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Chefdramaturgin Bettina Jantzen und Intendantin Bettina Jahnke stellen den Spielplan 2024/25 in der Kaschierwerkstatt des Hans Otto Theaters vor.

© Andreas Klaer

Heiter gegen Hass: Was das Hans Otto Theater 2024/25 vorhat

Potsdams Stadttheater will sich von politischen Krisen nicht die Stimmung vermiesen lassen. Rund die Hälfte der 18 Premieren sind Komödien. Allerdings werden auch erstmals seit 2016 die Preise erhöht.

In ihrem Essay „Gegen den Hass“ schrieb die Philosophin Carolin Emcke 2016, was es im Kampf gegen Hass zu mobilisieren gelte: „Die Fähigkeit zur Ironie, zu Zweifeln und die Vision einer offenen Gesellschaft.“ Das Hans Otto Theater (HOT) hat sich das zu Herzen genommen und will 2024/2025 düsteren politischen Stimmungen mit der Kraft des Theaters trotzen. „Wir wollen zeigen, nicht wogegen, sondern wofür wir sind“, so Intendantin Bettina Jahnke bei der Vorstellung der Spielzeit. Sie führte auch aus, wofür genau: Vielfalt, Ambivalenz, Verrücktheit, Heiterkeit.

Geladen wurde diesmal in die Kaschierwerkstatt, den Ort, wo Theaterplastiken entstehen. Beäugt von Seejungfrau, Gekreuzigtem und Zyklop blickten Jahnke, Chefdramaturgin Bettina Jantzen und Geschäftsführer Marcel Klett von hier in die kommende Saison. Geplant sind 18 Premieren. Sucht man nach einem gemeinsamen Nenner, dann dürfte es die besagte Lust auf Heiterkeit sein. Knapp die Hälfte der Neuproduktionen sind Spielarten des Komödiengenres.

„Potsdam-Porträt“ zum Auftakt

Den Auftakt am 20. September macht eine Revue: Eine Uraufführung von Jan Neumann, derzeit Hausautor in Weimar. Sein mit dem Ensemble entwickeltes Stück „7 1/2 Brücken“ soll nichts Geringeres als ein „Potsdam-Porträt“ werden, Referenzen an Günther Jauch und Stummfilmkino, „Traumfabrik und Gewehrfabrik“ inklusive. Auch Tag zwei des Eröffnungswochenendes wird zeitgenössisch: „Das beste aller möglichen Leben“ von dem US-amerikanischen Theater- und Drehbuchautor Noah Haidle (Jahrgang 1978) folgt der Lebensgeschichte eines Gewalttäters vom unschuldigen Anfang bis zum womöglich bitteren Ende.

Im Oktober folgt nach einigen Spielzeiten Pause wieder einmal eine große Musical-Offensive. Gegeben wird „Lazarus“ von David Bowie und Autor Enda Walsh. Eine achtköpfige Live-Band in der Regie des musicalerfahrenen Bernd Mottl („Cabaret“) versuchen an die Erfolgsstrategie von „Stolz und Vorurteil (*oder so)“ anzudocken.

Herbst und Winter stehen im Zeichen der ernsteren Schwergewichte. Mit George Taboris „Mein Kampf“ kommt am 22. November eine in den 1990er-Jahren oft inszenierte Groteske zurück auf die Bühne. Regie führt Jahnke selbst. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mannes namens Adolf Hitler, der im Wiener Obdachlosenasyl ausgerechnet bei einem jüdischen Buchverkäufer Trost findet.

Nicht nur heitere Aussichten

Mit Kim de L’Horizons „Blutbuch“ und Lutz Seilers „Stern 111“ holt das HOT zwei Bucherfolge der letzten Jahre ins Theater. Bei de L’Horizon steht die rauschhafte Auseinandersetzung mit Körpern und herrschenden Machtverhältnissen im Vordergrund (Regie Kieran Joel). Und Büchnerpreisträger Seiler umkreist eine Zeit, deren politisch aufgeheizte Stimmung immer wieder mit der heutigen verglichen wird: die Transformation nach 1990. Regie führt Esther Hattenbach.

Im Frühjahr dann die große Komödienoffensive. Am 11. April schenkt sich Bettina Jahnke den schon lange von ihr gewünschten Komödienklassiker „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn. Am 26. April folgt Moritz Peters mit einem Ausflug ins Palais Lichtenau und „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“, einer Komödie des Schauspielers Peter Jordan.

Das frisst natürlich in unseren künstlerischen Etat rein.

Geschäftsführer Marcel Klett über eine Inflation von 21 Prozent seit 2016

„Bondi Beach“ heißt das einzige Stück, das in der kommenden Potsdamer Spielzeit eine Frau geschrieben hat, nämlich Rebekka Kricheldorf. Auch sie ist eine zeitgenössische Expertin für schwarze Komödie. Hier geht es ums Älterwerden und die Frage „Exzess oder Askese?“ Böse lustig sein kann auch Peter Turrini, dessen Stück „Der tollste Tag“ Beaumarchais’ „Die Hochzeit des Figaro“ in Richtung #MeToo weiterdenkt. Regisseurin Adriana Altaras kommt dafür wieder nach Potsdam, um das Ganze im Juni für die Sommerbühne einzurichten.

Sogar bei der obligaten Kafka-Premiere im Kafka-Geburtstagsjahr („Ein Bericht für eine Akademie“, 31. Mai) wird es etwas zu lachen geben, so Bettina Jahnke. Insgesamt heitere Aussichten? Nicht ganz. Geschäftsführer Marcel Klett kam die Rolle des Spaßverderbers zu.

Zum einen sieht sich das Theater gezwungen, ab der kommenden Spielzeit seine Preise um etwa acht Prozent anzuheben. Das war zuletzt 2016 geschehen. Seitdem gab es Klett zufolge eine Inflation von 21 Prozent, „das frisst natürlich in unseren künstlerischen Etat rein.“ Aber: Die extrem subventionierten, aber sehr wenig nachgefragten Kulturtickets (3 Euro) sollen einfacher verfügbar sein. Die günstigste Kartenkategorie bleibt gleich (10 Euro), auch stellt Klett ab dem Wintersemester kostenfreie Studierendentickets in Aussicht.

Und die finanzielle Lage am Haus insgesamt? „Im Moment stabil“, so Klett. „Das ist das Beste, was ich derzeit dazu sagen kann.“ 2024 rechnet das Haus mit einem hohen Defizit, kann diese aber durch Rücklagen aus der Corona-Zeit abfedern. 2025 wird das Defizit höher sein als die Rücklagen.

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