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Zum Talk in der Pirschheide hatten sich 35 Bürger:innen angemeldet.

© Ottmar Winter

Energie-Talk in Pirschheide: Warum geht das nicht schneller?

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert und die Spitzen von EWP und Pro Potsdam stellten sich am Mittwochabend den Bürgerfragen zur Energiekrise.

Die großen Gräben zeigten sich am Mittwochabend am Rande des Energie-Talks im ehemaligen Bahnhof Pirschheide. Abseits des Podiums mit hochrangigen Vertretern von Stadt und kommunalen Unternehmen. Anne Ulrich, die sich bei Potsdam Zero engagiert, ging nach der Veranstaltung auf Konfrontationskurs mit dem Chef des kommunalen Energieversorgers Energie und Wasser Potsdam (EWP), Eckard Veil. „Die EWP plant eine Decarbonisierung bis 2045, will dann erst aus dem Gas aussteigen. Warum geht das nicht schneller? Bis dahin ist die Erderhitzung so weit fortgeschritten, wir können nicht so lange warten“, so Ulrich.

Veil erläuterte die Hürden wie langwierige Genehmigungsverfahren. „Die größte Schwachstelle sind die Leitungen. Brandenburg hängt beim Netzausbau hinterher, und wenn wir keinen Netzanschluss haben, können wir auch keine großen Photovoltaikanlagen bauen.“ Daran hake es derzeit auch bei der geplanten Anlage bei Satzkorn: EnBW, der Konzern, der sich die Fläche gesichert hat, stehe in den Startlöchern. Aber ohne entsprechende Leitungen könnte der produzierte Strom nicht weitertransportiert werden. „Deshalb geht es nicht vorwärts“, so der EWP-Chef. Das könnte zum Problem werden: „EnBW überlegt, die Pacht wieder zurückzugeben“, sagte Veil.

Eckard Veil, Chef der EWP, erläuterte, warum der Umstieg auf erneuerbare Energie so lange dauert.
Eckard Veil, Chef der EWP, erläuterte, warum der Umstieg auf erneuerbare Energie so lange dauert.

© Ottmar Winter

35 Bürger:innen hatten sich zu dem Bürgerdialog zu den Themen Energie und Wohnen angemeldet. Bei dem neuen Format konnten sich die Potsdamer:innen an kleinen Stehtischen informieren und bei einer einstündigen Podiumsdiskussion Fragen stellen an den Oberbürgermeister Mike Schubert, seine Sozialbeigeordnete Brigitte Meier (beide SPD), EWP-Chef Veil und Gregor Heilmann, Leiter der Stabsstelle Energie beim kommunalen Immobilienunternehmen Pro Potsdam. Am Freitag findet eine zweite Runde statt, diesmal im Schulzentrum am Stern, bis Mittwoch hatten sich aber erst 15 Personen angemeldet - trotz 2000 Flyern und Ankündigungen in der Lokalpresse.

Umzutreiben schien die Besucher vor allem die Frage nach den Energiequellen. Mehrfach wurden Fragen nach dem Ausbau der erneuerbaren Energie in Potsdam gestellt. Veil verwies dabei auf die Versuche zur Nutzung tiefer Geothermie. Im Dezember sollen die Bohrungen am ehemaligen Tramdepot in der Heinrich-Mann-Allee beginnen, kündigte er an. Rund sechs Monate werde dort gebohrt - in einer Doppelbohrung in mehr als einen Kilometer Tiefe. Wenn die Bohrung erfolgreich verlaufe, könne man bis 2035 an sieben weiteren Stellen Löcher setzen - und so bis zu 25 Prozent des Wärmeversorgung in Potsdam decken.

Gas, Atomenergie oder Erneuerbare?

Am Rande des Dialogs wurde deutlich, dass die Meinungen zur richtigen Energiequelle im Publikum weit auseinandergehen. So wünscht sich Andreas Viehrig eine Rückkehr zur Atomenergie. „Der Wohlstand in Deutschland hängt davon ab, dass die Industrie produziert und der Atomausstieg treibt die Preise in die Höhe.“ Kathleen Klarer hingegen kann den Boykott von russischem Gas nicht nachvollziehen. „Was soll der Scheiß?“ Moralische Bedenken will sie nicht hören, sie sei ein Kind der DDR und habe eine Diktatur „erlebt und überlebt“. Brigitta Bungard dagegen findet es zentral, so schnell wie möglich aus der fossilen Energie auszusteigen. „Wir brauchen mehr Klimaschutz beim Thema Wohnen.“

Auf die Frage aus dem Publikum, warum nicht längst alle Dächer in Potsdam mit Solaranlagen ausgestattet sind, argumentierte Dezernentin Meier mit dem Denkmalschutz. „Wir haben in Potsdam ein Riesenproblem mit den Sichtachsen“, sagte sie mit Bedauern. Diese Debatte jedoch dürfte in der Stadtpolitik bald neu geführt werden: Die Fraktionen der rot-grün-roten Rathauskooperation haben dazu Anfang November einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht. Dieser regt einen „fachlichen Diskurs“ an, der „die Ziele des Klimaschutzes gegenüber den Zielen des Denkmalschutzes neu diskutiert“. Das Ziel: „den aktuellen Anforderungen der klima- und umweltgerechten Stadtentwicklung, insbesondere unter energetischem Aspekt besser gerecht zu werden“.

Als weiteres Argument, warum der Ausbau der Solarenergie nicht schneller vorangeht, nannte Veil statische Probleme. „Gerade bei Plattenbauten dürfen wir oft keine Solaranlagen auf das Dach bauen, weil das die Statik nicht aushält.“ Heilmann von der Pro Potsdam kritisierte die hohen regulatorischen Vorgaben. „Wir würden gern den Strom von den Dächern der Wohnanlagen unseren Mietern anbieten. Das ist Teil der Energiewende.“ Doch Mieterstrom sei auf Bundesebene stark reguliert und mit hohem Zeitaufwand verbunden.

Oberbürgermeister Schubert dämpfte die Erwartungen, dass Potsdam schnell ohne Gas klarkommt. „Kurzfristig werden wir nicht aus dem Gas aussteigen können“, sagte er. Die Priorität liege momentan woanders: „Wir müssen jetzt Versorgungssicherheit garantieren.“

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