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Linda Teuteberg, FDP-Politikerin aus Potsdam.

© Andreas Klaer/PNN

Linda Teuteberg (FDP) im Interview: „Das Demonstrationsrecht ist kein Recht auf Nötigung“

Die Bundestagsabgeordnete positioniert sich klar gegen die Aktivitäten der „Letzten Generation“. Am Montag hatten sich Aktivisten auch in Potsdam auf die Straße geklebt.

Frau Teuteberg, immer wieder blockieren Klimakleber in Berlin und nun auch in Potsdam die Straßen. Wie geht eine Liberale damit um?
Niemand hat das Recht, durch Gewalt oder Nötigung zu erzwingen, was seine Argumente im politischen Diskurs nicht vermögen. Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ist für unsere Demokratie von besonderer Bedeutung und als Freie Demokratin trete ich dafür ein, es zu gewährleisten. Doch das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ist ein Kommunikationsgrundrecht, um auf ein Thema und seine Meinung dazu aufmerksam zu machen. Es ist gerade kein Recht zur systematischen Nötigung anderer Menschen. Menschen, die zu ihrem Arbeitsplatz, zur Schule oder zum Arzt müssen, werden durch die Protestaktionen geschädigt. Das ist inakzeptabel.

Die „Letzte Generation“ blockierte am Montag in Potsdam die Lange Brücke.

© LETZTE GENERATION/LETZTE GENERATION

Aber ist der Klimaschutz nicht das wichtigste Thema, das wir gerade haben?
Wirksamer Klimaschutz ist ein sehr wichtiges Anliegen und gerade deshalb müssen Klimaschutzmaßnahmen gut gemacht und nicht nur gut gemeint sein. Die Notstandsrhetorik der selbsternannten „Letzten Generation” ist gefährlich. Hier wird das Anliegen mit Zielen und Ziele mit Mitteln verwechselt.

Nun zitieren die Klimaschützer immer wieder ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Klimaschutz als Staatsziel unser Land im Grunde verpflichtet, Dinge zu ändern.
Das Urteil befreit jedoch nicht von der Pflicht zur konkreten Abwägung, welche Maßnahmen geeignet und verhältnismäßig sind und ob ein Freiheitseingriff wirklich gerechtfertigt ist. Es befreit nicht davon, den Klimaschutz mit anderen Anliegen, die ebenfalls Verfassungsrang genießen, abzuwägen. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers, der demokratisch gewählten Parlamente. Es ist eine gefährliche Selbstermächtigung und Demokratieverachtung, wenn radikale Klimaaktivisten meinen, sie stünden über Recht und Gesetz.

Hier wird das Anliegen mit Zielen und Ziele mit Mitteln verwechselt.

Linda Teuteberg (FDP), Bundestagsabgeordnete

Ist es verhältnismäßig, wenn in einem Bundesland wie Bayern deswegen Präventivhaft eingeführt wird?Eingeführt wurde das Instrument der Präventivhaft in Bayern schon früher. Es wird von uns Freien Demokraten aus guten Gründen sehr skeptisch gesehen, da die Verhältnismäßigkeit fragwürdig ist. Allerdings haben die betroffenen Personen nicht einmal die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel dagegen eingelegt. Das zeigt, dass radikale Bewegungen den Rechtsstaat bewusst provozieren und eine darauffolgende Überreaktion Teil ihres Kalküls ist. Umso wichtiger ist es, dass der demokratische Rechtsstaat entschlossen und besonnen zugleich reagiert. Wo Gesetze gebrochen werden, muss dies konsequent und zügig geahndet werden.

Nun werfen die Klimaaktivisten gerade Ihrem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor, zum Beispiel nicht genug für den Ausbau des Eisenbahnnetzes zu unternehmen.
Die Vertreter der „Letzten Generation” fordern ein Tempolimit und ein Neun-Euro-Ticket. Die Kleinkariertheit der Forderungen steht doch im krassen Gegensatz zur Dimension der Herausforderungen. Für wirksamen Klimaschutz müssen wir das Bahnangebot so verbessern, dass mehr Menschen die Chance haben, auch ganz oder teilweise ihr Auto stehen zu lassen. Das braucht große Investitionen, weshalb Forderungen wie jene nach einem Neun-Euro-Ticket zutiefst unseriös sind.

Als Brandenburgerin weiß ich, dass in Prenzlau „ohne Berg“ das Auto unverzichtbar ist und auch bleiben wird. Was wir brauchen, sind deshalb im ländlichen Raum sowohl klimafreundliche Autos als auch Park-and-Ride-Angebote, Rufbusse und vieles mehr. Nur ein Angebot, das es überhaupt gibt und das in der Regel pünktlich ist, kann attraktiv sein und einen Umstieg ermöglichen.

Bräuchte es eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel?
Es braucht auf jeden Fall Verlässlichkeit. Wir müssen auch kritisch hinterfragen, wie die Bundesländer die Regionalisierungsmittel bisher einsetzen. Ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr kostet Geld. Daran müssen sich auch die Nutzer angemessen beteiligen. Die Forderungen der sogenannten „Letzten Generation” und von „Extinction Rebellion“ zeigen doch, dass diese Bewegungen eine ganz andere Agenda haben: Es geht darum, unsere Wirtschaftsordnung abzuschaffen. Es ist damit in Wirklichkeit eine extremistische Bewegung, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung angreift.

Wie wollen Sie denn als FDP-Abgeordnete mehr Klimaschutz erreichen?
Wer wirksamen Klimaschutz will, setzt nicht auf Klimanationalismus und Deindustrialisierung, sondern auf Innovation, Effizienz und internationale Zusammenarbeit. Als Bundesrepublik Deutschland haben wir rund zwei Prozent Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß. Weder die Hände in den Schoß zu legen noch Verzicht und Deindustrialisierung unseres Landes sind die angemessene Antwort. Denn damit wäre das Weltklima nicht gerettet und niemand würde sich unsere Lösungen abschauen.

Wirksamer Klimaschutz gelingt nur, wenn wir mit unseren Technologien und Regulierungen andere zum Nachahmen animieren. Dazu brauchen wir Effizienz. Daher stehen wir als Freie Demokraten für den CO2-Zertifikatehandel: Das sorgt dafür, dass klimaschädliche Produktionsweisen zunehmend vermieden werden und in klimaschonende Produktion und Mobilität investiert wird. Wir benötigen mehr und nicht weniger Marktwirtschaft, um effizient mit knappen Ressourcen umzugehen.

Kann sich Deutschland so ein Vorgehen noch leisten? Die Auswirkungen des Klimawandels sind doch schon heute spürbar...
Gerade deshalb ist Kosteneffizienz so wichtig. Sonst vermeiden wir weniger CO2, als wir hätten vermeiden können. Wir müssen Lösungen entwickeln und bei uns umsetzen, die sich dann auch andere große Emittenten wie China oder Indien bei uns abschauen, weil sie funktionieren – ökologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Erst dann erreichen wir wirklich etwas für das Weltklima.

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