Auftragsübernahme einer Bauleitung als Subunternehmer mehrere Jahre nach der Auswahlentscheidung besteht keinerlei Zusammenhang“.

In der „Bild“-Zeitung waren hingegen Vertreter aus der Opposition im Stadthaus zitiert, die ihr Unverständnis äußerten – etwa Carmen Klockow vom Bürgerbündnis, die die Annahme des Auftrags als „unanständig“ geißelte. Aus der CDU forderte am Donnerstag der Chef des CDU-Verbandes Innenstadt-Nord, Gregor Ryssel, der Oberbürgermeister müsse nun für lückenlose Aufklärung sorgen: „Der Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität einzelner Stadtverordneter muss unbedingt vermieden werden.“

In Brandenburg muss wiederum die Generalstaatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Anhaltspunkte für Ermittlungen gegen die Amtsträgerin sieht oder nicht. Wie lange das dauert, ließ der Sprecher der Behörde offen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false